Der amerikanische Investor George Soros prognostiziert eine neue globale Finanzkrise am Horizont. In einem Beitrag für die „Financial Times“ warf der Milliardär den US- und EU-Behörden vor, diese würden mit ihren verantwortungslosen Handlungen die Weltwirtschaft in große Schwierigkeiten manövrieren.
Den Hauptakzent setzte Soros in seinem Artikel auf Europa. Ausgerechnet von der Alten Welt – und nicht von Asien, wie 1997 – gehen ihm zufolge negative Impulse für die Weltwirtschaft aus, die durch die falsche Politik der US-Administration Donald Trumps zusätzlich verschärft werden. Der Flüchtlingsansturm und die Unfähigkeit der Europäer, die damit verbundenen Probleme in den Griff zu bekommen, der Aufschwung des Separatismus und die harten Sparmaßnahmen, mit denen Brüssel die Probleme einzelner Länder lösen will, indem es die gemeinsamen Interessen vernachlässigt, machen nach Einschätzung Soros‘ die gesamte Europäische Union wesentlich schwächer, denn ihre Mitglieder verlieren die Entwicklungsperspektiven, während die Populisten freien Weg zur Macht haben.
„Die EU erlebt eine Existenzkrise. Alles, was schieflaufen konnte, ist schiefgelaufen“, schlussfolgerte Soros.
Dabei sei das vereinigte Europa eine der größten Wirtschaften der Welt, und ihre Stagnation könnte eine globale Krise auslösen. Die Schuld dafür gibt der Milliardär US-Präsident Donald Trump. Der Handelskrieg, mit dem er Europa und vor allem Deutschland drohe, sowie der Ausstieg aus dem Iran-Deal könnten der europäischen Wirtschaft einen viel schlimmeren Schlag versetzen, als man in Washington denke.
Der Ausweg bestünde nach Auffassung Soros‘ darin, dass man erstens Trumps „Neigung zu Affären“in den Griff bekommt und zweitens die EU-Wirtschaft unverzüglich und radikal reformiert. Unter anderem sollte man in Brüssel aufhören, anderen Ländern „den Euro aufzuzwingen“. Die EU-Länder sollten das Recht bekommen, ihre eigenen Währungen zu nutzen.
Das von Soros formulierte Rettungsrezept ist nicht neu. Die Idee zur Rückkehr zu nationalen Währungen wurde in mehreren europäischen Ländern schon seit langem debattiert, vor allem in Griechenland. In Athen war man während der Schuldenkrise vor einigen Jahren bereit, auf alle möglichen Mittel zurückzugreifen, um seine Probleme in den Griff zu bekommen. Denn vor der Einführung des Euros hatten manche südeuropäischen Länder mit tourismusorientierten Wirtschaften ziemlich oft ihre Währungen abgewertet.
Aber eine Sache ist, die Probleme eines einzelnen Landes zu lösen, und eine ganz andere Sache ist, die Probleme der ganzen EU zu regeln. In Brüssel – und in Berlin – fand man, dass der Verzicht auf den Euro in Griechenland eine Kettenreaktion auslösen und damit katastrophale Folgen haben würde: Die Eurozone würde zusammenbrechen – und dann auch die EU selbst. Deshalb wurde die Schuldenkrise in Griechenland dank großen Anstrengungen überwunden, ohne dass das Land zur Drachme zurückkehren musste. Und jetzt widerspricht Soros dieser Logik, wenn er sagt, die EU würde sich selbst zerstören, indem sie die Eurozone um jeden Preis retten wolle.
Eine andere umstrittene These, die der Milliardär in seinem Beitrag zum Ausdruck brachte, ist die Notwendigkeit der Lösung der Flüchtlingskrise durch die massive Unterstützung der afrikanischen Länder. Für diesen neuen „Marshall-Plan“ würden Soros zufolge 30 Milliarden Dollar pro Jahr reichen. Einerseits ist die Verbindung zwischen der äußerst schlimmen Wirtschaftssituation auf dem Schwarzen Kontinent und dem Flüchtlingsansturm in Europa offensichtlich: Vor dem so genannten „arabischen Frühling“ konnte die Migration aus dem Nahen Osten und Afrika dank der dortigen „Puffer-Regimes“ unter Kontrolle gehalten werden. Und eine enorm wichtige Rolle spielten dabei die Behörden in Libyen. Doch nach dem Sturz und der Tötung Muammar al-Ghaddafis kamen zu den „traditionellen“ Flüchtlingen aus Eritrea, dem Sudan, Somalia und anderen afrikanischen Ländern auch die Menschen hinzu, die sich vor den Kriegen in den Nahost-Ländern retteten. Und Europa wurde von Migranten überflutet.
Andererseits ist es sehr unwahrscheinlich, dass man nur mit finanziellen Zuschüssen die Kriege in Afrika stoppen und das Lebensniveau dort erhöhen kann. Der „Marshall-Plan“ in Europa hatte gerade deshalb funktioniert, weil man damals wirtschaftlich und politisch entwickelten Ländern half, die „nur“ die Folgen des Zweiten Weltkriegs zu überwinden hatten. Aber die afrikanischen Länder sind immerhin permanent auf äußere Finanzhilfen angewiesen. Und es ist hochumstritten, dass zusätzliche Zuschüsse ihnen wirklich helfen könnten. Also ist Soros‘ Plan nichts als ein neues „Entwicklungsprogramm“.
Besonderes Augenmerk richtete der Investor auf die Politik der Person, die er besonders negativ betrachtet: Donald Trump. Diesem warf Soros vor, die „Existenzkrise“ Europas noch zu verschärfen, insbesondere durch den Austritt aus dem Atomdeal mit dem Iran, was für die Europäer neue Probleme bedeute, weil sie in den vergangenen zwei Jahren beträchtliche Mittel in die iranische Wirtschaft investiert haben. Hinzu kommen die von Trump provozierten Handelskriege. Das Problem ist Soros zufolge, dass der US-Präsident ein verantwortungsloser Populist ist und Amerikas egoistische Interessen verteidigt, die er selbst falsch versteht.
Aber auch Europa selbst könnte seinem eigenen Populismus zum Opfer fallen, der aus der „Existenzkrise“ der Alten Welt resultiere, warnte Soros.
Damit ist sein Beitrag im Grunde ein Manifest des Verteidigers des Globalismus, aber in einer ziemlich eigenartigen Deutung. Was, wie die meisten denken, die Globalisierung noch stärker macht, schwächt sie in Wahrheit, meint der Milliardär. Dabei ist offensichtlich, dass der Autor des Manifests kein Theoretiker, sondern ein Praktiker und zwar ein großer Spekulant auf globalen Finanzmärkten ist. Natürlich kann man sagen, dass Soros‘ Einfluss auf diverse Prozesse in der Welt häufig überbewertet wird, aber Fakt ist, dass der Milliardär hiermit offen gesagt hat, gegen wen er spielen wird. Seine Feinde sind der Euro und Donald Trump. Die zwei „Festungen“, die nach seiner Auffassung am Ende fallen müssen.