Nach der Verbreitung der Medienberichte, gemäß denen der Bundesnachrichtendienst (BND) bereits in den 1990er Jahren Proben eines Nervengiftes der „Nowitschok“-Gruppe bekommen haben soll, sehen nun einige deutsche Politiker den „Fall Skripal“ in einem anderen Licht.
Nun sei „ein Stück weit“ die Argumentationskette erschüttert, nur die Russen hätten einen derartigen Anschlag mit Nowitschok verüben können, zitiert die Zeitung „Handelsblatt“ die Aussagen des innenpolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, gegenüber der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Freitag).
Die Vorwürfe gegen Russland kommentierte auch der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, André Hahn, gegenüber der „Mitteldeutschen Zeitung“. Seine Worte zitiert das „Handelsblatt“:
„Die Aussage der Bundesregierung, es gebe keine andere nachvollziehbare Erklärung, ist vom Tisch“. Ferner soll der Politiker gesagt haben: „Jetzt gibt es zumindest eine andere ebenfalls plausible Option. Das ist schon ziemlich krass.“
Eine weitere Reaktion kam vom stellvertretenden Vorsitzenden der Grünen-Fraktion im Bundestag, Konstantin von Notz: „Es wäre gut gewesen, wenn vorher kommuniziert worden wäre, dass westliche Nachrichtendienste über eine Probe und die entsprechende Formel verfügen.“ Er fügte jedoch hinzu, dass der Tatverdacht, der im Raum stehe, weitgehend schlüssig sei.
Zuvor hatten deutsche Medien berichtet, dass der BND bereits in den 1990er Jahren Proben eines Nervengiftes der „Nowitschok“-Gruppe bekommen haben soll, mit dem Anfang März 2018 der russische Ex-Spion Sergej Skripal und seine Tochter Julia in Großbritannien vergiftet worden sein sollen. Nach gemeinsamen Recherchen der SZ, NDR und WDR mit der „Zeit“ soll ein Agent des Dienstes in den 90er Jahren eine Probe des Stoffs beschafft haben. Auch die Bundeswehr soll in den Vorgang eingeschaltet gewesen sein.
Der 66-jährige Ex-Doppelagent Sergej Skripal und seine Tochter Julia waren am 4. März dieses Jahres im britischen Salisbury bewusstlos aufgefunden und mit Vergiftungserscheinungen ins Krankenhaus gebracht worden. Von wem und unter welchen Umständen sie wirklich vergiftet wurden, ist unklar.
Die britische Regierung behauptet, dass die Skripals mit dem Stoff A-234 vergiftet worden seien, der in Großbritannien unter dem russischen Namen „Nowitschok“ bekannt ist. Aus diesem Grund machte Premierministerin May den russischen Staat für den Giftanschlag verantwortlich. Russland wies diesen Vorwurf von sich und forderte eine unabhängige Aufklärung.
Anfang Mai teilte der tschechische Präsident Miloš Zeman mit, dass sein Land das „Nowitschok“-Nervengift hergestellt und getestet habe.
Dennoch ordnete May die Ausweisung von 23 russischen Diplomaten an. Aus „Solidarität“ mit London wiesen auch die USA, Deutschland und viele weitere EU-Staaten Dutzenden russischen Diplomaten die Tür. Russland konterte mit ähnlichen Maßnahmen.
Ende März ließ das mit der Untersuchung beauftragte britische Militärlabor Porton Down wissen, eine russische Herkunft des Nervengifts sei nicht nachweisbar.