Der Besuch der Vorsitzenden des russischen Föderationsrates, Walentina Matwijenko, in Bosnien und Herzegowina löste wie zu erwarten geteilte Reaktionen aus. Während ihr in der Repblik Srpska ein Staatsempfang bereitet wurde, verbat sich Sarajevo die „innere Einmischung“.
von Marinko Učur
Der Besuch der Vorsitzenden des Oberhauses des russischen Parlaments Valentina Matwijenko in Bosnien und Herzegowina (BiH) vor zwei Wochen löste in dem südosteuropäischen Land geteilte Reaktionen aus. Matwijenko sprach nach einer Einladung von Abgeordneten vor der Parlamentsversammlung von Bosnien und Herzegowina und reiste anschließend in die mehrheitlich von Serben bewohnte Republika Srpska, wo sie sich in Banja Luka, größte Stadt der Republik und gleichzeitig deren Regierungssitz, mit hochrangigen Beamten traf. Die Republik ist neben der Föderation Bosnien und Herzegowina eine von zwei BiH-Entitäten.
Matwijenko, von Medien auch als „Russlands mächtigste Frau“ und Putins „eiserne Lady“ bezeichnet, ist die höchste russische politische Persönlichkeit, die der ehemaligen zentralen jugoslawischen Republik seit ihrer Gründung und internationalen Anerkennung einen Besuch abstattete.
Je nachdem, ob es sich um bosniakische oder serbische offizielle Vertreter und Medien handelt, wurde der Besuch der Russin kritisch oder wohlwollend kommentiert. So brachten die Serben bei dieser Gelegenheit Russland ihre Zuneigung entgegen, während offizielle Vertreter Sarajevos nach dem bekannten Muster und Wunsch, ihre Loyalität gegenüber Brüssel und Washington zu demonstrieren, die Anwesenheit der russischen Delegation „als Einmischung in die inneren Angelegenheiten des souveränen Landes“ verurteilten. Ähnlich kritische Töne Sarajevos bleiben jedoch aus, wenn hingegen Beamte aus der EU, den USA oder der Türkei zu Gast in BiH sind, was häufig der Fall ist.
Im Gegensatz zu Sarajevo, wo Matwijenkos Botschaft, Bosnien und Herzegowina müsse seine Souveränität durch die Schließung des Büros des Hohen Repräsentanten (OHR) stärken, als feindselig empfunden wurde, war in Banja Luka von der Notwendigkeit einer noch größeren kulturellen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den russischen und serbischen Völkern die Rede.
So hieß es aus Sarajevo: „Die Stellungnahme von Matwijenko ist eine Demütigung für Bosnien und Herzegowina und stellt eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates dar.“ Die offizielle Stellungnahme aus Banja Luka könnte dagagen kaum unterschiedlicher ausfallen: „Es freut uns, dass Russland als ein Garant des Friedensabkommens von Dayton seine Sensibilität für die Beziehungen auf dem Balkan demonstriert und allen die Hand der Freundschaft reicht.“
Die US-Botschaft in Sarajevo sprach von „falschen und unbegründeten Behauptungen“ Matwijenkos und unterstrich das Engagement der Vereinigten Staaten für Bosnien und Herzegowina „als souveräner, multiethnischer Staat und für seine euroatlantische Zukunft“.
Das Büro des Hohen Repräsentanten gab bekannt, dass die Bedingungen zur Beendigung seines Mandats in Bosnien und Herzegowina im Februar 2008 in einer Sitzung des Lenkungsausschusses des Friedensimplementierungsrates (PIC) fesgelegt worden seien und in Kraft blieben. Russland als PIC-Mitglied habe mehrmals erklärt, dass es das Friedensabkommen von Dayton einschließlich des Mandats des Hohen Vertreters sowie die Wahrung der territorialen Integrität und Souveränität von Bosnien und Herzegowina im Vollen und Ganzen respektiere, so das OHR.
Angesichts ihres Empfangs in Banja Luka, wo sie am Flughafen traditionell mit Brot und Salz begrüßt wurde, dürfte die Vorsitzende des Föderationsrates ihren ersten Besuch in Bosnien und Herzegowina als Erfolg verbuchen.
Hier fanden ihre Worte Gehör, insbesondere die Aussage, wonach „die Republika Srpska auf dem Balkan eine brüderliche Republik und ein wichtiger Partner Russlands“ sei. Nach ihrer Ansprache vor den Abgeordneten der Nationalversammlung in Banja Luka traf sich Matwijenko mit dem Präsidenten der Republik Milorad Dodik. Dieser bereitete ihr einen Staatsempfang und verlieh der Russin einen hohen Orden für die konsequente Unterstützung der Republika Srpska seitens Russlands.
Nach wie vor tief gespaltenes Land
Die entgegengesetzten Reaktionen auf Matwijenkos Besuch spiegeln den Zustand des kollektiven Bewusstseins und der politischen Beziehungen zwischen den tief gespaltenen Völkern in Bosnien und Herzegowina wider, die vor 23 Jahren den blutigen Bürgerkrieg hinter sich gelassen haben. Schon die Erwähnung des Begriffs „Bürgerkrieg“ in Matwijenkos Ansprache an die BiH-Parlamentarier hat die bosniakischen Politiker und Medien empört, die den Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien um jeden Preis als „Aggression der Serbien, aber auch der Kroatien“ gegen Bosnien und Herzegowina darzustellen versuchen – eine solche Sichtweise wurde jedoch in den zahlreichen Gerichtsverfahren widerlegt, die vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag (ICTY) geführt wurden.
Der hochrangige Besuch aus Russland belegt erneut die Unfähigkeit der politischen Kräfte in Bosnien und Herzegowina, einen internen Konsens in der Frage über die Zukunft des Landes zu erzielen. Jedem ist klar, die bosnischen Serben orientieren sich an Serbien sowie an Russland und lehnen jegliche Schritte auf dem Weg zu einer NATO-Mitgliedschaft von Bosnien und Herzegowina ab. Schließlich war es das transatlantische Militärbündnis, das Serbien 1999 bombardierte und damit die Wegnahme des serbischen Territoriums ermöglichte, das vom Westen als „Kosovo” anerkannt wurde.
Die Kroaten und Bosniaken vertreten natürlich eine entgegengesetzte Meinung. Da jede der drei Nationen über die konstitutionelle Möglichkeit verfügt, Lösungen zu blockieren, die ihr nicht passen, verharrt das Land im Zustand einer dauerhaften Krise ohne Aussicht auf eine baldige Lösung.
Der anstehende Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in BiH dürfte ein ähnlich geteiltes Echo auslösen. Erdoğan, der Auftritte im Ausland gerne für seine Wahlkampfzwecke nutzt, dürfte den Bosniaken zweifellos einiges mitteilen, was den Serben und Kroaten sicher nicht gefallen wird. Aber das ist der Preis für das Leben in der Balkanregion, die sich noch immer im Zustand eines „eingefrorenen Konflikts“ befindet.