Hofbauers „Feindbild Russland: Geschichte einer Dämonisierung“ nun auch in Russisch

Nach dem Umsturz in der Ukraine sollte eine Politik der Eindämmung Russlands oder sogar eines Regierungswechsels in dem Land folgen. Zu dieser Schlussfolgerung kam der österreichische Verleger und Publizist Hannes Hofbauer bei seiner Arbeit an dem Buch „Feindbild Russland: Geschichte einer Dämonisierung“, das jetzt auch in Russisch erschien ist.

Herausgekommen sei letztlich ein Wirtschaftskrieg, „den wir heute bereits ins fünfte Jahr gehen beobachten“, sagte er bei der Buch-Präsentation in Moskau. „Wir haben das Phänomen, dass im April 2018 die Sanktionen gegen russisches Kapital und russische Unternehmungen mit der Androhung verschärft worden sind, dass amerikanische Gesetze exterritorial angewendet werden, also auch für europäische Partnerfirmen gelten. Damit betreffen die Sanktionen der Amerikaner, die jetzt wesentlich über die europäischen hinausgehen, nicht nur Russland, Gasprom bzw. Deripaska, sondern auch ihre europäischen Partner und potentielle Konkurrenten der amerikanischen Seite.“

Die Ereignisse um die Ukraine waren für Hofbauer der Ausgangspunkt, das Buch zu schreiben. „Der Kampf zwischen Westen und Russland um dieses Grenzland wurzelt in historischer Tiefe und erklärt sich heute durch ein Problem der Erweiterung der Europäischen Union. Seit 2009 haben europäische Institutionen in einer sogenannten Ostpartnerschaft daran gearbeitet, ex-sowjetische Republiken, unter anderem die Ukraine, Moldawien, Georgien, Aserbaidschan, Armenien und Belarus in die Einflusssphäre der EU zu bekommen, ohne ihnen eine Mitgliedschaft anzubieten.“

Der österreichische Historiker macht die EU für den Maidan, der zum Zerfall der Ukraine führt, verantwortlich, „insbesondere Polen und Schweden. Aber auch Deutschland hat es mitforciert. Dann hat die amerikanische Seite mitten am Maidan die Führerschaft übernommen, wobei Victoria Nuland und John McCain aufgetreten sind.“

Hofbauer schreibt über die Geschichte der Beziehungen zwischen dem Westen und Russland, erforscht die wirtschaftlichen und geopolitischen Ursprünge des Russenhasses. Laut seiner Studie wurde Russland schon ab dem 15. Jahrhundert vom Westen als Feind empfunden. Der Russe war für die Europäer ein Asiat, ungläubig, schmutzig und servil. Diese Stereotype haben sich jahrhundertelang gehalten.

Der Westen gewann Russland und seine Führung erst beim Zerfall der Sowjetunion lieb, registriert der österreichische Historiker. Aber nicht für lange. Die Freude über das Ende der kommunistischen Epoche schlug in Skepsis um. Dann kam das alte Feindbild schon wieder auf. Daher komme die gereizte Reaktion auf die Politik des Kremls, die auf die innere Konsolidierung und Selbständigkeit in der Außenpolitik gerichtet ist, ist sich Hofbauer sicher.

Auf die Sputnik-Frage, was kann das Buch dem russischen Leser über den Westen noch neues berichten, antwortete der Historiker: „Es ist die Quellenlage für sie, was in deutscher, englischer und französischer Sprache über Jahrhunderte über Russland geschrieben wurde. Ich habe zum Beispiel Autoren in der Zwischenkriegszeit durchgelesen, ganz bekannte, wie Alfons Paquet, ein Deutscher, der so einen französischen Namen hat, ein berühmter Romancier, der aber auch antirussische Pamphlete geschrieben hat.“

„An einer Stelle schreibt er so eine Vision“, so Hofbauer weiter, „wie man im Krieg mit Russland umgehen sollte. Ich zitiere aus dem Gedächtnis:,Aus Russland machen wir den Steinbruch, aus dem wir die Brücke von Europa nach Asien bauen, um die moskowitische Öde zu überwinden‘. Das ist eines dieser ganz harten, Russland hassenden Bilder. Und sie gibt es auf Deutsch in Geographiebüchern. Das habe ich aufgearbeitet. Und das kennt der russische Leser sicher nicht, weil es nie ins Russische übersetzt worden ist. Das ist das Neue.“

Der weltbekannte Dirigent von Wagner-Opern Waleri Gergijew, künstlerischer Leiter des Mariinski-Theaters Petersburg und Chefdirigent der Münchner Philharmoniker hat die Übersetzung des Buches ins Russische initiiert. Darüber, was ihn dazu veranlasst hat, sagte er: „Meine Freunde in Österreich haben mir vor einigen Jahren gesagt, es sei ein interessantes Buch erschienen, das den Blick des Westens auf alles, was in seinen Beziehungen zu Russland vorgeht, anders beleuchtet. Nachdem ich den Verfasser näher kennengelernt hatte, begriff ich, dass es sich dabei um eine sehr wichtige, wohlerwogene Sicht der Welt und der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen vor dem Hintergrund guter Kenntnisse der russischen Geschichte handelt.“

Der russische Musiker fügt hinzu: „Mir schien, dass man von dieser Sicht auch in meinem Land erfahren sollte. Der Umstand an sich, dass jemand Russland ein wenig mag und ein anderer wiederum nicht, lässt mich kalt. Dagegen finde ich den Umgang mit denjenigen spannend, die versuchen, aus der Geschichte Lehren zu ziehen. Zu denen, die durch ihre ungewöhnliche Sichtweise mein Interesse erregt haben, zählt auch Hannes Hofbauer.“

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