Am Montag startete der erste Freundschaftszug zur WM-Eröffnung nach Russland. Unter dem Motto „Dialog statt Dämonisierung“ wurden die rund 100 Teilnehmer der Freundschaftsfahrt mit einer Friedenskundgebung verabschiedet. Der Veranstalter fürchtet weitere Provokationen: „Eine gelungene WM ist der größte Verlust für die Geopolitik-Mafia.“
Es ist bereits die dritte Freundschaftsfahrt des Vereins Druschba Global e.V., doch die erste Fahrt mit einem „Friedenszug“ zur Fußballweltmeisterschaft nach Russland „in Richtung Völkerverständigung und Frieden“. Am Montag wurden die rund 100 Teilnehmer mit einer „Kundgebung für Frieden mit Russland: Dialog statt Dämonisierung“ am Berliner Hauptbahnhof in Richtung Moskau verabschiedet.

Mit der Friedensfahrt versprechen sich die Veranstalter ein „sichtbares Signal“ für ein friedliches Zusammenleben, welches sich auch die „normale Bevölkerung“ wünsche, sagt der Veranstalter der Freundschaftsfahrt 2018, Rainer Rothfuß, gegenüber Sputnik: „Selbst wenn es Differenzen auf einer politischen Ebene gibt, soll es kein Hinderungsgrund sein, sich auf menschlicher Ebene zu begegnen. Auch nach Russland zu reisen, sich selbst ein Bild zu machen von diesem Land, was sehr gut geeignet zum Reisen und mittlerweile sehr entwickelt ist. Und das ist auch das Signal, welches wir setzen wollen: Menschen, macht euch ein eigenes Bild! Lasst euch nicht einreden von den Medien oder der Politik, dass der Feind irgendwo verortet sei!“
„Sorge um neue Provokationen gegen Russland“
Als Professor für geografische Konfliktforschung an der Universität Tübingen beschäftigte sich Rainer Rothfuß mit interreligiösen Konflikten. Später widmete er sich in seiner Arbeit der „Feindbildgenese“. Seine größte Sorge sei momentan, dass die „transatlantische Geopolitik-Mafia“ dafür sorgen würde, dass die durch die protektionistischen Töne der US-Politik verursachte „neue Romanze“ zwischen Europa und Russland wieder zerstört werde.
Das sei ein „geostrategisches Leitbild“ der USA: „Europa und insbesondere Deutschland darf mit Russland nicht zusammenwachsen, weil das dann ein Machtgravitationspunkt der Welt wäre. Das wären dann nicht mehr die USA. Deswegen fürchte ich, dass es auf lange Sicht zu weiteren Provokationen kommen wird.“ Die Skripal-Affäre, die Vorwürfe des Westens gegenüber Russland in Bezug auf Syrien und die „gefakte Ermordung“ des russischen Journalisten Arkadij Babtschenko in der Ukraine seien nur „verschiedene Mosaiksteine“, zu denen noch weitere hinzukommen würden, bemerkt Rothfuß.
Dies könne dazu führen, dass die Medien eine große Kampagne gegen Russland lostreten und dass es in der Ukraine zu einem heißen Konflikt kommt, warnt der Politikwissenschaftler. Der Zeitraum im Vorfeld der Fußball-WM sei eine „kritische Phase“, betont Rothfuß. „Wenn Russland diese WM gelingen sollte, also alle Welt sieht, dass es ein schönes gastfreundliches Land ist, es Spaß macht, dahin zu reisen, alles gut organisiert ist, dann wäre das der größte Verlust für diese Geopolitik-Mafia, die eben Russland draußen halten will. Wir hoffen, dass alle diese Provokationen nicht greifen, dass die Fußball-WM gelingt, dass das weltgrößte Medienevent ein voller Erfolg wird und dass alle sehen: Russland ist ein Teil der großen Völkerfamilie“, unterstreicht der Friedensaktivist und —Forscher.
Deutschlands Verantwortung für Frieden in Europa
Rothfuß wolle ein Zeichen gegen die „Aufschaukelung“ des Konflikts setzen. Man dürfe es nicht als alternativlos betrachten, „dass die Steuerzahler jetzt zig Milliarden von ihrem Geld mehr ausgeben sollen, die immer knapp sind, wenn es um Soziales oder um Bildung geht, jedoch nun für eine Aufrüstung der Bundeswehr ausgegeben werden sollen“.
Er bemängelt weiterhin, dass deutsche Truppen innerhalb der Nato nun auf ehemals sowjetischem Territorium im Baltikum stationiert sind. „Kurz vor der Grenze zur Russischen Föderation, wo die Deutschen vor über 70 Jahren allein in St. Petersburg über eine Million Tote durch die Belagerung von fast drei Jahren provoziert haben. Das ist einfach eine grandiose Geschichtsvergessenheit, die sehr gefährlich ist“, kritisiert der Friedensfahrer.
„Wenn wir uns nicht einmal mehr daran erinnern, dass es vor 28 Jahren Russland war, das uns dir deutsche Wiedervereinigung geschenkt hat. Heute, 28 Jahre später, erinnert sich keiner mehr daran, dass es eigentlich Russland war, das uns diese historische Wiedervereinigung geschenkt hat. Und noch viel geschichtsvergessener ist natürlich, nicht der 27 Millionen Toten zu gedenken, die der Krieg, der von Deutschland aus getragen wurde, verursacht hat. Das tut uns weh. Und wir sagen, wir müssen hier einfach eine Brücke schlagen in Richtung Russland.“
Freundschaftszug 2018: „Gemeinsam feiern“
Die Teilnehmer der Freundschaftsfahrt 2018 werden vom 4. bis zum 16. Juni insgesamt 15 verschiedene Städte in Russland bereisen. Von Berlin aus geht es zunächst mit einem Zug nach Moskau. Von der russischen Hauptstadt aus folgt eine Sternenfahrt in die verschiedenen Städte wie Kasan, Sotschi, Jekaterinburg und andere. Zur Auswahl stehen außerdem noch die Städte Samara, Saransk, Sergijew Possad, Jaroslawl, Grozny, Kostroma, Pensa, Wologda, Twer, Simferopol, Petrosawodsk und Krasnodar. Als Highlight der Reise bezeichnen die Veranstalter „das gemeinsame Feiern und Mitfiebern beim Eröffnungsspiel der Fußball-Weltmeisterschaft zwischen Russland und Saudi-Arabien“.
Mit einem großen „Druschba-Banner“ wollen die Teilnehmer der Fahrt beim Public Viewing in Moskau ein Bad in der Menge nehmen. Bei der Kundgebung wurde das Freundschafts-Banner von den Teilnehmern des Meetings sowie dem Vertreter der russischen Botschaft, Vadim Danilin, feierlich unterschrieben. Zum Ende der Freundschaftsfahrt 2018 lädt der Verein Druschba-Global alle zu einem Friedens-Frühstück auf dem Rasen vor dem Reichstag ein, um mit allen „frische Erlebnisse“ der Reise zu teilen.
Das komplette Interview mit Prof. Dr. Rainer Rothfuß zum Nachhören:
Die komplette Umfrage bei den Teilnehmern des Freundschaftszuges zum Nachhören: