Am Donnerstag hat in Deutschland der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sein Amt angetreten. Seine Ernennung zu einem eigens in Merkels Kabinett geschaffenen Posten bestätigt erneut das Ausmaß eines Problems, das die meisten europäischen Politiker nicht bemerken wollen.
Natürlich wäre es für britische Minister, die für internationale Beziehungen zuständig sind, viel einfacher, die Explosion im Norden Londons am 2. Mai während des jüdischen Feiertags Lag ba-Omer als tragischen Zufall einzuordnen. Auch die Feuerwehr behauptet, dass der Unfall, bei dem rund 30 Menschen verletzt wurden, mit der Nutzung von zu viel Brennflüssigkeit und Handys verbunden war. Bei der Feier wird traditionell ein Feuer gezündet, wobei Smartphones verbrannt werden. Sie sollen angeblich explodiert sein, wie Scotland Yard mitteilte, wobei man auf eine Untersuchung des Vorfalls als Terroranschlags verzichtete.
Doch die Webseite Yeshiva World erinnerte die Polizisten daran, dass die jetzige Zeremonie nicht wie die vorjährige verlaufen war. Doch damals kam es nicht zu Vorfällen, die Smartphones verbrannten damals ohne jegliche Explosionen. Auf den fehlenden Wunsch der britischen Polizei, die Vorfälle unter einem religiösen bzw. nationalen Hintergrund zu untersuchen, wird auch von vielen Mitgliedern der jüdischen Gemeinde Großbritanniens aufmerksam gemacht. Eine solche Tendenz ist nicht nur in Großbritannien zu erkennen.
Eine der ersten Ankündigungen des neuen deutschen Antisemitismusbeauftragten war die Äußerung von der Widersprüchlichkeit der polizeilichen Statistiken. Er sprach von dem Widerspruch, dass die Polizeistatistiken für politisch motivierte Kriminalität von über 90 Prozent rechtsradikal motivierten antisemitischen Straftaten ausgeht, „die gefühlte Bedrohungslage der jüdischen Gemeinden“ sei aber eine „völlig andere“.
Der Vorsitzende des Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, führte folgende Zahlen an: Während vor 2017 in Berlin jeden Monat durchschnittlich 70 antisemitische Aktionen fixiert wurden, waren es nach 2017 mehr als 100. Ende April gab Merkel erstmals zu, dass es unter arabischen Migranten antisemitische Stimmungen gibt. Einer der Gründe dieses „neuen Phänomens“ sei der Zustrom muslimischer Flüchtlinge in die EU. Im Ergebnis müssen alle jüdischen Kindergärten, Schulen und gesellschaftlich-religiösen Einrichtungen in Deutschlands heute von der Polizei überwacht werden. Auch in Frankreich sieht die Lage nicht besser aus, wo laut offiziellen Angaben 4700 Polizisten und Soldaten 717 jüdische Schulen und Synagogen bewachen.
Europa ist nicht imstande, den von europäischen Politikern eingeleiteten Zustrom aufzuhalten. Das Problem, das in Europa seit langem erfolgreich verschwiegen wird, wurde auf einmal unumkehrbar. Europäische Soziologen rufen die EU-Führung dazu auf, Zugang zu wütenden und gesetzlosen jugendlichen Einwanderern zu finden, aus deren Milieu viele Kriminelle kommen, die Verbrechen aus Antisemitismus begehen. Zugleich aber wird nicht erklärt, ob das im Prinzip möglich ist. Dass sich Antisemitismus in eine „soziale Krankheit“ verwandelt, wird bereits von Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve eingeräumt.
Doch während europäische Polizisten die Aufgaben der Bewachung jüdischer Schulen mehr oder weniger meisterten, bleibt die Frage der Sicherheit der Mitglieder jüdischer Gemeinden (allein in Frankreich sind es rund 600.000 Menschen) ungelöst. Der Chef der jüdischen Gemeinde in Marseille empfahl, keine Kippas an öffentlichen Plätzen zu tragen. Ein ähnlicher Aufruf war vom Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, zu hören. Ihm zufolge wird es in deutschen Großstädten gefährlich, sich offen als Jude zu bekennen.
Unabhängig von den Motiven der zwei Jugendlichen (eines Staatsbürgers Israels und eines Staatsbürgers Deutschlands, die Mitte April demonstrativ mit Kippa durch Berlin gingen), war das Ergebnis der Aktion voraussagbar – sie wurden von drei Unbekannten angegriffen. Nachdem die Betroffenen ein Video mit dem Vorfall ins Internet gestellt hatten, musste die Bundespolizei diesen Vorfall als antisemitische Erscheinung anerkennen und ein Ermittlungsverfahren einleiten. Einer der Angreifenden, der sich freiwillig der Polizei stellte, war ein 19-jähriger Palästinenser, der aus Syrien nach Deutschland geflohen war. Die beiden anderen Straftäter konnten fliehen.
Nach Angaben des Innenministeriums Frankreichs ist die Zahl der Gewaltübergriffe auf Juden im Land 2017 um 22 Prozent im Vergleich zum Jahr 2016 gestiegen. Jenen Flüchtlingen aus dem Nahen Osten, die Terror gegen jüdische Bevölkerung entfachten, sind Protestaktionen gegen Antisemitismus in Berlin bzw. Toleranzunterricht an europäischen Schulen absolut egal. Laut Josef Schuster funktionieren Warnungen und Geldstrafen dabei einfach nicht. Allerdings könnten die europäischen Behörden jene Radikalen zähmen, die keine westlichen Werte anerkennen und antisemitische Ansichten haben, indem sie ihnen die Aufenthaltserlaubnis entziehen. Doch Brüssel lässt die Finger von solch drastischen Maßnahmen, weil man eine soziale Explosion seitens der sich bereits legalisierten Einwanderer befürchtet.
Solange Verbrechen wegen Antisemitismus in europäischen Gesetzen nicht als solche eingestuft und nicht mit Ausweisung bestraft werden (diese Vorschläge gab es übrigens seitens deutscher Unionsabgeordneter), wird sich die Situation weiter verschlechtern. Doch während es früher Explosionen wie bei der jüdischen Feier in London und im Gaza-Streifen bzw. in arabischen Vierteln in Jerusalem gab, wandern die Träger der antisemitischen Ideologie heute vom Nahen Osten in die europäischen Hauptstädte.
Kriminelle müssen wegen ihrer antisemitischen Angriffe weiterhin wohl keine Angst um ihre Zukunft haben. Für jede ihrer provokativen Aktionen mit Ausnahme von Fällen mit schweren Folgen, würden europäische Polizisten wohl eine Erklärung mit nichtkriminellem Hintergrund finden, um tolerante europäische Politiker mit dem „jüdischen Problem“ nicht zu nerven – was in London wohl der Fall war.
Jewgeni Schestakow