Migrationsstreit aus russischer Expertensicht:

Angela Merkel will die Maßnahmen gegen illegale Migranten auf europäischer Ebene ordnen und hat in ihrer Hinsicht eine starke Position, wie eine russische Expertin im Hinblick auf den Streit zwischen CDU und CSU meint. Ein anderer Analyst sieht einen „rationalen Kern“ bei den CSU-Forderungen an die Kanzlerin.

Jekaterina Timoschenkowa, Deutschland-Expertin des russischen Europa-Instituts, sagte in einem Sputnik-Gespräch:

„Merkel ist nicht gegen eine Verschärfung der Maßnahmen gegenüber Migranten, sie ist für ein Ordnen dieser Frage, für eine richtige juristische Gestaltung.“

Nach Ansicht der Expertin will Merkel einen Streit innerhalb der Europäischen Union verhindern: „Merkel ist gegen ein unilaterales Vorgehen, sie will, dass Maßnahmen auf europäischer Ebene getroffen werden.“

„Von diesem Standpunkt aus ist ihre Position stark. Merkel streitet nicht ab, dass eine gewisse Kategorie von Personen ausgewiesen werden müsste, bittet aber um eine Frist – bis zu einer Erörterung mit den EU-Ländern“, so Timoschenkowa.

Die Spitzen von CDU und CSU hatten sich jüngst darauf geeinigt, ihren Streit über die Asylpolitik um zwei Wochen zu vertagen. Merkel soll sich nun bis zum EU-Gipfel Ende Juni um eine europäische Lösung sowie um bilaterale Abkommen mit anderen Ländern bemühen.

Im Grunde geht es bei dem Streit um die mögliche Abweisung von Asylbewerbern an der deutschen Grenze, wie die „Zeit“ in ihrer Onlineausgabe erläutert. CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer will Migranten abweisen, die bereits in anderen EU-Ländern registriert sind.

Timoschenkowa kommentierte weiter, Merkel sei sich darüber im Klaren, dass dieser Streit, falls Seehofer ihn eskalieren lasse, auf eine Zerstörung der Regierungskoalition hinauslaufen könnte: „Merkels jüngste Äußerungen zeugen davon, dass sie begreift, was sie riskiert, und dass sie darauf hofft, eine Regierungskrise zu vermeiden. Denn sie ist davon überzeugt, dass es ihr gelingt, einen Kompromiss auf europäischer Ebene zu erzielen.“

Wladimir Bruter, Experte der in Moskau ansässigen Denkfabrik IGPI, sagte gegenüber Sputnik, er sehe einen „rationalen Kern“ in Seehofers Forderung nach einer schnelleren Lösungssuche: „Seehofer und die gesamte CSU wollen, dass Merkel die Regelung dieser Frage nicht endlos verzögert, sondern endlich zusammen mit der Europäischen Union Klarheit schafft; dass die EU eine konsolidierte Entscheidung in Sachen Flüchtlinge trifft.“

In der vergangenen Woche hatte der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz unterdessen für eine „Achse der Willigen“ im Kampf gegen die illegale Migration plädiert. Die „Salzburger Nachrichten“ kommentierten damals in ihrer Onlineausgabe:

„Kurz hatte dabei vor allem auf die Zusammenarbeit mit Berlin und der neuen populistischen Regierung in Rom verwiesen und den deutschen Innenminister Horst Seehofer (CSU) als wichtigen Partner bezeichnet. Der gemeinsame Auftritt von Kurz und Seehofer am Mittwoch hatte den Druck auf die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im deutschen Migrationsstreit erhöht.“

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