Eine Nato ohne USA: Spielt Deutschland mit dem Gedanken?

Bundeskanzlerin Angela Merkel stellt deutlich höhere Ausgaben für die Bundeswehr in Aussicht. Über 38,5 Milliarden Euro erhält die deutsche Armee in diesem Jahr – drei Milliarden mehr werden es 2019. Zu glauben, die Kanzlerin folge damit Trumps Forderung nach höheren Rüstungsausgaben der Nato-Partner, wäre aber eine sträfliche Vereinfachung.

Merkels Misstrauen gegenüber dem derzeitigen US-Präsidenten sitzt offenbar tief. Offensichtlich treibt sie die Befürchtung, Donald Trump könnte die Europäer im unpassendsten Moment mit ihren Problemen alleine lassen. Trumps jüngste Ankündigung, aus dem Atomdeal mit dem Iran auszusteigen, hat Merkels Ansicht von der Unberechenbarkeit des amerikanischen Staatschefs sicherlich nur bekräftigt.

Als erfahrene Politikerin versteht Angela Merkel gewiss, dass die Europäer sich nicht ewig auf den nuklearen Schirm der US-Amerikaner verlassen können, während in den USA ein nur schwer berechenbarer Politiker an der Macht ist. Überdies ist es kein Geheimnis, dass das Ausstattungsniveau der Bundeswehr unter der derzeitigen Verteidigungsministerin merklich gesunken ist. Der Jahresbericht des Wehrbeauftragten des Bundestags, Hans-Peter Bartels, vom Februar dieses Jahres ist ein Beleg dafür.

Demnach ist die Einsatzbereitschaft der Waffensysteme der Bundeswehr „dramatisch niedrig“, wie es der Wehrbeauftragte formulierte. Ende letzten Jahres war keines der sechs deutschen U-Boote einsatzbereit. Auch jedes der 14 neuen Transportflieger A400M der deutschen Luftwaffe fiel im Verlauf des Jahres aus. Die deutsche Marine verfügt statt über die erforderlichen 15 lediglich über 9 Fregatten. Als eine der wichtigsten Ursachen für diesen Missstand nennt der Bericht die Bundeswehrreform von 2011.

Derweil nimmt die EU-Führung Kurs auf stärkere Integration im Militärbereich. Der Präsident des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani, erklärte:

„Derzeit gibt es in der EU 28 Armeen, die alle mehr oder weniger das Gleiche tun.“

Würden sie zu einer Armee vereinigt, würden dadurch „deutliche Einsparungen“ möglich. Zudem könnte die EU „auf der internationalen Arena aktiver und stärker“ auftreten.

Ähnlich äußern sich auch Jean-Claude Juncker, Präsident der Europäischen Kommission, und Federica Mogherini, Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik. Sie betonen zwar, die EU habe keine Absicht, die Nato durch eine einheitliche EU-Armee zu ersetzen. Doch erklärte Mogherini beim Treffen der EU-Verteidigungsminister in der bulgarischen Hauptstadt Sofia, die EU setze sich das Ziel, „eine geordnete und effektive Verlegung von Streitkräften in der ganzen Europäischen Union und über deren Grenzen hinaus“ zu gewährleisten.

Vom militärstrategischen Standpunkt sei dieses Ziel absolut nachvollziehbar, erklärt der Militärexperte, Generalleutnant Juri Netkatschew. „Ist dieses Vorhaben ers umgesetzt können Truppen innerhalb eines Tages, wenn nicht innerhalb weniger Stunden, sagen wir aus Frankreich oder der Bundesrepublik zum Beispiel ins Baltikum, an Russlands Grenze verlegt werden.“ Und dafür werde, wohlgemerkt, ein EU-weiter Generalstab benötigt, in dem die Arbeit von Fachleuten aus allen EU-Ländern koordiniert würde, gibt der Experte zu bedenken.

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