Experte: „Der Asylkompromiss zwischen CDU und CSU kann nicht funktionieren“

 

„Ein Machtkampf, der mit harten Bandagen ausgetragen wird“, war für Werner Patzelt der Asylstreit zwischen CDU und CSU. Die Rücktrittankündigung von Innenminister Seehofer bezeichnet der Politologe im Sputnik-Interview als politisch klug. Der Asylkompromiss könne aber trotzdem nicht funktionieren.

„Es war ein Machtkampf, der für beide Seiten nicht leicht zu bestehen ist“, so Patzelt. „In dem es aber die Kanzlerin wesentlich schwerer hatte, als wenn sie eigene Parteifreunde oder —angehörige politisch aus dem Wege räumen musste.“

Gewonnen hat niemand, Merkel aber weniger

Horst Seehofer habe nun sichergestellt, dass die CSU nicht besiegt wird. In der letzten großen Koalition sei es auf die CSU überhaupt nicht angekommen, weil CDU und SPD eine gigantische Mehrheit im Bundestag hatten. Im Unterschied dazu könne die Kanzlerin jetzt nur dann weiterregieren, wenn die CSU an Bord bleibe.

„Dieses gewaltige Druckmittel hat die CSU bis zum äußersten ausgereizt. Man kann zwar nicht sagen, dass Seehofer gewonnen hat, aber man kann in gar keiner Weise sagen, dass die Kanzlerin gewonnen hätte.“

 

„Seehofer sitzt als Innenminister gut“

Seehofer hatte seinen Rücktritt bereits angekündigt, will aber nun doch im Amt bleiben. Nun kursiert im Internet seit dem 2. Juli eine Petition, die fordert, dass der Innenminister Wort hält. Sie sammelte an nur einem Tag 25.000 Unterschriften.

Während die Tage von Horst Seehofer als Parteivorsitzender ohnehin gezählt seien, sieht ihn der Politikwissenschaftler an der Technischen Universität, Patzelt, fest im Sitz des Innenministers: „Ob gefühlsmäßig getan oder rational überlegt – unterm Strich war es ein sehr kluger und politisch weiser Schachzug, den Rücktritt anzubieten. Wäre er als Innenminister gegangen, dann wäre der Sachstreit zwischen CSU und CDU geblieben, und es wäre offenkundig geworden, dass die CSU auf einer Veränderung der politischen Linie der Kanzlerin besteht und dass es keine Personalquerele ist. Hätte die CSU die Position, die Seehofer vertreten hat, aufgegeben, dann wäre vor der gesamten Wählerschaft klar gewesen, dass die CSU eine Partei ist, die keine Solidarität zu ihren Anführern zu pflegen versteht und die es auch nicht mehr vermag, klar einen bestimmten politischen Kurs zu halten.“

Der bereits angekündigte Rücktritt Seehofers habe seine Verhandlungsposition also gestärkt.

Mit härtestmöglichen Bandagen

Weil die bayerische Landtagswahl ein unaufschiebbarer politischer Termin mit existenzieller Bedeutung für die CSU sei, habe die Wahl einen großen Anteil an dem Konflikt gehabt. Patzelt stammt selbst aus Passau in Ostbayern. Er erklärt:

„Die CDU kann es sich leisten, Landtagswahlen zu verlieren, es findet sich dann immer noch das eine oder andere Bundesland, wo sie regieren kann. Die CSU hat kein anderes Land außer Bayern, wo sie regieren und zeigen könnte, wie denn Politik rein nach CSU-Art aussehen könnte. Dieser existenzielle Termin hat die CSU dazu veranlasst, jenen Grundsatzkonflikt, den sie seit 2015 mit der CDU hat, jetzt auszutragen – und zwar mit den härtestmöglichen Bandagen.“

Merkel und Seehofer: „Feind, Todfeind, Parteifreund“

Auch bei der weiteren Zusammenarbeit zwischen Seehofer und Merkel sieht der Politologe kein Problem. In der Politik sei es üblich, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die man nicht möge, außerdem gelte für die Innenpolitik die bekannte Steigerung: „Feind, Todfeind, Parteifreund.“

 

Quadratur des Kreises

Das Ergebnis des Asylkonfliktes bezeichnet Patzelt als den „Versuch einer Quadratur des Kreises“. Leute, die ohnehin schon amtlich festgestellt kein Bleiberecht haben, wolle man nicht in Deutschland haben. Folglich müsse man sie daran hindern, ausländerrechtlich in Deutschland anzukommen. Eine Möglichkeit, dies zu verhindern, wäre, sie an der Grenze zurückzuweisen. Das wolle aber die Kanzlerin nicht. Jetzt einige man sich darauf, dass man sie hinter der Grenze abfange, um sie von dort aus geschlossen in andere Staaten zurückzuführen. Die müssten sich aber vorab bereiterklären, die Flüchtlinge zurückzunehmen. „Das kann nicht gelingen und ist insofern lediglich ein Formelkompromiss. Wir müssen sehen, was in der Praxis aus diesem Kompromiss wird.“

 

Quelle: Sputnik