Mit dem inszenierten Tod von Arkadi Babtschenko hat die Ukraine «Fake News» auf ein neues Niveau gebracht. Dennoch könnte es am Ende das Beste sein, das dem Journalismus im Russland-Ukraine-Komplex je passiert ist.
Von Bryan MacDonald
Also, Arkadi Babtschenko lebt. Und das sind wirklich gute Neuigkeiten. Vor allem für seine Frau und seine sechs Kinder, die man ebenfalls glauben ließ, der russische Journalist sei am Dienstagabend in Kiew brutal ermordet worden.
Doch diese schmutzige kleine Episode zeigt ziemlich gut die anti-russischen Verschwörungsspinner und opportunistischen Schreiber auf, die schon viel zu lange ernst genommen wurden. Und es zeigt auch dem zufälligen Beobachter, wie haarsträubend die Standards der westlichen Berichterstattung über Kiew und Moskau sind.
Es ist schon lange klar, dass die meisten «spezialisierten» Schreiber glauben, dass Russland immer lügt und seine Gegner immer die Wahrheit sagen. Und in dieser Hinsicht mag der «Lazarus»-Moment vom Mittwoch in Kiew das Schwarmdenken, das ihre Berichterstattung zu bestimmen scheint, tödlich verletzt haben.
Es ist eine merkwürdige kleine Gemeinschaft, die mehr daran interessiert zu sein scheint, zusammen rumzuhängen und mit der Bestätigung von Vorurteilen zu glänzen, als sich tatsächlich selbst mit Russen und Ukrainern zu beschäftigen. Programmiert darauf, auf abweichende Meinungen oder Ursprungsgedanken mit Stirnrunzeln zu reagieren und im Stillen eine Parteilinie zu erzwingen, die die Betroffenen zu verletzen fürchten, weil sie Angst haben, zukünftige Beschäftigungaussichten zu riskieren.
Nun, jetzt haben sie ein Ei im Gesicht. Weil das blinde Vertrauen in Kiew seit der Machtübernahme durch das von den USA unterstützte Regime im Jahr 2014 die Berichterstattung in den meisten westlichen Länder bestimmt hat. Und sie hat sich stets durch offene Feindseligkeit gegenüber Aussagen aus Russland oder anderen Staaten, die bei Washington und London in Ungnade gefallen sind, ausgezeichnet.
Alternative Realität
Das Narrativ der Ukraine in den letzten Jahren war, dass man Moskau nicht glauben kann, ob es nun um die schreckliche MH17-Katastrophe, die Wiedereingliederung der Krim nach Russland oder die angebliche Einmischung in Wahlen im Ausland geht. Jetzt aber hat Kiew uns mitgeteilt, dass der Mann, von dem sie behauptet hatten, dass er ermordet wurde, tatsächlich lebt und sein Tod vorgetäuscht bzw. inszeniert wurde, um die Russen hereinzulegen. Außer natürlich, dass der angebliche Täter, der die Tat hätte durchführen sollen, den sie verhaftet haben, Ukrainer ist.
Außerdem war die Täuschung nicht auf die Polizei und den SBU (Nachfolgerdienst des KGB in der Ukraine) beschränkt. Denn selbst der ukrainische Premierminister Wolodymyr Hrojsman beschuldigte den Kreml öffentlich, eine gezielte Ermordung von Babtschenko unter Berufung auf die «totalitäre Maschine» durchgeführt zu haben. Auch sein Botschafter in Österreich beschrieb den Vorfall als «feigen» Mord an einem «Putin-Gegner».
Tatsächlich ging Kiew sogar so weit, ein Foto von einem «toten» Babtschenko zu veröffentlichen, der in einer «Blutlache» lag. Was definitiv über deren Pflicht hinausging, wenn man bedenkt, dass man nicht einmal für eine verdeckte Ermittlung einen Tod vortäuschen muss: Man könnte zum Beispiel einfach dem möglichen Attentäter folgen und ihn auf dem Weg zum Tatort festnehmen.
Und hier zeigt sich auch die absolute Unfähigkeit der gleichgeschalteten Schreiber im Sinne Kiews: Kam es ihnen nicht in den Sinn, nach einer Quelle zu suchen, die den Körper gesehen und identifiziert hatte? Was Babtschenko selbst betrifft, so hat seine eigene Rolle in der Farce die journalistische Ethik torpediert. Denn das Hauptelement in dieser Sache ist Vertrauen, und er wird sich in Zukunft kaum mit seiner Glaubwürdigkeit profitieren können.
Praktische Gelegenheit
Innerhalb weniger Stunden nach der ukrainischen Aktion unter falscher Flagge waren die üblichen Verdächtigen schnell dabei, ihre Agenden voranzutreiben. Der ehemalige Lobbyist des Legatum-Instituts, Anton Schechowzow, fragte sogleich, ob westliche Beamte zur Weltmeisterschaft reisen würden, um «dem Mörder die Hand zu schütteln, die mit frischem Blut überzogen ist».
Garri Kasparow, der dabei mit Schlamm nach Emmanuel Macron warf, beschrieb es als «business as usual für Putin in der Ukraine».
Murder. This is business as usual for Putin in Ukraine, in UK, in US, while Macron does TOTAL business as usual with Putin in St. Petersburg. After 298 murdered on MH17, why should Putin worry? RIP. https://t.co/yhU4f9UC9C
— Garry Kasparov (@Kasparov63) 29 мая 2018 г.
Joe Bidens «russische Hand», Michael Carpenter, schleuderte ebenfalls Dreck in Richtung des französischen Präsidenten.
Aber die vielleicht schlechteste Herangehensweise kam vo «Russland-Sicherheitsexperten» Mark Galeotti, eine Koryphäe des US-Staatssenders RFE/RL, der bei der Moscow Times auftauchte, um über «Russlands dunkle Macht» zu schreiben und darüber, wie der Kreml «eine Politik des Absegnens freiberuflicher Morde in seinem Namen angenommen hat».
Dabei handelt es sich um Boulevard-Unsinn niedrigsten Niveaus: in der Tat, gruselig.
Ein weiterer interessanter Teil des Debakels ist der Kontrast zwischen der Reaktion der westlichen Medien auf einen vorgetäuschten Mord an einem russischen Exil-Journalisten auf der einen Seite und der mangelnden Sorge um andere Journalisten auf der anderen Seite, die in der Ukraine schikaniert, bedroht, geschlagen und ermordet wurden, wofür die Kiewer Behörden einen Freifahrtschein erhielten. Wie oft haben Sie zum Beispiel von Pawel Scheremet, Oles Busina und Andrei Stenin gehört?
So, trifft es sich, dass es auch ernste Fragen darüber aufwirft, warum die Mainstream-Presse die Zusicherungen von Kiew bezüglich der Maidan-Schießerei und des anschließenden Massakers von Odessa im Jahr 2014 für bare Münze genommen hat. Innerhalb von gerade mal 24 Stunden hat die die Ukraine behauptet, der Kreml habe einen russischen Journalisten ermorden lassen, und dann am nächsten Abend darauf bestanden, dass alles offensichtlich ein wenig spaßeshalber von Sherlock Holmes inspiriert war und der betreffende Mann lebt und wohlauf ist.
Die Medienberichterstattung über diese Idiotie wirft eine ernste Frage auf: Sind Fakten wichtig, oder können Reporter, Kolumnisten und ihre Kanäle einfach wiederholen, was sie für wahr halten, weil sie bereits entschieden haben, dass Russland immer der Bösewicht ist?
Oder werden wir endlich zugeben, dass es ein ernstes Problem in der Berichterstattung über Russland und seine Nachbarn gibt, und dass es Zeit ist für eine große, grundlegende Entrümplung der Medienlandschaft von Journalisten und Analysten, die immer wieder etwas falsch machen und sich als völlig überfordert darstellen? Wenn ja, könnte der Fall Babtschenko noch einen Silberstreif am Horizont darstellen. Aber verlassen Sie sich nicht darauf.