Wäre ein Nato-Russland-Tauschgeschäft Kaliningrad gegen Krim möglich?

Eine Staatsgrenze ist bedauerlicher- oder glücklicherweise nicht unbedingt absolut konstant. Die politische Weltkarte verändert sich manchmal infolge von Kriegen oder anderen historischen Prozessen – umstrittene Territorien können unter die Kontrolle verschiedener Kräfte geraten.

Im März 2014 sind gleich zwei neue Regionen Russland beigetreten: die Krim und Sewastopol. Aber dieses Ereignis hat  auf einmal die Perspektiven von zwei anderen russischen Gebieten infrage gestellt, auf die ihre früheren Besitzer Ansprüche erheben: das Gebiet Kaliningrad und die Südkurilen. Der russische Senator Andrej Kondratjew warnte neulich: „Seitdem die Krim 2014 wieder Teil Russlands geworden ist, erwägt die Nato ein Programm zum ‚Ausgleich‘ der Krim durch das Gebiet Kaliningrad.“

Das Gebiet Kaliningrad wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 Teil der damaligen Sowjetunion, als Ostpreußen zwischen der UdSSR und Polen aufgeteilt wurde. Moskau bekam damals einen äußerst wichtigen Vorposten in Europa – aus wirtschaftlicher, aber vor allem aus militärischer Sicht. Denn dort liegt ein Stützpunkt der Baltischen Flotte, die unter anderem über Raketen „Kalibr“ verfügt, deren Effizienz während des russischen Einsatzes in Syrien deutlich unter Beweis gestellt wurde.

In der Nato begreift man die militärische Bedeutung des Gebietes Kaliningrad sehr gut, und deshalb gehört die Entfernung dieser russischen „Hochburg“ in der Alten Welt zu den Prioritäten für die Nordatlantische Allianz. Und die Arbeit daran wird schon seit langem geführt – vor allem durch ein ganzes Netzwerk von Non-Profit-Organisationen, die die Bevölkerung des Gebietes entsprechend bearbeiten. Das Problem ist, dass nach dem Zerfall der Sowjetunion inzwischen eine neue Generation aufgewachsen ist, die andere Regionen Russlands nicht einmal besucht hat.

Für diese Menschen ist Russland eher ein abstrakter Begriff – ein riesiges Land irgendwo im Osten, das sie nur auf der Landkarte sehen. Dafür gibt es die richtigen Nachbarn wie Polen, Litauen und Deutschland, mit denen sie wirtschaftlich verbunden sind, wo sie studieren oder den Urlaub verbringen können.

Im Gebiet Kaliningrad verbreiten sich allmählich prodeutsche Stimmungen – die Stadt wird sogar manchmal wieder Königsberg genannt. Deshalb ist es schwer, zu prognostizieren, wie sich die Einwohner im Falle einer längeren militärischen und wirtschaftlichen Blockade verhalten würden, die die Nato-Länder im Falle eines lokalen Konfliktes verhängen könnten. Wer kann denn garantieren, dass die Menschen bei einem Referendum nicht für eine Wiedervereinigung mit Deutschland stimmen würden, wie das auf der Krim passiert ist? Denn die Perspektive, Bundesbürger zu werden und alle entsprechenden Vorteile zu genießen – als Alternative für die Wirtschaftsblockade – könnte für viele Menschen ein gewichtiges Argument werden.

Und die Nato bereitet sich konsequent auf verschiedene Szenarien vor. Es finden permanent militärische Übungen statt. Senator Kondratjew warnte davor offen: „Die Nato baut planmäßig ihre Gruppierungen in den Richtungen aus, die für sie strategisch wichtig sind. So hing die Ostsee-Richtung historisch von drei Aspekten ab: Boden – Land – Luft. In dieser Richtung handeln sie sehr intensiv.“

Schon jetzt sind die Marinekräfte aller Nato-Mitglieder in dieser Region stärker als die russische Baltische Flotte. US-Bomber üben Aktionen zum Verminen der Ostsee aus der Luft, um die russischen Kräfte im Gebiet Kaliningrad zu blockieren. Die USA bauen permanent ihre Militärpräsenz in Polen aus. Auf Nato-Landkarten ist das Gebiet Kaliningrad rot markiert – als potenzielles Ziel. Die Nato-Kräfte üben auch die Blockade der Suwalki-Lücke, die das Gebiet Kaliningrad mit Weißrussland verbindet (Russland und Weißrussland sind Mitglieder desselben Unionsstaates).

Sie bereiten sich in Wahrheit auf einen Krieg vor – das kann man nicht als Verteidigungsziele bezeichnen“, zeigte sich der Senator überzeugt.

Man kann nicht sagen, dass diese Aktivitäten der Allianz in Moskau unbemerkt bleiben. Im Gebiet Kaliningrad sind beispielsweise Raketenkomplexe „Iskander“ stationiert, die eventuell Ziele in Mittel- und Osteuropa treffen könnten. Die Luftabwehr im Gebiet Kaliningrad ist die stärkste in ganz Russland. Im vorigen Jahr fand die gemeinsame russisch-weißrussische Übung „Zapad-2017“ („Westen-2017“) statt. Im Allgemeinen spannt sich die Situation allmählich an.

Sputnik Deutschland