Krieg im Gaza-Streifen: Warum Trumps Plan so gefährlich ist

Die USA haben ihre Botschaft in Israel nun nach Jerusalem verlegt. Die Zeremonie wurde von einem Massaker im Gaza-Streifen begleitet: Bei Auseinandersetzungen mit den israelischen Sicherheitskräften wurden 59 Palästinenser getötet. Die Online-Zeitung Gazeta.Ru erklärt, welchen Plan US-Präsident Donald Trump voranbringt und welche Irrtümer er birgt.

Der US-Staatschef hat die Eröffnungszeremonie zu einer richtigen Show machen lassen. Er hatte höchstpersönlich auf Twitter angekündigt, wann und in welchem Sender man sie live sehen könnte. Trump scheint zu glauben, dass das neue Format der Nahost-Regelung ausgerechnet so aussehen sollte: vorlaut und aufsehenerregend. Das Problem ist aber, dass diese Show auch die andere Seite kann, nämlich die palästinensische.

Ivanka Trump, die Tochter des US-Präsidenten, hatte vor ihrer Abreise nach Israel auf Facebook ihr Foto vor der Klagemauer gepostet. „Ich freue mich sehr, nach Jerusalem zurückzukehren. Für mich ist es eine Ehre, an der Delegation, die den Präsidenten Trump, seine Administration und das amerikanische Volk vertritt, bei dieser berühmten Zeremonie teilzunehmen, die der Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem gewidmet ist“, schrieb die Präsidententochter. „Wir beten für das grenzenlose Potenzial und für die Zukunft des amerikanisch-israelischen Bündnisses und für den Frieden.“

Kein Frieden zum Abschluss

Jerusalem wurde von der israelischen Armee im Jahr 1967 besetzt. Seit dieser Zeit gilt der östliche Stadtteil, der der palästinensischen Seite gehören sollte, als okkupiertes Territorium (das bestätigen auch mehrere Resolutionen des UN-Sicherheitsrats).

Die Botschaften verschiedener Großmächte in Israel befanden bzw. befinden sich die ganze Zeit in Tel Aviv. Aber Präsident Trump beschloss, „die Wahrheit anzuerkennen“ und die Botschaft „in das richtige Herz Israels“ zu verlegen – nach Jerusalem. Auch wenn der Status dieser Stadt umstritten ist. Auch wenn die meisten europäischen Großmächte diese Entscheidung kritisieren.

Während der Zeremonie wurde viel über den Frieden geredet. Aber friedlich wurde diese Veranstaltung nicht.

Wenigstens weil die amerikanischen Prediger John Hagee und Robert Jeffress, die dabei mit Gebeten auftraten, gar nicht über die Barmherzigkeit sprachen. Hagee wandte sich „an alle islamischen Terroristen“ und „Diktatoren“ und sagte, dass „Jerusalem bestehen“ werde, während die USA und Israel „ewig Verbündete bleiben“ würden. Jeffress dankte seinerseits dem Himmel, dass er der Welt Donald Trump geschenkt habe.

Dabei sind die beiden Prediger für ihre ziemlich umstrittenen Aussagen bekannt. So hatte Hagee früher unter anderem gesagt, Adolf Hitler hätte den Willen Gottes in Erfüllung gebracht, als er Juden vernichtete.

Jeffress hatte seinerseits den Islam als „Irrglauben aus dem höllischen Abgrund“ bezeichnet und behauptet, Mohammed hätte „die Pädophilie vorangetrieben“.

Aber am 14. Mai weckten ihre Gebete bei niemandem der Anwesenden Fragen.

Und es gab ein noch gewichtigeres Argument, das den Erklärungen Trumps (er reiste nicht nach Israel, hatte aber eine Videoansprache an die Teilnehmer der Zeremonie aufgenommen), des ersten US-Botschafters in Jerusalem, David Freedman, und des Schwiegersohns und Beraters des Präsidenten, Jared Kushner, sowie seiner Tochter Ivanka widersprach.

Während sie darüber sprachen, Jerusalem sollte Vertreter aller Weltreligionen vereinigen, kamen 59 unbewaffnete Palästinenser bei Auseinandersetzungen mit den israelischen Sicherheitskräften ums Leben.

Palästinenser – Teil des Problems

Die UNO verurteilte das Vorgehen der israelischen Streitkräfte, die auf unbewaffnete Menschen geschossen hatten. Tausende Palästinenser, die am 14. Mai abermals versuchten, die israelische Blockade des Gaza-Streifens zu durchbrechen, griffen ihrerseits auf Steine, Molotow-Cocktails, brennende Reifen usw. zurück.

US-Medien nannten diese Auseinandersetzungen die schlimmsten seit dem Einsatz „Starker Fels“ der israelischen Armee im Jahr 2014.

Der israelische Premier Benjamin Netanjahu wies jedoch die Vorwürfe, seine Soldaten hätten „unverhältnismäßig“ Gewalt angewandt. Nach seinen Worten ist das das gute Recht der israelischen Armee, sich gegen die palästinensische Bewegung Hamas zu wehren. Die israelische Führung ist überzeugt, dass ausgerechnet Hamas-Kämpfer die Eskalation provoziert haben.

Jared Kushner, der als „Chefarchitekt“ der Nahost-Strategie Washingtons gilt, äußerte sich zu diesem Thema konkreter: „Die  Proteste, die wir in den letzten Monaten und sogar heute beobachtet haben, zeigen, dass die Menschen, die die Gewalt provozieren, Teil des Problems und kein Teil der Lösung sind.“

Mit anderen Worten: Die palästinensischen politischen Kräfte, die die Proteste unterstützen, werden automatisch aus der Regelung des Nahost-Konflikts ausgeschlossen.

Das widerspricht total der Nahost-Strategie des früheren US-Präsidenten Barack Obama, der sich viel Mühe gegeben hatte, um die palästinensisch-israelischen Verhandlungen voranzutreiben.

Man muss sagen, dass Kushner vor großem Publikum sehr selten auftritt. Normalerweise vermeidet der Schwiegersohn des Staatschefs öffentliche Auftritte. Aber das 70-jährige Jubiläum Israels, dem die Zeremonie gewidmet war, hielt er für ein wichtiges Argument, um seine Erfolge als Politiker zu zeigen.

Kein Deal!

Der US-Sender CNN verwies darauf, dass die Ereignisse in Jerusalem und im Gaza-Streifen „den Umfang der vor Trumps Schwiegersohn stehenden Aufgabe – und die Probleme, auf die seine Initiativen gestoßen sind“, deutlich machen würden.

Ausgerechnet Kushner ist dafür zuständig, dass Präsident Trump eine neue und effiziente Lösung des palästinensisch-israelischen Konflikts bekommt.

Die Beraterin des Direktors des Russische Instituts für strategische Forschungen, Jelena Suponina, erläuterte, wie dieser Plan eigentlich ist: Die USA erkennen Jerusalem als israelische Hauptstadt an, und die Palästinenser sollten das akzeptieren – und dafür beträchtliche Mittel sowohl vom Westen als auch von den arabischen Verbündeten Washingtons bekommen.

„Aber Trump kann nicht Jerusalem zum Teil eines neuen Deals zur Lösung des Palästina-Problems machen“, findet die Expertin. „Die Palästinenser werden das nicht akzeptieren. Außerdem wird das nur Öl ins Feuer der terroristischen Aktivitäten in der Region gießen.“

Die Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem zeugt davon, dass der palästinensisch-israelische Konflikt in den Hintergrund tritt.

Diese Auffassung brachte der Leiter des Instituts für den Dialog der Zivilisationen und Experte des Moskauer Carnegie-Centers, Alexej Malaschenko, zum Ausdruck.

„Wir können nur raten, ob Trump von Anfang an den Ausstieg aus dem Iran-Deal gleichzeitig mit der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem geplant hatte“, sagte der Politologe. „Das könnte durchaus ein Zufall gewesen sein. Dennoch ist offensichtlich, dass der palästinensisch-israelische Konflikt für Trump keine so große Rolle wie früher spielt.“

Beste Freunde

Experte Malaschenko findet, dass man sich in Washington aktuell vor allem um die Situation um Syrien und um die Verstärkung des Irans im Nahen Osten Sorgen macht. In diesem Aspekt sind sich Washington und Moskau einig. Weder Russland noch die USA halten das Jerusalem-Problem für das wichtigste in der Nahost-Region. Nach dem Moskau-Besuch Netanjahus am 9. Mai könne man vermuten, dass er dem Kreml seine Position erläutern konnte und beim russischen Staatschef Wladimir Putin dabei Unterstützung gefunden habe, so der Experte.

Netanjahu und der israelische Präsident Reuven Rivlin machten kein Hehl aus ihrer Freude über Trumps Entscheidung zur Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt des Landes.

„Wir haben keine noch besseren Freunde als die USA“, sagte damals Netanjahu.

Während der jüngsten Zeremonie erwähnte der Politiker das „unteilbare Jerusalem“. Der konservative Netanjahu besteht darauf, dass die Stadt nur Israel gehören sollte, auch wenn die Palästinenser ihren östlichen Teil als ihr Territorium betrachten.

Trumps Administration hat ihre Position zum Status Jerusalems vorerst noch nicht klar und deutlich formuliert. Noch mehr als das: Kushner unterstrich gestern, dass Washington diese Stadt als einen Ort sehe, wo Platz für verschiedene Nationalitäten und Konfessionen sein sollte. Das muss nur noch den Palästinensern erläutert werden.

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