Der Fall Butina und die Parallelen zu Anna Chapman

Seit Dienstag sitzt eine russische Bürgerin in den USA in Haft. Sie soll als russische Agentin an einer Verschwörung beteiligt sein. Medien fühlen sich an die Geschichte von Anna Chapman aus dem Jahre 2010 zurückerinnert.

Eine attraktive junge Frau aus Russland mit knallroten Haaren, die sich in bestimmte Kreise eindrängt und echten Einfluss bei Amerikanern sucht. Klingt bekannt? Das liegt daran, dass es zwei Frauen gab: Anna Chapman im Jahr 2010, und jetzt angeklagt Spion Maria Butina, schreibt das Blatt Maxim.

Bislang die Fakten: Eine russische Staatsbürgerin wurde vom FBI verhaftet und ihr soll nun der Prozess wegen Spionage gemacht werden. Der russischen Bürgerin Maria Butina drohen bis zu fünf Jahren Haft in den USA wegen „eines Komplotts zwecks der Arbeit als Agent eines ausländischen Staates“. Man habe die Anschuldigungen gegen sie noch erweitert, hieß es gestern aus den Reihen des US-Justizministeriums. Sie soll konservative Kreise in den USA infiltriert haben.

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Dabei muss man wissen, dass der Tatbestand der «Verschwörung» sehr schwammig ist und ist im angelsächsischen Recht als Conspiracy vertreten. Vergleich mit dem Deutschen Recht wäre er mit der Mitgliedschaft einer Kriminellen Vereinigung, mit dem Unterschied, dass das Vorhandensein einer solchen Vereinigung nach US-Recht so nicht erforderlich ist. Verschwörung ist als werthaft aufgeladener Begriff problematisch: In den allermeisten Fällen impliziert die Verwendung eine moralische oder rechtliche Distanzierung von dem so beschriebenen Vorhaben.

Im Falle Butina soll eine angebliche Lobbyarbeit für die russische Regierung ohne die dazu erforderliche Registrierung eine solche Verschwörung darstellen.

Man kann also fast meinen, dass man in den USA alles an Opposition mit Verschwörung strafbewehrt aus dem Weg räumen kann. Vielfach werden solche Prozesse und Verhaftungen auch medial flankiert, um somit das Handeln des Staates besser zu legitimieren. Wie es auch hier der Fall ist und bei Chapman der Fall war, deren Treffen mit US-Geschäftsleuten bereits für eine Verurteilung wegen Verschwörung gereicht hat.

Viele Beobachter sehen in diesem Fall Ähnlichkeiten mit dem Fall Anna Chapman, der sich Sommer 2010 in den USA abspielte. Laut Wikipedia war die Tochter eines Ex-KGB-Offiziers Mitglied in einem russischen Spionagering und wurde im Juli 2010 gegen vier Gefangene eingetauscht, darunter auch der Ex-GRU-Oberst Sergej Skripal, der wegen der Nowitschok-Affäre im März diesen Jahres von sich Reden machte.

Bildergebnis für anna butina

Nach acht Jahren wurde nun wieder eine rothaarige russische Bürgerin in den USA wegen Spionage verhaftet, was Medien wie die Maxim auch dazu veranlasst, die Parallelen aus diesen beiden Geschichten zu ziehen. Damals wie Chapman wirft man Butina vor, sich in die höheren Kreise eingeschlichen zu haben. Im letzten Fall soll Butinas Auftrag gewesen sein, Trump-Anhänger mit Putin-Freunden zusammenzubringen. Im Stern schreibt man unter anderem wie folgt über diesen Fall:

Butina soll an einer «Verschwörung» der russischen Regierung zur verdeckten Einflussnahme auf die US-Politik beteiligt gewesen sein. Fest steht, dass sie sich ein weitverzweigtes Netzwerk aufgebaut hatte. Dazu setzte sie eine Vielzahl von Mitteln ein — ihre Waffenliebe, ihre guten Englischkenntnisse, ihr offenbar kontaktfreudiges Wesen. Und wohl auch Sex.

Butina hat «Anna Chapman die Schau gestohlen», resümiert man am Ende und man spricht über ein Video, das sie mit dem US-Präsidenten zeigen soll. Eine denkwürdige Begegnung mit Donald Trump, wie es heißt. Denkwürdig ist auch der Moment der Verhaftung, die just am Tag nach dem Treffen zwischen Donald Trump und Wladimir Putin stattgefunden haben soll. Denkwürdig ist auch, dass sich über diese Geschichte viele westliche Hochglanz-Magazine und Medien stürzen und unhinterfragt die Vorwürfe gegen sie durch das FBI und die US-Justiz übernehmen.

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Über die Widersprüche in diesem Fall sieht man aber gerne hinweg. Zunächst trat Butina in Russland erstmals öffentlich in Erscheinung. Und nein, nicht als kremltreue Putin-Verstehin, sondern als Oppositionelle, die enge Kontakte mit Putin-Gegner Alexej Nawalny pflege. Das sagt zumindest ein Wikipedia-Artikel aus, der inzwischen gelöscht wurde.

Der russische Botschafter in den USA, Anatoli Antonow, bewertet diese Geschichte als Face, „es gibt in diesem Fall nichts Neues“, sagte er. Butina selbst bekennt sich ebenfalls nicht schuldig. Tatsächlich ist die Hexenjagd auf russische Bürger, insbesondere in USA nach der US-Wahl im Jahre 2016, nichts Neues.

Doch was möchte man mit einer jungen russischen Bürgerin erreichen, die man nun als ausländische Agentin gefangen hält? Will man wieder einen Austausch von Gefangenen anregen, wie es bereits 2010 der Fall war? Will man das Sommerloch nach der WM wieder mal mit einer neuen Agentengeschichte füllen, nur diesmal ohne die Toten und Vergifteten?