Syrien: Kriegsverbrecher USA

Einem Bericht von Amnesty International zufolge haben die Amerikaner in Syrien Kriegsverbrechen begangen, als sie die Stadt Rakka belagerten, zerstörten und schlussendlich zusammen mit lokalen Hilfstruppen eroberten.

Von Marco Maier/Contra Magazin

Ein eben erst veröffentlichter Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) zeigt auf, dass die Vereinigten Staaten während der insgesamt vier Monate langen Belagerung der syrischen Stadt Rakka in Syrien im letzten Jahr umfangreiche Kriegsverbrechen begangen hatten.

Der Titel des AI-Berichts lautet «Vernichtungskrieg». Mit diesem Begriff hatte US-Verteidigungsminister James Mattis die Taktiken beschrieben, mit denen die Stadt vom Islamischen Staat im Irak und Syrien (IS) zurückerobert werden sollte. Der äußerst kritische Bericht, der sich auf Satellitenbilder und Augenzeugenberichte beruft, kommt zu dem Schluss, dass «die Folgen für Zivilisten verheerend waren».

Amnesty International erklärte: «Es gibt eindeutige Beweise, dass durch die Luft- und Artillerieangriffe der [amerikanischen] Koalition tausende von Zivilisten getötet oder verwundet wurden, u.a. durch unverhältnismäßige oder willkürliche Angriffe. Sie verstoßen gegen internationales humanitäres Recht und sind potenzielle Kriegsverbrechen.»

Das Pentagon hat zwar mit den sogenannten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) Stellvertretertruppen organisiert, die sich fast ausschließlich aus Mitgliedern der mit der türkisch-kurdischen PKK verbundenen syrisch-kurdischen Miliz YPG rekrutierten, doch ihr Vormarsch war nur aufgrund der unablässigen Angriffe amerikanischer Kampfflugzeuge und Artillerieeinheiten möglich, welche das ganze Gebiet faktisch in Schutt und Asche legten.

Der Bericht von Amnesty zitiert Sergeant Major John Wayne Troxell von der US Army mit den Worten: «In fünf Monaten haben sie [die US-Marines] 30.000 Artilleriegeschosse auf IS-Ziele abgefeuert. Sie haben mehr Geschosse auf Rakka abgeschossen als jedes andere Marine- oder Army-Bataillon seit dem Vietnamkrieg (…) Wir haben zu jeder Stunde und jeder Minute den IS in Rakka beschossen, egal ob mit Granatwerfern, Artillerie, Raketen, Hellfire-Raketen oder bewaffneten Drohnen.»

Die leitende Krisenreaktionsberaterin von Amnesty International, Donatella Rovera, erklärte: «Die Behauptungen der Koalition, sie hätte den IS durch Präzisions-Luftschläge mit sehr geringen zivilen Todesopfern aus Rakka vertreiben können, hält keiner Überprüfung stand. Vor Ort haben wir in Rakka Zerstörungen in einem Ausmaß erlebt, die mit allem vergleichbar sind, was wir in den Jahrzehnten unserer Berichterstattung über die Folgen von Kriegen erlebt haben.»

Aus Berichten aus Rakka geht hervor, dass bis zu 80 Prozent der Stadt infolge der massiven Angriffe dem Erdboden gleichgemacht wurden. 11.000 Gebäude wurden beschädigt oder zerstört. Die restliche Bevölkerung hat noch immer keinen Zugang zu angemessener Nahrung, Strom oder fließendem Wasser. Außerdem fehlen ihr die Mittel, die Sprengfallen zu entfernen, die weiterhin Todesopfer fordern, oder die Leichen aus den Trümmern zu bergen.

Die Behauptungen von General Townsend entsprechen denen aus einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums an den Kongress vom 1. Juni. Darin räumt das Pentagon lediglich die Existenz von «glaubwürdigen Berichten über etwa 499 zivile Todesopfer und etwa 169 verwundete Zivilisten im Jahr 2017» ein, welche die Folge der US-Militäroperationen im Irak, Syrien, Afghanistan und dem Jemen seien. Aber dieser Bericht ist völlig absurd, zumal alleine bei der Belagerung von Mossul im Iran zehntausende Menschen umkamen.

In dem Amnesty-Report heißt es, dass «mehr als 450 Berichte über zivile Todesopfer aus dem Jahr 2017 noch ausgewertet werden müssen». Das gewaltige Missverhältnis zwischen den Schätzungen des Pentagons und den viel höheren Opferzahlen, die von Menschenrechtsorganisationen stammen, wird mit den «unterschiedlichen Arten von Informationen» erklärt, sowie den «unterschiedlichen Methoden bei der Bewertung der Frage, ob es zu zivilen Opfern gekommen sei». Der Bericht von Amnesty macht deutlich, dass es durchaus zu den «Methoden» des Pentagons gehört, dass bei der Abschätzung der Folgen die Schauplätze amerikanischer Luftangriffe überhaupt nicht aufgesucht werden. Zudem werden zivile Todesopfer oft grundsätzlich schon ausgeschlossen, bevor überhaupt irgendwelche Untersuchungen stattgefunden haben.

Man kann also davon ausgehen, dass bei der Eroberung der vom «Islamischen Staat» besetzten Stadt durch die Vereinigten Staaten von Amerika und deren lokalen Hilfstruppen tausende Zivilisten getötet wurden. Aber in den westlichen Massenmedien wird so etwas gerne kleingerechnet oder gar ignoriert, während man lieber auf zivile Opfer russischer Luftangriffe zeigt.