Die Beteiligung an der Parlamentswahl blieb weit hinter den Erwartungen, während das Lager um die Hisbollah großen Zuspruch bekam. Israel ist beunruhigt und schickt warnende Worte an die libanesische Führung.
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Zum ersten Mal seit neun Jahren ist im Libanon ein neues Parlament gewählt worden. Rund 3,7 Millionen Wähler waren zur Stimmabgabe aufgerufen — die Wahlbeteiligung sank allerdings von 54 Prozent im Jahr 2009 auf 49,2 Prozent. Beobachter berichten, dass in den von der radikal-islamische Hisbollah kontrollierten Gebieten mehr Menschen ihr Wahlrecht wahrgenommen haben. Ersten Ergebnissen zufolge zeichnet sich eine knappe Mehrheit für die Hisbollah ab.
Demnach soll es das Lager der Schiiten-Organisation auf mindestens 67 Sitze gebracht haben. Zu deren Unterstützern gehört auch die christliche Freie Patriotische Bewegung von Präsident Michel Aoun. Stärkste Einzelfraktion dürfte trotz Verlusten die sunnitische Zukunftsbewegung des vom Westen unterstützten Ministerpräsidenten Saad al-Hariri bleiben, der damit auf eine zweite Amtszeit zusteuert. Die christliche Partei Libanesische Kräfte konnte ihre Sitze als Hisbollah-Gegner laut Prognosen von acht auf 15 fast verdoppeln.
Israel reagierte beunruhigt auf den mutmaßlichen Wahlsieg der vom Iran gesteuerten Hisbollah. Bildungsminister Naftali Bennett erklärte, sein Land werde nicht zwischen dem souveränen Staat Libanon und der Hisbollah unterscheiden und den Libanon für jedwede Handlung aus seinem Gebiet verantwortlich halten.
Keine großen Veränderungen trotz neuem Wahlgesetz
Um die bisherige Zweiteilung zwischen dem proiranischen Lager um die Hisbollah-Bewegung und dem prosaudiarabischen Lager um Ministerpräsident Saad Hariri aufzubrechen, war erstmals ein neues Wahlsystem angewendet worden. Durch den Wechsel vom Mehrheits- zum Verhältniswahlrecht sollte kleinen Parteien und unabhängigen Kandidaten der Einzug ins Parlament erleichtert werden.
Mit der 2017 verabschiedeten Reform des Wahlsystems sollten auch Vertreter der Zivilgesellschaft zur Kandidatur ermutigt werden. Unter anderem rief die Koalition Kulluna Watani die Wähler auf, gegen das politische Establishment zu stimmen. Beobachter gehen jedoch nicht davon aus, dass es zu größeren Veränderungen kommen wird.
Der Libanon gilt wegen seiner Mischung von Volksgruppen und Religionen, der Einflussnahme ausländischer Staaten und der großen Zahl von Flüchtlingen im Land als instabil. Die obersten Ämter sind an bestimmte Religionszugehörigkeiten gebunden: Der Präsident muss maronitischer Christ sein, der Ministerpräsident ein Sunnit und der Parlamentspräsident ein Schiit. Die 128 Sitze im Parlament sind ebenfalls auf die religiösen Gemeinschaften aufgeteilt.