Die jüngsten Entscheidungen des Geschäftsmannes Donald Trump haben zusammen mit einer Reihe anderer Ereignisse den Ölpreis auf ein Vierjahreshoch gebracht. Eine Reihe von Faktoren deutet jedoch darauf hin, dass dieses Wachstum eher kurzfristig bleiben wird.
von Dr. Kamran Gasanow
Vor Tagen erreichte der Preis von Brent-Öl mit 80 US-Dollar pro Barrel den höchsten Stand seit dem Jahr 2014. Die Bank of America und der Ölkonzern Total sehen die Preisobergrenze noch nicht erreicht und sagen einen Preis von 100 US-Dollar pro Barrel im nächsten Jahr voraus.
Von der OPEC bis zur Fed
Wie aber war so ein Wachstum möglich? Zum einen ist dies die Konsequenz aus der OPEC-Entscheidung von Ende 2016, die Ölproduktion um 1,8 Millionen Barrel pro Tag im Vergleich zu Oktober 2016 zu reduzieren. Im Herbst 2017 hat das Kartell diese Vereinbarung für das gesamte Jahr 2018 verlängert. Laut dem Mai-Bericht der OPEC haben die Ölländer den Reduktionsplan sogar übertroffen. Von Oktober 2016 an sank die Produktion noch um 63 Prozent stärker als vereinbart — genau genommen um zwei Millionen statt der versprochenen 1,3 Millionen Barrel pro Tag.
Zweitens wächst auch die Weltwirtschaft. Impulse für dieses Wachstum gehen nicht nur von Schwellenländern wie China, Indien oder Brasilien aus, sondern auch von der Wirtschaftsentwicklung in den USA, der EU und Japan. Die Steuersenkungen von US-Präsident Donald Trump und die Weigerung der Zentralbanken der EU und Japans, die Geldpolitik zu verschärfen, schwächen die Gefahr einer Rezession.
Der dritte Faktor hängt mit der Politik der US-Notenbank zusammen, die darauf abzielt, den Dollar abzuwerten.
So sagte der Experte für internationale Währungsbeziehungen, Mehti Mehtijew, im Gespräch mit dem Autor:
Der Wertverlust des US-Dollars seit Jahresbeginn trug zu höheren Ölpreisen bei. Dies ermöglicht es, die mit einer höheren Inflation verbundenen Ziele in den Vereinigten Staaten zu erreichen: eine niedrige Arbeitslosenquote und das BIP-Wachstum zu halten.
Es lässt sich also konstatieren, dass der Anstieg des Ölpreises durch eine erhöhte Nachfrage nach dem Rohstoff, dessen künstlicher Angebotsverknappung und die US-Geldpolitik verursacht wird.
Geopolitische Faktoren: Trump und Konflikte im Nahen Osten
Nicht weniger wichtig sind geopolitische Faktoren. Erstens bedroht der Ausstieg der USA aus dem Nuklearabkommen mit dem Iran die milliardenschweren europäischen Investitionen — in erster Linie durch die Energiekonzerne Eni und Total — und schwächt die Aussichten für den Zugang iranischer Öl- und Gasprodukte auf den Weltmarkt. Treten die neuen Sanktionen gegen den Iran in Kraft, mit denen Washington jüngst drohte, könnten Energie-Engpässe entstehen — worüber Medien, Händler und Rating-Agenturen nun aktiv spekulieren und auch damit die Preise bisweilen künstlich stimulieren.
Zweitens dürften sich Israel und die Golfmonarchien durch die Behauptung Trumps, dass der Iran trotz der Abmachung Atomwaffen entwickele, darin bestärkt sehen, den iranischen Einfluss in der Region mit Raketen zu bekämpfen. So führte Israel im Mai eine Reihe von Angriffen gegen vermeintlich iranische Milizen in Syrien durch. Und die saudisch geführte Kriegskoalition greift im Jemen tagtäglich die schiitischen Huthis an.
Die Konfrontation in der Region gefährdet die Öl-Förderung und den sicheren Transport des Energieträgers. Pro-iranische Huthis beschossen kürzlich mit einer Rakete einen Ölspeicher von Saudi Aramco. Der Jemen-Konflikt bedroht zudem die sichere Durchfahrt der Öltanker durch den Golf von Aden. Im Falle der Eskalation können die Iraner jederzeit die Straße von Hormus blockieren, was insbesondere die sunnitischen Monarchien – die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar und Saudi-Arabien – vor ein schwer wiegendes Problem stellen würde.
Drittens wurde durch eine neuerlich eskalierte arabisch-israelische Konfrontation infolge der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem ein zusätzlicher Ansporn für Preiserhöhungen geschaffen.
Die Krise in Venezuela und die LNG-Rentabilität
Viertens wäre die politische Krise in Venezuela zu nennen, bedingt durch die Unwilligkeit der USA, den Sozialisten Nicolás Maduro in dem südamerikanischen Staat an der Macht zu sehen. Innerhalb der letzten eineinhalb Jahren ist die Ölförderung in dem Land mit den weltweit größten nachgewiesenen Ölreserven um 25 Prozent auf unter 1,5 Millionen Barrel täglich gefallen – der niedrigste Wert seit einem Vierteljahrhundert.
Die Ölkrise in Caracas könnte sich durch die Beschlagnahmung der wichtigsten Vermögenswerte des nationalen Ölkonzerns PDVSA zugunsten des drittgrößten US-Ölkonzerns ConocoPhillips weiter verschärfen. Die USA sind daran interessiert, einen politischen und energiepolitischen Rivalen auszuschalten, und haben am 19. Mai Sanktionen gegen den Chef der venezolanischen Nationalversammlung, Diosdado Cabello, verhängt.
Und schließlich haben die USA ein klares Interesse daran, durch ihre Notenbank den Druck auf Venezuela und den Iran zu erhöhen und durch die Entfachung von Konflikten den Preis des „schwarzen Goldes“ nach oben zu treiben – um US-Schiefergas profitabel auf dem Weltmarkt anbieten zu können.
Das Flüssiggas (LNG) aus den USA ist erst ab dem aktuellen Ölpreis von 80 US-Dollar pro Barrel rentabel. Aber profitable Preise allein sind natürlich noch kein Exportgarant. Man braucht auch Käufer. Und Trump meint, sie durch einen Zollkrieg gegen China und die EU finden zu können.
Er geht davon aus, dass die Einführung von hohen Zöllen die LNG-Versorgung auf den beiden größten Weltmärkten erhöhen wird. Mit China könnte das funktionieren, wie das Abkommen vom 20. Mai zeigt. China verspricht, das Handelsdefizit von 370 Milliarden US-Dollar durch die Erweiterung des Ankaufs amerikanischer Waren zu verringern, einschließlich Öls. Den OPEC-Prognosen zufolge könnte die Produktion von Schieferöl in den USA im Jahr 2018 im Vergleich zum Vorjahr um täglich eine Million Barrel wachsen und 5,75 Millionen Barrel erreichen.
Aber auch Saudi-Arabien hat ein Interesse an der Preiserhöhung. So beabsichtigt das Königreich, fünf Prozent der Vermögenswerte von Saudi Aramco bei einem Ölpreis von über 80 US-Dollar pro Barrel zu privatisieren. Für Riad sind die hohen Preise trotz gedrosselter Förderung auch ein Instrument des Drucks auf Teheran. Trumps Ausstieg aus dem Nuklearabkommen und die Drosselung der Produktion innerhalb der OPEC halten die iranischen Ölexporte in einem für Saudi-Arabien akzeptablen Rahmen.
Irans Ölminister Bijan Namdar Zanganeh geht davon aus, dass 60 bis 65 US-Dollar pro Barrel der günstigste Preis für sein Land wären. Zanganeh beschuldigte Washington, in Kollaboration mit OPEC-Mitgliedern die Ölproduktion zu reduzieren, um die Ölpreise anzuheizen, was für die unter Sanktionen stehenden Iraner verderblich sei.
Bremsfaktoren werden langfristig Bedeutung entfalten
Trotz seines gegenwärtig starken Anstiegs werden bestimmte Faktoren auf lange Sicht den Ölpreis nach unten ziehen. Im Versuch, die „Abwesenheit“ des Iran auf den Weltmärkten zu kompensieren, werden OPEC-Mitglieder die Förderquote wieder überschreiten und die Vereinigten Staaten die Produktion von Schiefergas erhöhen. Zudem werden hohe Preise zu Energieeinsparungen in den importierenden Ländern führen, was die Nachfrage reduziert. Der Preisanstieg wird die Inflation in den USA beschleunigen und die Notenbank dazu zwingen, die Leitzinsen zu erhöhen. Zudem betrachten viele Experten auf lange Sicht das Wachstum in der EU und China, den größten Verbrauchern von fossilen Energiestoffen, mit Skepsis.
Fazit: Der Anstieg der Ölpreise ist großteils auf die OPEC-Entscheidung zur Förderungsreduktion, auf die Dynamik der Weltwirtschaft, die Politik der US-Notenbank, die außenpolitischen Entscheidungen Saudi-Arabiens und der Vereinigten Staaten sowie den Druck auf den Iran und Venezuela zurückzuführen. Aber auf lange Sicht werden objektive Faktoren die Werte wieder ins Gleichgewicht bringen.