Die Europäische Union hat die Herausforderung der USA angenommen und akzeptiert quasi den Handelskrieg. Experten glauben, dass ein Handelskrieg weder für Amerikaner noch für Europäer von Vorteil ist, aber der Schaden für die EU werde größer sein.
Ab 1. Juli erhöht Brüssel die Importzölle auf verschiedene Warengruppen aus Überseeum zehn bis 50 Prozent. Dabei geht es unter anderem um Lebensmittel, Whiskey, Tabak, Kleidung usw.
Damit reagieren die Europäer auf die jüngste Einführung der Importzölle auf Stahl und Aluminium in den USA um 25 bzw. zehn Prozent. Das wird die europäische Wirtschaft laut Experten etwa 6,4 Milliarden Euro kosten.
„Das ist eine angemessene und gerechtfertigte Antwort auf die einseitige und rechtswidrige Entscheidung der USA zur Einführung der Zölle auf Stahl und Aluminium aus Europa“, sagte die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström.
Nach ihren Worten entspricht die Reaktion der EU auf das Vorgehen der Amerikaner „voll und ganz den internationalen Handelsgesetzen“. „Wir bedauern es, dass uns die USA keine andere Wahl gelassen haben“, ergänzte sie.
Zuvor hatte Washington Importzölle auf Stahl und Aluminium aus den EU-Ländern, aber auch auf verschiedene Produkte aus Russland, Mexiko, Kanada, China und anderen Ländern verhängt.
US-Präsident Donald Trump hatte den zollfreien Handel als „dumm“ bezeichnet und betont, dass sich andere Länder zu den USA im Handelsbereich „endlich fair verhalten sollten“. „Wenn Ihr Handelsdefizit fast 800 Milliarden Dollar im Jahr ausmacht, können Sie es sich nicht leisten, den Handelskrieg zu verlieren“, schrieb er auf Twitter.
Trump ist überzeugt, dass viele Länder „jahrelang auf Kosten der USA im Handel profitiert haben“. Diesen Vorwurf richtete er sogar gegen das benachbarte Kanada, das schon immer der treueste Partner der USA war. Nach seinen Worten hat sich Ottawa „sehr lange sehr schlecht zur Landwirtschaft und zu den Farmern in den USA verhalten“.
Kanada ist der größte Stahllieferant der USA mit etwa 2,5 Millionen Tonnen im Jahr. Außerdem entfallen auf dieses Land nach Angaben des US-Handelsministeriums ungefähr neun Prozent des Aluminium-Imports.
„Die US-Administration hat eine Entscheidung getroffen, die wir sehr bedauern und die offenbar zu Gegenmaßnahmen führen wird“, sagte dazu der kanadische Premier Justin Trudeau.
Dabei sind die USA, Kanada und Mexiko bereits seit 1994 durch ein Abkommen über den nordamerikanischen Freihandelsraum (NAFTA) verbunden. Jetzt wird es offensichtlich zumindest auf Eis gelegt oder ganz außer Kraft gesetzt.
Zuvor hatte Präsident Trump schon den Austritt der USA aus der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) verfügt, die insgesamt elf Staaten vereinigt, unter anderem Australien, Kanada, Chile, Japan, Malaysia, Neuseeland und Singapur. Auf seine Initiative hin verließ Washington auch das Pariser Klimaabkommen.
Kanada und Mexiko haben ebenfalls Washingtons Herausforderung angenommen und im Gegenzug Restriktionen für den Import verschiedener Produkte aus den Vereinigten Staaten eingeführt. In Mexiko gelten sie ab sofort für Schweinefleisch, Äpfel, und Käse und in Kanada — für Orangensaft und Ahornsirup.
Die von Gazeta.ru befragten Experten zeigten sich einig, dass es in Handelskriegen normalerweise überhaupt keine Gewinner, sondern nur Verlierer gebe. Doch im Handelskrieg zwischen der Neuen und der Alten Welt hat ihnen zufolge Amerika einen Vorteil. „Einige EU-Länder können überhaupt nicht selbstständig handeln – ihre politische und wirtschaftliche Tagesordnung hängt von den Stimmungen im Weißen Haus ab“, sagte der Chefanalyst der Firma „Internationales Finanzzentrum“, Roman Blinow.
Zudem würden die USA davon profitieren, dass der Dollar gegenüber dem Euro und auch anderen Währungen schon seit mehreren Monaten relativ schwach bleibe, so Schanna Kulakowa (TeleTrade). „De facto bedeutet das, dass amerikanische Waren für ausländische Verbraucher billiger werden, während europäische Waren teurer werden. Und das bedeutet, dass amerikanische Exporteure einen Preisvorteil haben und leichter neue Absatzmärkte finden können.“
Darüber hinaus warnten die Branchenkenner, dass es der EU-Kommission möglicherweise nicht so leicht fallen werde, Gegenmaßnahmen gegen die USA mit allen EU-Mitgliedsstaaten zu vereinbaren. „Einige Länder der Alten Welt könnten durchaus ihre eigenen Ansichten zu den EU-Sanktionen gegen die USA haben, und wenn man bedenkt, dass einige EU-Länder generell Washington gehorchen, könnten sich in der EU eigene ‚Streikbrecher‘ finden“, so Experte Blinow.
Zugleich warnte er, dass Russland von den jüngsten Auseinandersetzungen zwischen Washington und Brüssel nicht unbedingt profitieren würde. „Das ist eine Konfrontation zwischen zwei hochentwickelten und sehr konkurrenzfähigen Wirtschaften. Und die Vorteile für unser Land sind überhaupt fraglich. Wir selbst leiden unter den Sanktionen seitens der EU und der USA – und haben zudem selbst Gegensanktionen gegen die westlichen Länder verhängt, was für die meisten vernünftigen Menschen vor dem Hintergrund der gescheiterten Wirtschaftspolitik Russlands frappant ist“, so Blinow.