Europa unter der Knute Washingtons

Die Europäer sind faktisch machtlos, wenn es um die geopolitischen Forderungen der Amerikaner geht. Das zeigt sich gerade beim US-Sanktionsregime. Es ist an der Zeit, dies zu ändern.

Von Marco Maier/Contra Magazin

Bislang war es stets so, dass die Amerikaner willkürlich nach den jeweiligen Eigeninteressen Sanktionen gegen andere Länder verhängten und die Europäer dann gegen die eigenen wirtschaftlichen und Sicherheitsinteressen mitzogen. Teils weil deren Politiklandschaft einfach von transatlantisch orientierten HiWis des US-Establishments durchsetzt ist, die einen Dreck auf die eigenen nationalen (bzw. europäischen) Interessen geben, teils weil es sich hierbei einfach um «politische Weicheier» handelt, die nicht den Mut zusammenbringen, sich gegebenenfalls mit weiteren Ländern gegen die USA zu verbünden und zu sagen, «So nicht, Freunde!».

Als perfektes Beispiel hierfür können die Sanktionen gegen Russland gelten, die vor allem von Washington und der europäischen Transatlantikern gefordert und auch umgesetzt wurden – und auch zu Gegenmaßnahmen Moskaus führten. Das Ergebnis: Die Amerikaner, deren Wirtschaft nicht so eng mit jener Russlands verflochten ist, verhängen solche «Strafmaßnahmen», die Europäer ziehen mit (obwohl sie deutlich davon betroffen sind und sich selbst damit massiv schaden) und sehen dann sogar einfach nur zu, wie sich die Amerikaner selbst Ausnahmeregelungen «im nationalen Interesse» verpassen, welche die Europäer gar nicht beanspruchen dürfen.

Und warum das Ganze? Weil man Angst davor hat, dass entweder die eigenen Unternehmen vom US-Markt ausgeschlossen oder von Washington mit umfangreichen Geldstrafen belegt werden – oder aber einfach deshalb, weil der Kopf der verantwortlichen Politiker schon bis zum Anschlag im Hintern des US-Establishments steckt und man sich darin wohlfühlt, weils dort zwar dunkel dafür aber angenehm warm ist.

Aufgrund des unter anderem Namen immer noch aktuellen «Trading with the Enemy Act» aus dem Kriegsjahr 1917 (als die Vereinigten Staaten von Amerika in den Ersten Weltkrieg eintraten) können US-Präsidenten seitdem quasi nach Belieben und politischer Großwetterlage Sanktionen gegen Länder, Unternehmen und Privatpersonen im Ausland verordnen. Gegenwärtig sind Sanktionen gegen mehr als 6.000 Unternehmen und Personen in Kraft, die mit über zwei Dutzend Ländern finanziell verflochten sind, beispielsweise mit dem Iran, Russland, Venezuela, Nordkorea, dem Libanon oder Libyen. Und wer als Privatperson oder als Unternehmen dagegen verstößt, wird bestraft.

Dass sich nun gerade die Europäer in Sachen Iran-Abkommen gemeinsam mit Russland und China gegen die Amerikaner stellen, ist ein Novum und hätte auch schon bei den unsinnigen Russland-Sanktionen (wo es zumindest aus einigen Ländern der EU Proteste gab, wenngleich man sich dem übermächtigen Druck schlussendlich beugte) so sein müssen. Aber damals war ja noch der (Kriegsverbrecher und Friedensnobelpreisträger) Barack Obama im Amt, den die Transatlantiker ja quasi als US-Messias feierten, so dass man trotz der negativen Auswirkungen für die eigene Wirtschaft als Bückstück für die US-Interessen hinhielt.

Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass die Europäer schlussendlich ihre eigenen Interessen durchsetzen, weil die EU-Wirtschaft zu sehr mit jener der USA verflochten ist. Selbst wenn man auch in Brüssel, Berlin, Paris, London usw. weiß, dass man eigentlich auch genügend Marktmacht besitzt, um den Amerikanern ein Bein zu stellen – auch wenn dies kurzfristig auch wirtschaftliche Probleme mit sich bringen würde. Der US-Markt mag zwar global betrachtet wichtig sein, doch für die Amerikaner ist der Weltmarkt ebenso wichtig. Und wenn sich die Europäer zusammen mit China, Russland und anderen Ländern zusammentun, wäre auch die US-Wirtschaft stark betroffen. Alleine mit der EU und mit China beläuft sich der gesamte US-Außenhandel rund 1,3 Billionen Dollar. Ein ordentlicher Batzen, der auch Druckpotential gegen Washington mit sich bringt – das aber nicht wirklich genutzt wird.

Die Europäer müssen damit beginnen, sich von den Vereinigten Staaten von Amerika zu emanzipieren und eine eigene außen- und wirtschaftspolitische Linie entwickeln, die den eigenen Interessen dient. Der Iran-Konflikt ist ein guter Anfang und sollte bald schon auch um den Konflikt mit Russland ergänzt werden. Zynisch gesagt müsste man sagen, dass die Amerikaner an ihrer Sanktionitis doch elendig krepieren sollen – und mit ihnen ihr ganzes Imperium. Die Welt ist multipolar mit mehreren Großmächten und Machtzentren. Washington ist nicht der Nabel der Welt, genausowenig wie Brüssel, London, Paris, Moskau, Peking oder Neu Delhi.