Fit für den Krieg? Nato spielt den Schwachen – um EU auf Ost-Feldzug einzustellen

Die Nato-Länder bereiten sich auf einen Krieg gegen Russland vor – davon zeugen laut Experten Vorbereitungen, die die Allianz in Europa trifft. Das westliche Militärbündnis begründete seine Maßnahmen damit, dass die Verkehrsinfrastruktur in der EU auf den Kriegsfall schlecht vorbereitet sei. Die Onlinezeitung „VZ“ berichtet.

Sattelzüge mit schwerem Kampfgerät müssten bei Verlegung quer durch Europa auf zu engen und schlecht markierten Landstraßen vorwärtsschleichen. Vielleicht würden die Marschkolonnen auch noch von einem Bauerntrecker ausgebremst. Manch eine Brücke auf deren Weg könnte die Last des Militärgeräts überhaupt nicht tragen und manch eine Unterführung wäre dafür zu eng. Kurzum: Europäische Autostraßen sind für den Kriegsfall mäßig bis gar nicht gerüstet, schreibt die Zeitung „The Washington Post“.

Bei den Bahnstrecken sieht es laut dem Blatt nicht besser aus. Will die Nato ihre Kräfte mit der Bahn nach Litauen, Lettland oder Estland verlegen, muss sie die Bahnwaggons an der litauischen Grenze erstmal umspuren oder die Fracht von einem Zug auf einen anderen verladen: Die unterschiedlichen Spurweiten der Bahngleise in den baltischen Staaten und in der Rest-EU machen eine Non-Stopp-Durchfahrt unmöglich. Das raubt den Truppen vor allem Zeit.

Ließe sich der Zeitverlust vermeiden, wenn die ganze Technik auf dem See- oder Luftweg verlegt würde? „Geht es um die baltischen Staaten, ist der Seeweg natürlich das Mittel der Wahl. Allerdings muss das Gerät aus den Häfen weiter über Land an seinen Bestimmungsort transportiert werden. Über die Luft lassen sich ohnehin nur Mannschaften und leichteres Gerät in geringer Anzahl verlegen.“ Auf den Zustand der Straßen und Bahngleise komme es also auch in diesem Fall an, sagte der Militärexperte Wiktor Murachowski der Onlinezeitung. Zudem müsse die Nato die gegnerische Luftverteidigung im Auge behalten: „Die Nato-Strategen wissen, dass wir Flugabwehrstellungen in Kaliningrad stationiert haben.“ Eine Luftbrücke würde im Kriegsfall also gekappt, sagt der Experte.

Bürokratische Hürden kommen erschwerend hinzu, schreibt „The Washington Post“. In der Bundesrepublik beispielsweise sei die Durchfahrt schwerer Panzerfahrzeuge nur nachts zulässig. Und in Schweden, das zwar kein Nato-Mitglied ist, aber mit der Allianz eng zusammenarbeitet, will die Regierung mindestens drei Wochen im Voraus über eine anstehende Verlegung informiert werden. Eine Faustregel bei Truppenbewegungen lautet indes: Brauchst du länger als 45 Tage, hast du schon verloren. Ein US-General sagte der „Washingtoner Post“, er habe bei Nato-Manövern 17 Anträge ausfüllen müssen, um Truppen aus Deutschland nach Polen verlegen zu dürfen.

Wegen dieser Probleme würden sämtliche Schnelleingreiftruppen der Nato wenig bringen, sagt der Militäranalyst Jewgeni Buschinski vom Moskauer Thinktank „PIR Center“: Die Nato sei ein riesiger bürokratischer Apparat.

„Sie können natürlich schnelle, superschnelle und sogar supersuperschnelle Eingreiftruppen aufstellen. Aber solange es keine gemeinsame Entscheidung gibt, können die Truppen sich nicht einen Deut rühren“, sagte der Experte laut der Onlinezeitung. „Die Logistik macht ihnen auch zu schaffen. Während des Kalten Krieges herrschte Ordnung bei ihnen: Die Fahrbahnmarkierung war überall aufgetragen, die Brücken waren fit. Seit den Neunzigerjahren zerfällt aber alles.“

Die Nato-Führung betont dabei unentwegt, dass die Allianz nur geringfügige Kräfte in ihren östlichen Mitgliedsländern an der Grenze zu Russland stationiert habe. Deshalb wird erwartet, dass die Nato-Verantwortlichen beim kommenden Gipfel in Brüssel eine Aufstockung der Schnellen Eingreiftruppe beschließen werden. Diese zählt gegenwärtig 5.000 Mann, die innerhalb von zehn Tagen zur Verfügung stehen. Die Nato will ihre Kapazitäten aber soweit ausbauen, dass sie 30.000 Soldaten innerhalb von 30 Tagen in Gefechtsbereitschaft versetzen kann. Dieses 3×30-Programm der Allianz sieht vor, dass in den baltischen Staaten innerhalb von 30 Tagen 30 taktische Heeresgruppen, 30 Luftgeschwader und 30 Marineverbände einsatzbereit zur Verfügung stehen müssen. „Dann würden gestaffelt weitere Truppen nachrücken – innerhalb von 60 Tagen die erste Staffel und innerhalb von 90 Tagen die zweite. Um diese Kräfte verlegen zu können, muss man die Infrastruktur modernisieren“, erklärt der Militärexperte Murachowski.

Ok, es gibt ein Logistik-Problem, keine Frage. „Aber die Amerikaner spielen das Problem künstlich hoch, um ihre europäischen Verbündeten dazu zu treiben, noch größere Truppenkontingente an der russischen Grenze zu stationieren“, sagte Alexander Bartosch von der Russischen Akademie für Militärwesen laut der Onlinezeitung. „Außerdem bringen die Amerikaner jetzt schon vorsorglich schwere Technik nach Europa: Kampfpanzer, Schützenpanzer, Artilleriegeschütze“, betont der Analyst.

Die verwaltungstechnischen Hürden bei Truppenbewegungen innerhalb Europas würden auch Schritt für Schritt beseitigt: „Es läuft letztlich auf die Gründung eines Militärschengens hinaus, damit Truppen und Technik aus den Häfen Frankreichs, Deutschlands und Polens an die russische Grenze verfrachtet werden können. Das zeugt davon, dass die Nato-Länder sich unmittelbar auf einen Krieg gegen Russland vorbereiten. Nur so kann ich dieses Vorhaben werten“, sagt Alexander Bartosch von der Russischen Akademie für Militärwesen.

Es gehe jedoch nicht nur um die Stationierung zusätzlicher Truppen an der russischen Grenze, sagt der Militärexperte Murachowski: „Es ist das ewige Lied davon, dass die baltischen Staaten und Polen Geld brauchen, um ihre Infrastruktur zu modernisieren.“ Dieses Programm laufe schon seit einiger Zeit und in dessen Rahmen würden nicht nur Straßen und Bahngleise ausgebaut, sondern auch Häfen, Flugplätze, Kommunikationsnetze, Materiallager…

Die Zeitung „The Washington Post“ betont in diesem Zusammenhang, die Nato-Truppen müssten im Falle eines Konflikts Hunderte von Kilometern zurücklegen. Jede Verzögerung wegen Bürokratie, schlechter Planung und zerfallender Infrastruktur würde es Russland ermöglichen, die baltische Region rasch einzunehmen, weil es ja keine Probleme mit Truppenverlegungen auf seinem eigenen Territorium habe. Innerhalb von 60 Stunden könnte das russische Militär die lettische Hauptstadt Riga einnehmen, warnt das US-amerikanische Blatt.

Der springende Punkt ist nur der, dass Russland die baltischen Staaten nicht angreifen will, was die russische Führung bereits mehrmals erklärt hat. Wer soll denn bloß glauben, dass Russland die Nato angreifen wolle, fragt Jewgeni Buschinski, der Militäranalyst vom Moskauer Thinktank „PIR Center. „Ich glaube es jedenfalls nicht. Wenn es einen Konflikt zwischen Russland und der Nato geben sollte, dann endet er in gegenseitiger Vernichtung.“

Glaube hin oder her – was nicht weniger wichtig ist, sind die Fakten. So geht selbst aus öffentlich verfügbaren Quellen hervor, dass die russische Armee dem Europa-Kontingent der Nato vielfach unterlegen ist – bei der Mannstärke ebenso wie bei der Anzahl der Technik. Dabei sind die Truppen noch gar nicht gerechnet, die auf dem nordamerikanischen Kontinent stationiert sind. Im Falle eines Konfliktes würden sie ja auch mobilisiert werden. Ein relativer Gleichstand besteht zwischen Nato und Russland ausschließlich bei den Kernwaffen.

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