Ein neuer Think-Tank nimmt seine Arbeit auf, um zukünftige Wahlen vor Einmischung zu schützen. Die Besetzung verrät, vor wem sich die freie Welt in Acht nehmen soll: natürlich Russland. Die Mitglieder sind altgediente Transatlantiker und Russlandskeptiker.
Alte Bekannte haben sich am Freitag vor einer Woche zusammengefunden, um, wie sie es nennen, ein neues Bündnis zur Sicherung freier Wahlen zu bilden. Die Transatlantic Commission on Election Integrity (TCEI) vereint hochrangige Vertreter aus Politik und Medien, die auch schon in anderen Lobbygruppen für einen größeren Einfluss der USA in der Welt gearbeitet haben. Offiziell will die TCEI
in Zusammenarbeit mit politischen und privaten Entscheidungsträgern sowie den Medien eine Leerstelle in der transatlantischen Koordinierung füllen, Lücken aufdecken und schließen und das Bewusstsein der Regierungen und Bürger schärfen.
Alle Hände voll zu tun
Die transatlantischen Retter der freien Wahlen haben sich viel vorgenommen. Bis zu den nächsten US-Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020 werden über 20 entscheidende Wahlen in der ganzen Welt stattfinden und jede einzelne stehe vor der Gefahr, von Russland manipuliert zu werden.
In der Vergangenheit hat es bereits mehrere Wahlmanipulationen von russischer Seite gegeben, ist man sich sicher — angefangen beim Brexit über die US-Präsidentschaftswahlen hin zu jenen in Frankreich und den jüngsten italienischen Parlamentswahlen. Es gibt demnach auch schon Hinweise auf Manipulationen im Vorfeld der anstehenden Wahlen in Mexiko.
All dies hat Joe Biden, den ehemaligen Vizepräsidenten der USA, dazu gebracht, eine Art 9/11-Kommission zu fordern, die untersuchen soll,
wie der Angriff Russlands auf ihre demokratischen Institutionen durchgeführt wurde und wie ein weiterer verhindert werden könnte.
Die Schuld Moskaus ist für Biden zweifelsfrei bewiesen. Da brauchte er nur noch Mitstreiter. Auf der Münchener Sicherheitskonferenz traf er auf den ehemaligen NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Beide entschieden sich zur Gründung der TCEI.
Die Reihen fest geschlossen
Bidens Verständnis von demokratischen Institutionen lässt sich am besten durch eine Sequenz aus einer Gesprächsrunde des Council on Foreign Relations illustrieren. Darin erklärt Biden, wie er den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und den ehemaligen Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk dazu zwang, den in den USA ungeliebten Generalstaatsanwalt Viktor Shokin zu feuern:
Ich sagte: ‘Ich sage es Euch, Ihr bekommt die Milliarden Dollar nicht.’ Ich sagte: ‘Ihr bekommt die Milliarde nicht! Ich werde hier in — ich glaube, es waren etwa sechs Stunden — abreisen.’ Ich sah sie an und sagte: ‘Ich fahre in sechs Stunden los. Wenn der Staatsanwalt [bis dahin] nicht gefeuert ist, bekommt ihr das Geld nicht. Verdammte Sch**** nochmal.’ [Gelächter] Er wurde gefeuert. Und sie haben jemanden eingesetzt, der zu der Zeit zuverlässig war.
Rasmussen selbst lässt ebenfalls keine Zweifel an seiner Einstellung. Zum einen forderte er die USA explizit dazu auf, den Weltpolizisten zu geben. Ein anderes Mal beschuldigte er Moskau, eine Kampagne gegen Fracking zu betreiben, um Europa von russischen Resourcen abhängig zu halten.
Rasmussen und Biden konnten aber auch noch weitere illustre Kämpfer für die transatlantische Sache für sich gewinnen. Michael Chertoff war unter George W. Bush und Barack Obama Leiter des Heimatschutzministeriums und ist Mitglied im Beraterstab der «Alliance for Securing Democracy» des German Marshall Fund. Chertoff war eine der ersten Stimmen, die vor einer Gefahr russischer Bots auf Twitter warnten. Vorwürfe, die sich als substanzlos erwiesen.
Ein weiterer alter Bekannter ist Toomas Hendrik Ilves, der ehemalige estnische Staatspräsident. Tätig war dieser unter anderem für Radio Free Europe, das maßgeblich von der CIA finanziert wurde. Er ist Mitglied in der einflussreichen Lobyorganisation German Marshall Fund, die unter anderem damit beschäftigt ist, den Einfluss der USA in Osteuropa zu erweitern.
Transatlantische Echokammer garantiert
Eine deutsche Vertreterin ist Tanit Koch, ehemalige Chefredakteurin der Bild-Zeitung. Nach stetig sinkenden Verkaufszahlen und Zerwürfnissen mit dem Online-Chef Julian Reichelt musste sie im März ihren Hut nehmen. Mit Lobbyorganisationen kennt sie sich trotzdem aus. Sie war als Mitglied im Young-Leaders-Programm der Atlantik-Brücke in der guten Gesellschaft von z. B. Cem Özdemir, Julia Klöckner und Karl Theodor Freiherr zu Guttenberg.
Die technischen Aspekte der Manipulationsabwehr werden von Microsoft übernommen, das mit seinem kürzlich vorgestellten Defending Democracy Program die TCEI im Bereich der IT-Expertise unterstützt.
Das erste Treffen wird am 21. Juni 2018 in Kopenhagen stattfinden, einen Tag vor dem Copenhagen Democracy Summit.