Auf massiven russischen Panzerangriff vorbereitet: Die WELT lässt Ex-NATO-Chef die Welt erklären

Per Live-Chat hat der Ex-NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen Fragen von Lesern der «Welt» beantwortet. Die Ausrichtung des Verlages ist klar transatlantisch. Russland stand als vermeintliche Gefahr bei der Ankündigung der Fragerunde im Zentrum.

Anders Fogh Rasmussen scheint sein bereits im September 2014 niedergelegtes Amt als NATO-Generalsekretär schwer loslassen zu können. Noch immer tourt er emsig über den Atlantik, um die Bedeutung der Militärallianz zu betonen.

 

Für Mittwoch kündigte die Zeitung Die Welt ihren Lesern an, der ehemalige NATO-Generalsekretär stehe für Fragen im Live-Chat zur Verfügung.

KrimAnnexionNATOOsterweiterung und Russlands Nord Stream 2: Am Mittwoch ab 10.30 Uhr …

Den veröffentlichten Fragen und Antworten zufolge ging es denn auch direkt um das bedrohlichste aller Szenarien, welches die Existenzberechtigung der NATO untermauert. Die Frage, ob die NATO auf einen massiven russischen Panzerangriff vorbereitet sei, bejahte Rasmussen und verband diese Antwort mit einem Hinweis auf die Bedeutung von Investitionen.

Die NATO ist definitiv darauf vorbereitet, jeglichen Angriff auf seine Mitgliedsstaaten abzuwehren. Aber damit dies so bleibt, müssen wir kontinuierlich unsere Investitionen in moderne Technologie und den Erhalt unserer Fähigkeiten aufrechterhalten.

Russland könnte Ukraine in wenigen Tagen besetzen

Bei einer weiteren Frage, die die Welt samt Antwort veröffentlichte, ging es darum, wie lange russische Truppen brauchen würden, «um die Ukraine – ohne Beteiligung der NATO – zu besetzen».

Rasmussen antwortete: «Wenn Russland es wollte, könnten russische Truppen die Ukraine in wenigen Tagen besetzen, obwohl die Ukraine ihre militärischen Kapazitäten in den vergangenen zwei bis drei Jahren in Reaktion auf den Angriff auf sein Staatsgebiet signifikant aufgestockt hat.»

Der russische Präsident Wladimir Putin müsse gar nicht zu diesem Mittel greifen. Denn er hoffe, die «Annäherung der Ukraine an die euro-atlantische Gemeinschaft bereits gestoppt zu haben»  — nach Ansicht von Rasmussen durch die «Destabilisierung der östlichen Ukraine, wie er sie mit dem Angriff begonnen» habe.

Rasmussen äußerte weiterhin seine Besorgnis über innenpolitische Entwicklungen in der Türkei, die man am besten lösen könne, indem das Land in der Militärallianz bleibe.

Zum Atomabkommen mit dem Iran sagte Rasmussen, er teile die Sorge des Fragestellers und gebe «unumwunden zu, dass der bestehende ‘Irandeal’ keinesfalls perfekt ist». Der Fragesteller, mit dem der Ex-NATO-Chef so übereinstimmte, hatte sein Anliegen so formuliert:

Warum hält Europa am Atomabkommen mit dem Iran fest, wenn dieser ein paralleles (militärisches) Nuklearprogramm hat und darin unverändert die Atombombe anstrebt?

Doch halte Rasmussen es für eine schlechtere Option, die bestehende Kontrolle über das Nuklearprogramm aufzugeben.

Eine Frage zu Nord Stream 2 beantwortete Rasmussen nicht direkt, sondern tat seine Befürchtungen gegenüber dem Projekt kund. Der Fragesteller wollte wissen, welche Intention der USA Rasmussen darin sieht, «Russland so massiv wegen Nord Stream 2 anzuprangern». Der Ex-NATO-Chef sehe es eher als geostrategisches denn als reines Wirtschaftsprojekt; auf die Rolle der USA darin ging er gar nicht ein.

Im Hinblick auf die angestrebte EU-Armee befand der 65-Jährige, dass diese «keine realistische Alternative zur NATO sein“ könne und die NATO die «verlässlichste Komponente europäischer Sicherheit ist und bleiben wird».

Im Einklang mit gesellschaftspolitischem Auftrag des Springer-Verlages

Dass die Zeitung seinen Lesern ausgerechnet vom ehemaligen NATO-Generalsekretär die Welt erklären ließ, scheint nach einem Blick auf die Grundausrichtung des Axel-Springer-Verlages umso weniger überraschend, will dieser doch einen «gesellschaftspolitischen Auftrag» erfüllen, indem er seinen Mitarbeitern ein doch recht einfaches Weltbild in Form seiner Unternehmensgrundsätzen vorgibt. Darin wird auch Bezug auf die Solidarität mit den Vereinigten Staaten von Amerika genommen, noch davor steht die Unterstützung des jüdischen Volkes und das Existenzrecht Israels, was womöglich im Umkehrschluss auch die Wahl der Frage nach dem Atomabkommen verständlicher macht.

Während das gängigste aller Totschlagargumente gegen RT, es sei ein «Sprachrohr des Kremls», jegliche Diskussion auch ohne weitere Belege im Keim ersticken kann, scheint es für den Springer-Verlag weitaus weniger problematisch, sich offen als Sprachrohr des transatlantischen Militärbündnisses zu positionieren.

Springer-Vorstand Mathias Döpfner selbst erachtet es nach eigenen Angaben als sehr wichtig, seinen Mitarbeitern «verbindliche Werte» mitzugeben, darunter die Unterstützung des transatlantischen Bündnisses. Döpfner, der im Herbst 2014 vom Aspen Institut  den «Shepard Stone Award für herausragende transatlantische Führung» erhielt, wurde von einem ehemaligen US-Botschafter als «persönlicher Held» bezeichnet.

Keine Überraschung also, dass bereits in der Ankündigung dieser Fragerunde der vermeintliche Feind entsprechend negativ konnotiert wird.

Quelle