München: Lebenslange Freiheitsstrafe für Angeklagte Zschäpe im NSU-Prozess

Nach über fünf Jahren Verhandlungsdauer kam das Oberlandesgericht München zu einem Urteil im NSU-Prozess. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe ist zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die Verteidiger kündigten Revision beim Bundesgerichtshof an. Auch vier weitere Mitangeklagte wurden verurteilt. 

Das Gericht stellte bei Zschäpe die besondere Schwere der Schuld fest. Spätestens nach 22 Jahren kann Zschäpe ihre Reststrafe zur Bewährung aussetzen lassen. Zschäpe selbst konnte man zwar nicht nachweisen, dass sie bei den Morden ihrer Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhhardt selbst dabei war. Richter Götzl begründete die Mittäterschaft aber dahingehend, dass die Morde „in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit der Angeklagten Zschäpe“ erfolgt seien.

„Die Taten trafen die Opfer völlig überraschend in Alltagssituationen, in denen diese nicht mit einem Angriff rechneten. Darauf kam es den Tätern auch an.“ Zschäpes Beitrag an den Anschlägen sei „von essenzieller Bedeutung“ gewesen, so der Richter im Tenor.

Weiters stellte der Richter fest: „Mittäterschaft erfordert keine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst und auch keine Anwesenheit am Tatort.“ Da auch Zschäpe eine „ausländerfeindliche und antisemitische Ideologie“ vertreten habe, sei ihr eigenes Interesse an der Ausführung der Taten sehr hoch gewesen. Ihr Tatbeitrag sei nach Auffassung des Richter «unverzichtbar» für die Tatausführung gewesen.
Götzl weiter:

 „Zschäpe übernahm einen wesentlichen und unverzichtbaren Tatbeitrag.“ Sie habe gemeinsam mit Mundlos und Böhnhardt das Konzept des NSU entworfen – und zugesagt, im Falle des Auffliegens die Beweise in der Wohnung zu vernichten und die Bekenner-Videos zu versenden. Erst damit, so Götzl, wäre das „finale Ziel der Anschlagstaten“ erreicht worden. Hätte Zschäpe den Männern das nicht versprochen, „wären die Anschlagstaten ihres ideologischen Zwecks beraubt“ worden.

Zschäpe-Anwalt kündigte Revision an

Das Urteil muss vom Bundesgerichtshof überprüft werden. Nach der Verurteilung von Beate Zschäpe kündigte ihr Verteidiger Wolfgang Heer an, Revision einzulegen.

«Die Verurteilung Frau Zschäpes wegen Mittäterschaft an den von Böhnhardt und Mundlos begangenen Morden und Raubstraftaten ist nicht tragfähig begründbar. Wir werden gegen das Urteil Revision einlegen», teilte der Herr in einer Verhandlungspause mit.

Die Revision ist ein Rechtsmittel, wonach ein Urteil von der nächsthöheren Instanz auf Rechtsfehler überprüft wird. Eine neue Beweisaufnahme findet nicht mehr statt.

Der NSU-Prozess war das Gerichtsverfahren gegen fünf Personen, die angeklagt wurden, an den Taten der rechtsextremen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) beteiligt gewesen zu sein, darunter neun Morden an Migranten, einem Polizistenmord, zwei Sprengstoffanschlägen und 15 Raubüberfällen.

Die Hauptverhandlung fand ab dem 6. Mai 2013 unter dem Vorsitz von Manfred Götzl vor dem 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München statt. Die Beweisaufnahme endete im Juli 2017, die Plädoyers im Juni 2018. Das Gericht verurteilte die Begleiterin der beiden ausführenden Täter, Beate Zschäpe, am 11. Juli 2018 wegen Mittäterschaft an diesen Taten und Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung NSU sowie schwerer Brandstiftung zu lebenslanger Haft. Ralf Wohlleben, Holger Gerlach, André Eminger und Carsten Sch. wurden wegen verschiedener Beihilfehandlungen zu zeitigen Haftstrafen verurteilt.

Der Prozess an sich sowie der mediale Umgang stieß medial teilweise auf starke Kritik. Vor allem löste der NSU-Skandal in Deutschland einen Skandal bei Justiz und Politik aus, da die Verflechtungen zwischen Rechtsterroristen und Verfassungschutzämtern enthüllt wurden. Zschäpe selbst war medial vorverurteilt worden und der Prozess an sich dauerte vier Jahre länger als eigentlich geplant. Zu viele Widersprüche sind bis heute über diesen Fall noch nicht aufgeklärt.