Rückendeckung für die Kanzlerin: Merkel und Macron verbünden sich für große EU- und Asylreform

Im eigenen Land steht Kanzlerin Merkel wegen der Flüchtlingsfrage unter Druck. In zwei Wochen soll eine Lösung her. Da kommt der Rückenwind von Frankreichs Präsident Macron wie gerufen. Der Franzose ist sogar bei seinem Lieblingsprojekt zu einem Kompromiss bereit.


Im koalitionsinternen Streit um die Asylpolitik bekommt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Rückendeckung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Sein Land sei bereit, in Frankreich registrierte Flüchtlinge aus Deutschland zurückzunehmen und unterstütze weitere solcher Abkommen in Europa, sagte Macron nach einem Treffen mit Merkel in Meseberg bei Berlin. Merkel muss hier nach einem De-facto-Ultimatum von Innenminister Horst Seehofer (CSU) schnelle Fortschritte erreichen. Die Kanzlerin und Macron einigten sich außerdem auf eine Reihe von Reformvorhaben für die Europäische Union, darunter eine milliardenschwere Investitionsoffensive.

«Besserer Schutz der EU-Außengrenzen und mehr Geschlossenheit»

Macron sagte, Deutschland und Frankreich arbeiteten gemeinsam an einer Lösung mit verschiedenen Staaten, die betroffen seien. Die meisten Flüchtlinge kamen in den vergangenen Jahren über Italien und Griechenland nach Europa. «Wir werden mit allen unseren Partnern weiter an diesen Themen arbeiten.» Es brauche zudem einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen und mehr Geschlossenheit. «Wir glauben an eine europäische Antwort auf die Herausforderungen, vor die uns die Migration stellt.»

Merkel will bis zum EU-Gipfel Ende Juni Vereinbarungen mit anderen EU-Staaten treffen, damit dort schon registrierte Asylbewerber nach einer Abweisung an der deutschen Grenze zurückgenommen werden. Die CDU-Chefin steht stark unter Druck. Seit Jahren funktioniert das sogenannte Dublin-System nicht mehr. Demnach ist normalerweise jenes Land für ein Asylverfahren zuständig, in dem ein Geflüchteter zuerst den Boden der EU betritt — oft ziehen die Migranten aber weiter, etwa nach Deutschland.

Euro soll krisenfester werden und milliardenschwere Investitionsoffensive geplant

In der Wirtschaftspolitik gab es in Meseberg nach harten Verhandlungen eine Verständigung: Deutschland und Frankreich wollen den Euro krisenfester machen und eine milliardenschwere Investitionsoffensive starten. Dazu soll ein Eurozonen-Budget im Rahmen der bisherigen Haushaltsstrukturen geschaffen werden. Der neue Etat soll ab dem Jahr 2021 greifen. Die Höhe muss noch auf EU-Ebene verhandelt werden. Es gehe darum, Länder zu begleiten, die Probleme haben, sagte Macron. Außerdem sollen die Unterschiede zwischen den Volkswirtschaften der Euro-Zone verringert werden, um die Eurozone zu stabilisieren.

Der Fall Griechenland hatte den Euro-Staaten gezeigt, dass gerade die enormen wirtschaftlichen Unterschiede zu solchen Finanz-Schocks führen können, die die Euro-Zone als Ganzes gefährden. «Wir erweitern das Spektrum», betonte Merkel. Der bisherige Euro-Rettungsschirm ESM soll zu einer Art Europäischen Währungsfonds ausgebaut werden, um den Euro dauerhaft besser gegen neue Finanzkrisen zu schützen. Zudem sind einheitlichere Bankenregeln im Rahmen der Bankenunion geplant — der ESM soll als letztes Auffangnetz bei Bankenpleiten einspringen. Mit öffentlichem Geld könnten also kriselnde Banken gerettet werden. «Wir beginnen heute eine zweite Etappe im Leben unserer Gemeinschaftswährung», kommentierte Macron.

Der Präsident hatte zunächst ein separates Euro-Budget verlangt — aber die Bundesregierung möchte keine neuen Parallelstrukturen schaffen. Merkel hat für einen nun geplanten neuen Investitionstopf zuletzt einen Betrag im unteren zweistelligen Milliardenbereich genannt. Eine Option zum Füllen des Fonds sollen Einnahmen aus einer geplanten Finanztransaktionssteuer sein.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sollte am Abend zu den Beratungen in Meseberg hinzugezogen werden. Die Vorschläge sollen dem EU-Gipfel am 28./29. Juni vorgelegt werden. Macron hatte bereits im September 2017 Vorschläge zur «Neugründung eines souveränen, vereinten und demokratischen Europas» vorgelegt.

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