Tschechien hat nach Darstellung von Präsidenten Miloš Zeman im Jahr 2017 mit einem Nervengift aus der Nowitschok-Klasse experimentiert. Die Menge des hergestellten Gifts war angeblich klein und soll nach den Versuchen vernichtet worden sein. Tschechien betreibt im südmährischen Wischau ein NATO-Kompetenzzentrum zur Abwehr von ABC-Waffen.
Tschechien habe offenbar ein Nervenkampfstoff aus der so genannten Nowitschok-Klasse produziert und getestet, sagte der Präsident des Landes, Milos Zeman, am Donnerstagabend in einem Fernseh-Interview.
«Man muss feststellen, dass unser Land Nowitschok produziert und getestet hat, obwohl das Gift nur in kleinen Mengen produziert und dann zerstört wurde», sagte der tschechische Staatschef dem Fernsehsender Barrandov.
Das Experiment habe im November in einem militärischen Forschungsinstitut in Brünn (Brno), der zweitgrößten tschechischen Stadt, stattgefunden. «Wir wissen wo, wir wissen wann, also wäre es Heuchelei, so zu tun, als sei es nicht so», sagte Zeman und fügte hinzu: «Es gibt keinen Grund zu lügen.»
Der 73 Jahre alte Staatschef sagte, dass er seine Schlussfolgerungen auf einen Bericht des tschechischen Militärgeheimdienstes gestützt habe. Der Bericht zeige, dass es sich bei dem Nervengift A230, das vom tschechischen Militärforschungsinstitut in Brünn hergestellt wurde, tatsächlich um Nowitschok handelte.
Eine Untersuchung sollte feststellen, ob in Tschechien mit Nowitschok geforscht wurde oder nicht
In einem anderen Bericht, der vom Tschechischen Inlandsnachrichtendienst (BIS) vorgelegt wurde, heißt es jedoch, dass der in Brünn hergestellte und getestete Nervenkampfstoff nicht Nowitschok, sondern eine andere Substanz sei. Nach der Analyse beider Papiere beschloss Zeman immer noch, der Meinung des militärischen Geheimdienstes zuzustimmen, berichtet die tschechische Presse.
Im März ordnete der 73-Jährige eine Untersuchung an, um festzustellen, ob das genannte Nervengift tatsächlich in der Tschechischen Republik produziert wurde. Ende April erstellten die tschechischen Nachrichtendienste ihre Berichte zu diesem Thema. Zuvor hatten die tschechische Regierung, darunter der Premierminister Andrej Babiš, sowie die Außen- und Verteidigungsminister diese Anregung vehement zurückgewiesen.
Ein Nervengift aus der Nowitschok-Klasse war nach britischen Angaben bei dem Anschlag auf den auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter Julia im englischen Salisbury Anfang März verwendet worden. Großbritannien warf Russland sofort vor, hinter dem Vorfall zu stehen, ohne jedoch solide Beweise zur Begründung dieser Behauptungen vorzulegen. Das Außenministerium in Moskau wies diese Anschuldigungen stets zurück und verwies darauf, dass Tschechien, Großbritannien, die Slowakei und Schweden als mögliche Herkunftsländer des verwendeten Kampfstoffs infrage kommen.
«Die Russen haben alle Grenzen überschritten, als sie sagten, dass das Nervengift Nowitschok aus der Tschechischen Republik kommen könnte. Das ist eine Lüge», sagte Premierminister Babiš damals den tschechischen Medien.
Tschechien betreibt im südmährischen Vyskov (Wischau) ein NATO-Kompetenzzentrum zur Abwehr von ABC-Waffen, also atomaren, biologischen und chemischen Kampfstoffen. Der frühere Warschauer-Pakt-Staat ist seit 1999 Mitglied des transatlantischen Bündnisses. Die internationale Chemiewaffenkonvention verbietet unter anderem die Entwicklung und den Besitz von Chemiewaffen, schließt aber die Forschung zu Abwehrzwecken nicht aus, solange bestimmte Bedingungen und Meldepflichten erfüllt sind.
Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) sagte jüngst, dass keiner ihrer Mitgliedsstaaten den Besitz der Nowitschok-Gruppe von Nervenkampfstoffen erklärt hat.
Unterdessen bestätigte der russische Außenminister Sergej Lawrow erneut, dass Russland zur Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich im Fall Skripal bereit sei. «Wir sind bereit für die praktische Zusammenarbeit mit der britischen Seite», sagte er dem italienischen Panorama-Magazin am Donnerstag und fügte hinzu, dass Moskau London auffordere, bei der Untersuchung dieses Vorfalls «ehrlich» mit Russland zusammenzuarbeiten.
Quelle: RT