Vor dem Brüsseler Spitzentreffen zur Flüchtlingspolitik haben führende europäische Politiker vor einem Auseinanderbrechen der EU gewarnt.
«Der Umgang mit der Zuwanderungsfrage darf nicht zur Zerstörung der Europäischen Union führen», sagte EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstagsausgaben). «Handelt jeder Mitgliedstaat nur nach eigenen Interessen, wird die Gemeinschaft auseinanderbrechen.»
Im Umgang mit dem Zuzug von Flüchtlingen könne es «jetzt nicht um nationale Lösungen gehen», sagte der Italiener. «Wir brauchen eine europäische Strategie.» Tajani richtete einen direkten Appell an die streitenden deutschen Unionsparteien: «Ich hoffe sehr, dass CDU und CSU zu einer Verständigung in der Flüchtlingspolitik finden.»
Mit Blick auf die Bayern-Wahl im Herbst fügte Tajani hinzu: «Wir müssen eine europäische Lösung finden, ohne auf die nächsten Regionalwahlen zu schielen.» Europas Stabilität hänge von Deutschlands Stabilität ab. Er sei «gegen Maßnahmen an den Binnengrenzen», betonte Tajani. Die Lösung liege beim wirksamen Schutz der Außengrenzen, nicht der Binnengrenzen.
Auch der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) warnte vor einem Auseinanderfallen der EU. Kurz forderte die EU in der «Bild» auf, als Konsequenz aus dem Flüchtlingsstreit ihre Versuche zu einer Flüchtlingsumverteilung komplett aufgeben. Diese wird von mehreren EU-Staaten vehement abgelehnt.
«Wir müssen jetzt aufpassen, dass die EU nicht komplett auseinanderfällt und endlich damit aufhören, weiter über ein Verteilungssystem zu sprechen, das einfach nicht funktionieren wird», sagte Kurz der Zeitung. «Seit drei Jahren sollen Flüchtlinge in der EU verteilt werden. Aber wir sehen doch alle, dass bisher sehr wenig passiert ist.»
Österreich werde sich während seines Ratsvorsitzes «darauf konzentrieren, die Debatte über die Verteilung zu parken und Europa wieder zu einen», sagte Kurz. In der Frage der Sicherung der Außengrenzen sah Kurz «die größte Einigkeit in der EU».
Das Sondertreffen am Sonntag in Brüssel gilt als entscheidender Termin, um zu gemeinsamen Lösungen in der Flüchtlingspolitik zu kommen. Der EU-Kommission zufolge nehmen mindestens 16 Staaten teil.