«EU und China sollten die Rolle des Dollars begrenzen»

Die EU und China sollten nach Ansicht des China-Experten Sebastian Heilmann angesichts der Spannungen mit den USA eine sehr viel engere Zusammenarbeit suchen.

“Wenn die USA grundlegende Regeln der internationalen Beziehungen aushebeln, müssen die EU und Deutschland neue Wege der Zusammenarbeit mit Peking suchen”, sagte der Direktor des China-Instituts Merics in Berlin in einem am Montag veröffentlichten Reuters-Interview. Der Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Volksrepublik ab Mittwoch sei deshalb sehr wichtig: “Die Politik von Trump hat diesem eigentlich routinemäßigen Antrittsbesuch besondere Bedeutung verliehen”, sagte Heilmann.

Es gebe derzeit mit China gemeinsame Themen und Interessen wie die Rettung des Atomabkommens mit Iran oder der Welthandelsorganisation WTO. Es könne sein, dass diese Themen so dominierend seien, dass andere kontroverse Themen zwischen Deutschland und China in den Hintergrund träten. Heilmann sieht vor allem die Regierung in Peking am Zug: “China muss sich entscheiden und Verantwortung dafür übernehmen, etwa das WTO-System zu retten und zu erneuern. Weder Deutschland noch China können als Exportnationen Interesse daran haben, dass US-Präsident Trump das internationale Regelsystem nach und nach einfach lahmlegt”, sagte er.

Die EU und China sollten jetzt die Verhandlungen über ein umfassendes Handels- und Investitionsabkommen forcieren – dies würde auch Druck auf die USA entfalten. “Beide Seiten sollten auch aktiv daran arbeiten, den privilegierten Rang des Dollar als internationaler Leit- und Reservewährung schrittweise zu begrenzen”, sagte der Merics-Direktor. “China will dies ohnehin, aber die EU hat sich mit Rücksicht auf Washington lange geziert. Mit dieser Rücksichtnahme sollte es nun vorbei sein.” Die EU müsse erkennen, dass sie ihre eigenen Interessen definieren und durchsetzen müsse. Die US-Regierung nehme offenkundig nur internationale Mächte ernst, die konkreten Druck vor und in Verhandlungen ausüben könnten. “Diese Verhandlungsmacht muss die EU viel gezielter aufbauen, um in der Zange zwischen den USA und China einen eigenen Platz behaupten zu können.”

Zugleich warnte Heilmann, die Vereinbarung zwischen Peking und Washington im Handelsstreit überzubewerten. “Es mag sein, dass China und die USA jetzt einen kurzfristigen Burgfrieden schließen. Aber an der grundlegenden Konkurrenzsituation beider Mächte ändert dies nichts”, sagte er. Verschärfte Konflikte zwischen beiden Mächten seien in einer Vielzahl von Politikfeldern wahrscheinlich.

Heilmann erinnerte an das Bekenntnis zum Freihandel, das Präsident Xi Jinping in Davos 2017 abgelegt habe. “Vieles steht aber im Kontrast zur realen Außenwirtschaftspolitik Chinas, die Ausländer von vielen lukrativen Märkten und Investitionsmöglichkeiten ausschließt.” Chinas Führung müsse nun zeigen, wie ernst es ihr mit Marktöffnung und Freihandel wirklich sei. Einige wichtige Öffnungsschritte habe Peking bereits angekündigt. “Aber China wird die liberale Welthandelsordnung sehr viel konsequenter unterstützen und fördern müssen, um zu verhindern, dass das System aufgrund der amerikanischen Attacken kollabiert.” Merkel hat bereits angekündigt, dass sie das Thema eines besseren Marktzugangs ansprechen will.

Sollte Peking sich nicht bewegen, sagt Heilmann eine härtere Haltung der EU voraus. Es gebe eine “Asymmetrie in der Marktöffnung”. Die chinapolitische Diskussion unter den Europäern sei in den letzten Jahren kontroverser und härter geworden. So werde etwa die chinesische Initiative “Neue Seidenstraße” immer kritischer gesehen. China versucht mit diesem riesigen Infrastrukturprojekt, Handelswege in Asien sowie nach Europa und Afrika auszubauen. Sicherlich werde auch Merkel gefragt werden, ob sie nicht eine Absichtserklärung unterschreiben wolle, die die Seidenstraßen-Initiative unterstützt und zentrale chinesische Prinzipien und Interessen bekräftigt. “Die Kanzlerin wird ein solches ‘MoU’ nicht unterschreiben”, sagte Heilmann voraus. China laufe Gefahr, dass die Seidenstraßen-Initiative immer stärkeren Gegenwind erfährt, weil immer mehr Staaten skeptisch reagierten. Dabei sei die Grundidee verbesserter eurasischer Interkonnektivität eigentlich zu begrüßen. “Aber wenn sogar der IWF davor warnt, dass viele Länder in eine Schuldenabhängigkeit von China geraten können, sollte dies Peking zu denken geben.”

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