Russland und China werden europäische Unternehmen im Iran ersetzen

Chinesische und russische staatliche Unternehmen könnten von US-Sanktionen gegen den Iran profitieren. Sie werden nämlich voraussichtlich europäische Firmen ablösen, die sich mit Washington nicht zerstreiten wollen und die Islamische Republik verlassen werden.

US-Außenminister Mike Pompeo hatte nämlich unlängst mit „stärksten Sanktionen in der Geschichte“ gedroht, falls Teheran seine militärische Expansion im Nahen Osten nicht stoppen und seine Langstreckenraketen weiter testen sollte.

Die Europäer verstehen natürlich, dass sie diesen lukrativen Markt Russland und China überlassen, können jedoch nichts dagegen tun, da der iranische Markt sich mit dem amerikanischen keineswegs vergleichen lässt. Und dabei gibt es noch das US-amerikanische Finanzsystem, das beispielsweise 90 Prozent aller Transaktionen des französischen Öl- und Gasriesen Total bedient.

Der chinesische Ölgigant Sinopec (China Petroleum & Chemical Corporation) hat im Mai eine Delegation in die Islamische Republik geschickt, die den Auftrag hatte, einen Deal für insgesamt drei Milliarden Dollar einzufädeln, der die Erschließung des riesigen Ölfeldes Yadavaran vorsieht, mit der sich aktuell Royal Dutch Shell beschäftigt. Dieses Unternehmen will Washington  nicht verärgern und ist bereit, den Iran zu verlassen.

Ein weiterer Gigant aus dem Reich der Mitte – China National Petroleum Corporation (CNPC) – will seinerseits die Franzosen von Total bei der Ausbeutung des Gasfeldes South Pars ablösen, die sich ebenfalls wegen der Gefahr von US-Sanktionen demnächst zurückziehen werden.

Die Chinesen bilden mit ihren iranischen Kollegen Joint Ventures auf Gebieten wie Eisenbahn- und U-Bahn-Bau, Automobilbau  usw. In Teheran werden schon längst Kleidung, Geschirr, Elektrohaushaltsgeräte sowie diverse Lebensmittel aus China verkauft.

Moskau verhält sich zu den Geschäftskontakten mit dem Iran zwar vorsichtiger als Peking, aber diese seien trotzdem sehr intensiv, stellte das «Wall Street Journal» fest. Jedenfalls kaufen iranische Energiekonzerne, die keinen Zugang zu westlichen Technologien haben, russische Bohranlagen. Der russische Staatskonzern Rosneft vereinbarte im vorigen Jahr mit der iranischen Seite einen „Fahrplan“ zur Umsetzung von gemeinsamen strategisch wichtigen Projekten in der Öl- und Gasbranche, die auf 30 Milliarden Dollar geschätzt werden.

Ein weiterer Staatskonzern, Zarubezhneft, bleibt das einzige ausländische Unternehmen, das im Iran einen Vertrag des neuen Typs über Ölförderung abgeschlossen hat. Im März wurde nämlich vereinbart, dass die Russen 700 Millionen Dollar in die Erschließung von zwei kleineren Ölvorkommen investieren werden, mit denen bis zuletzt BP und Wintershall gerechnet hatten.

Das Vorgehen der russischen und chinesischen Energiekonzerne zeigt, dass der Effekt von den antiiranischen US-Sanktionen nicht so groß sein wird, wie man im Weißen Haus gerechnet hat. Denn viele Unternehmen aus Russland und dem Reich der Mitte hängen nur in geringem Maße vom US-Finanzsystem ab – im Unterschied zu den Europäern. Deshalb sehen Moskau und Peking das finanzielle „Säbelrasseln“ der Amerikaner gelassen.

Noch 2010 hatten Moskau und Peking den UN-Sanktionen gegen den Iran zugestimmt. Jetzt aber sind sie gegen den Ausbau des Drucks auf Teheran. Indem die Iraner Probleme witterten, begannen sie gleich nach dem Sieg Donald Trumps bei der Präsidentschaftswahl in den USA, ihre Geschäftsakzente auf Russland und China zu verschieben. Es war also kein Wunder, dass der iranische Chefdiplomat Dschawad Sarif nach dem Ausstieg Washingtons aus dem Atomdeal gleich als erstes nach Peking reiste.

Übrigens sieht man in Washington die jüngsten Aktivitäten der Russen und Chinesen im Iran überraschend gelassen. Pompeo erklärte beispielsweise Journalisten, dass Moskau und Peking Teherans Vorgehen im Nahen Osten ebenfalls als eine Gefahr betrachten würden.

Aber die US-Sanktionen sind nach Auffassung des «Wall Street Journal» dermaßen scharf, dass nicht einmal russische und chinesische Unternehmen sie völlig ignorieren können. Pompeo findet, dass auch sie sich zwischen dem Iran und Amerika entscheiden müssten – und sich am Ende für die USA entscheiden würden.

Übrigens gab Washington schon deutlich zu verstehen, dass es chinesische Unternehmen, die Kontakte mit Amerika haben, für die Verletzung der Iran-Sanktionen bestrafen würde. So ermittelt das US-Justizministerium gerade, ob die Huawei Technologies Co. dagegen verstoßen haben könnte.

Wie das «Wall Street Journal» behauptet, empfiehlt der Kreml russischen Firmen, die mit dem Iran Geschäfte haben, sich mit der Islamischen Revolutionsgarde nicht anzulegen, die schon längst unter US-Sanktionen leidet.

Natürlich verärgern Russland und China Washington mit ihren Aktivitäten in der Islamischen Republik, aber die ausbleibende Konkurrenz seitens europäischer Unternehmen ist für sie eine viel zu große Versuchung. Russland sieht in der Islamischen Republik eine weitere Plattform für die Festigung der Position seiner Ölbranche im Nahen Osten.

Russlands Handelsumsatz mit dem Iran hat sich 2016 verdoppelt und zwei Milliarden Dollar übertroffen – vor allem dank der Lieferungen von Weizen und Maschinen. Und das Reich der Mitte ist überhaupt der größte Handelspartner Teherans. So kauft es beispielsweise fast 30 Prozent des gesamten iranischen Erdöls. 2017 legte der gegenseitige Handelsumsatz um 19 Prozent auf 37 Milliarden Dollar zu. Peking betrachtet Teheran als einen wichtigen Partner im Rahmen des Projekts „Ein Gürtel, ein Weg“.

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