Ende der westlichen Einheit: Macron, Merkel und May lassen Trump im Stich

Die USA sind aus dem Atomdeal mit dem Iran ausgestiegen, was die Gefahr eines umfassenden Kriegs im Nahen Osten maßgeblich erhöht. Einer direkten beziehungsweise indirekten Teilnahme an diesem Krieg könnte keiner der wichtigen geopolitischen Akteure ausweichen.

Das erste Opfer dieses Konflikts wurde die so genannte transatlantische Solidarität, wobei selbst gegenüber den USA loyale Medien betonen, dass es um US-Präsident Donald Trump auf dem internationalen Parkett zunehmend einsam wird.

Den USA war es in der Vergangenheit immer wieder gelungen, die europäischen Länder in ihre geopolitische Abenteuer hineinzuziehen, doch jetzt äußert selbst Boris Johnson, ganz zu schweigen von den französischen und deutschen Diplomaten, große Skepsis gegenüber der Strategie der Konfrontation mit dem Iran. Die Zeitung „Financial Times“veröffentlichte eine Art Grabschrift für den „kollektiven Westen“, den es nicht mehr gibt:

„Das erste Opfer des Beschlusses Trumps wurde die Weltordnung, genauer gesagt, was von ihr übrig geblieben ist. Jetzt sind die USA in einer einsamen Gruppe zusammen mit Israel und Saudi-Arabien, auf einer Seite des toxischen Verstoßes des Völkerrechts. Auf der anderen Seite sind China, Russland, Europa und der Iran. Dieser Liste müssen wir noch Japan, Indien, Australien und Kanada hinzufügen. Man kann sich kaum vorstellen, dass dieser Graben nicht mehr größer wird. Trump war stur gegenüber einstimmigen Bitten der nächsten US-Verbündeten. Emmanuel Macron und Angela Merkel reisten sogar in die USA und warben seit zwei Wochen für ihre Positionen. Sie kehrten mit nichts zurück“.

Vor fast einem Jahr schrieben wir bereits, dass sich die USA auf einen unvermeidlichen Konflikt mit dem Iran zubewegen, und dass dieser Konflikt auf die Besonderheiten des amerikanischen politischen Staatsaufbaus, die Spezifik des Wahlkampfes Trumps und die geopolitischen Bedürfnisse der USA zurückzuführen ist. Damals, im Mai 2017 schien dieses Szenario vielen unwahrscheinlich und zeitlich unpassend vor dem Hintergrund der Zuspitzung in Syrien und Nordkorea, die für das größte mediale Aufsehen sorgten. Die Praxis zeigte, dass die damals veröffentlichte Prognose und ihre Begründung exakt waren:

„PR und Demonstration der Stärke sind zwar gut, doch das Risiko eines direkten militärischen Zusammenstoßes mit russischen Truppen auf dem syrischen Territorium und eines ernsthaften nuklearen Vorfalls sowie eines wahren regionalen Kriegs auf der Koreanischen Halbinsel – das ist inakzeptabel für das Weiße Haus, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt… potentielle Abenteuer in Syrien und in Nordkorea haben derzeit mehr Nach- als Vorteile für die US-Administration, doch im Falle eines Angriffs auf den Iran ändern sich die Vorteile und Risiken völlig “.

Im Fall Syrien beschränkte sich Trump tatsächlich mit PR-Aktionen, die manchmal als Raketenangriffe getarnt wurden, doch er ließ die Finger von einer Militärintervention. Im Fall Nordkorea sucht Trump nach einem Kompromiss mit der chinesischen Führung, die der größte geopolitische Schutzherr Nordkoreas ist. Im Fall Iran ist der US-Präsident zu einem direkten Konflikt mit europäischen Verbündeten bereit, um eine gewaltsame Lösung der Iran-Frage näher zu bringen.

In dieser Situation sollte die Verkündigung des amerikanischen Staatsoberhaupts, dass es sich bislang nur um Sanktionsdruck handele, vollständig ignoriert werden. Wie Edward Luce von der „Financial Times“ betonte, erinnert die Situation an die Vorbereitung eines Kriegs im Irak, doch diesmal werden die USA ohne europäische Verbündete vorgehen.

Kennzeichnend ist, dass in diesem Fall die traditionelle Taktik des medialen und öffentlichen Drucks auf jene nicht funktionierte, die den US-Präsidenten nicht unterstützen wollten. Die Präsentation von „geheimen iranischen Materialien über das Atomprogramm“ durch die Regierung Israels, die von einigen westlichen Medien aktiv entfacht wurde, zeigte nicht den erwünschten Effekt. Das britische Magazin „The Economist“(gehört einer Gruppe britischer Oligarchen-Familien, darunter Rothschild) schrieb sogar, dass Benjamin Netanjahu keine Beweise vorlegen konnte, dass der Iran gegen den Atomdeal verstoßen hat. Das hinderte aber Trump nicht daran, das Abkommen zu kippen. Doch die vollwertige Wiederherstellung des Regimes internationaler Iran-Sanktionen ist eine fast unerfüllbare Aufgabe.

Um einen ernsthaften wirtschaftlichen Schaden zu erreichen, müssten die USA die EU, China und Indien – die wichtigsten Abnehmer des iranischen Öls und zentralsten Wirtschaftspartner des Irans, zum Anschluss an die Sanktionen bewegen. Selbst angesichts der UN-Sanktionen gegen den Iran, die vor dem Abschluss des Atomdeals eingeführt worden waren, hat die US-Administration es nicht geschafft, Japan, Südkorea, Indien und China zur Einschränkung des Ölimports zu zwingen. Da die EU-Staats- und Regierungschefs gegen die Handlungen der US-Administration sind, ist eine Rückkehr der europäischen Sanktionen ebenfalls kaum wahrscheinlich. Die Versuche des US-Finanzministeriums, Einschränkungen einzuführen und europäische Ölfirmen und Banken zu bestrafen, die die Kooperation mit dem Iran fortsetzen werden, würden zur Zuspitzung eines Konfliktes zwischen der EU und den USA und möglichen Gegenhandlungen der EU gegenüber US-Unternehmen führen.

Als die USA mit der Ergreifung von Strafmaßnahmen gegen europäische Unternehmen drohten, die an der Finanzierung und dem Bau von Nord Stream 2 beteiligt sind, kündigte die deutsche Regierung Gegenmaßnahmen an. Falls von den US-Sanktionen europäische Banken und Ölfirmen betroffen werden, wird die Reaktion ähnlich und vielleicht sogar noch härter sein. Der fehlende Wunsch der europäischen Staats- und Regierungschefs, sich dem Druck bei dieser Frage zu beugen, ist sowohl mit Interessen der europäischen Wirtschaft, als auch mit innenpolitischen Gründen verbunden. Wie die Zeitung „Financial Times“ schrieb, wäre der innenpolitische Preis sehr hoch, wenn man sich Washington bei dieser Frage unterwerfen würde. Als Beispiel werden Macrons fallende Umfragewerte nach seinen Versuchen angeführt, Trump während seines Washington-Besuchs zu „bezaubern“.

Allerdings darf auch jenes Szenario nicht ausgeschlossen werden, dass die Trump-Administration sich nicht auf die Verhängung von Sanktionen, sondern auf einen maximal schnellen Übergang zur militärischen Konfrontationsphase konzentrieren wird. Pragmatisch gesehen  ist die entstandene Situation vorteilhaft für Russland – die Ölpreise gehen nach oben und mit den zunehmenden geopolitischen Spannungen steigt auch die Nachfrage nach russischen Waffen und diplomatischer Unterstützung. Angesichts des schlechten Verhaltens der USA wächst auch in Europa die Nachfrage nach vernünftigen geopolitischen Dialogpartnern. Die Verwandlung dieser positiven Umstände in konkrete materielle und politische Vorteile für Russland ist eine technische Sache. Wladimir Putin wird das sicherlich meistern.

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