Der israelische Premier Benjamin Netanjahu wird diese Woche zu Besuch in Moskau erwartet. Experten diskutieren, welche Themen im Mittelpunkt seiner Verhandlungen mit der russischen Staatsführung stehen könnten, schreibt die Zeitung „Nowyje Iswestija“ am Dienstag.
Der Politologe Alexej Makarkin schrieb für den Telegram-Kanal BuninCo: „Russland manövriert in Syrien weiter zwischen dem Iran und Israel, aber das fällt ihm immer schwerer. Die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, erklärte, der Iran spiele eine effiziente und wichtige Rolle im Kampf gegen den internationalen Terrorismus, und betonte, dass das Vorgehen des Irans gegen den Terrorismus die Situation nicht nur in Syrien, sondern im ganzen Nahen Osten positiv beeinflusse.
Am 9. Mai empfängt der russische Präsident Wladimir Putins den israelischen Premier Netanjahu zu Gesprächen. Dieser hatte zuvor erklärt, sie seien besonders wichtig im Hinblick auf die immer intensiveren Bemühungen des Irans um die Bildung seiner Militärstützpunkte in Syrien, die gegen Israel gerichtet seien. Netanjahu ergänzte, dass die Iraner in den letzten Monaten ihre neuesten Waffen nach Syrien verlegen, darunter Boden-Boden-Raketen und Flak-Systeme, die die israelische Luftwaffe gefährden. Dem israelischen Premier zufolge (…) ist sein Land entschlossen, ‚die iranische Aggression gegen uns zu stoppen, selbst wenn das zu Kriegshandlungen führen sollte‘.“
Der Experte verwies auf zwei miteinander verknüpfte Probleme in den russisch-israelischen Beziehungen, die mit Syrien zusammenhängen. Beim ersten geht es um Russlands mögliche Lieferungen von S-300-Fla-Raketen nach Syrien. Außenminister Sergej Lawrow sagte im April, die Entscheidung darüber sei noch nicht getroffen worden. Diese Frage könnte also während des Netanjahu-Besuchs in Moskau aufgeworfen werden. „Israel ist daran interessiert, dass es nicht zu diesen Lieferungen kommt. Andernfalls könnte es Stützpunkte in Syrien angreifen, bevor dort S-300-Raketen aufgestellt werden“, vermutete Makarkin.
Das zweite Problem wäre mit einer direkten umfassenden Konfrontation zwischen Israel und dem Iran in Syrien verbunden. „Vorerst drückt Russland wegen der israelischen Luftschläge gegen einzelne iranische Objekte in Syrien ein Auge zu. Aber sollte es zu einem richtigen Krieg kommen, dann würde das Problem der Beziehungen mit Baschar al-Assad akut. Denn wenn Israel die iranische Infrastruktur in Syrien wirklich zerstört, könnte die syrische bewaffnete Opposition wieder aktiver werden, was aber für Assad absolut inakzeptabel wäre. Aber auf Assads Seite gegen Israel kämpfen – das will Russland auch nicht. (…) In Israel hofft man nicht nur auf Russlands Nichteinmischung im Falle eines Kriegs, sondern auch auf seine eindämmende Rolle bei der Ausweitung der iranischen Präsenz in Syrien. Die Frage ist nur, ob Russland aktuell genügend Ressourcen dafür hat“, so der Politologe Makarkin.
Experten des Telegram-Kanals „Rotes Sion“ führten ihrerseits wichtige Gründe an, warum Moskau eine Anspannung der Beziehungen mit Tel Aviv vermeiden sollte:
„Es ist klar, dass Netanjahu am 9. Mai mit nur einem Ziel nach Russland reist: über die Entfernung der iranischen Militärs aus Syrien zu verhandeln. Russland wird sich früher oder später (…) entscheiden müssen: entweder Iran oder Israel – einer der wenigen Staaten der Ersten Welt, der mit uns nach wie vor freundschaftliche Beziehungen pflegt.“
Die Experten warnen, dass Russland es nicht gelingen würde, auf zwei Hochzeiten zugleich zu tanzen. Aber das Assad-Regime konnte bisher fast nur dank den iranischen Truppen in Syrien überleben, und ihr Rückzug würde im Grunde seine Niederlage bedeuten. In Perspektive könnten nach Syrien auch Kräfte der „arabischen sunnitischen Koalition“ (vor allem aus Ägypten und Saudi-Arabien) eingeführt werden. In diesem Kontext sei erwähnenswert, dass die jüdische Gemeinde in Russland etwa eine Million Menschen zählt, und die sunnitische sogar 20 Millionen. Schiiten gebe es in Russland dagegen fast gar nicht. „Angesichts dessen ist die Prioritätenwahl (Moskaus) offensichtlich“, schlussfolgerten die Politologen.