Die japanische Nachrichtenagentur Kyodo News berichtet unter Berufung auf den Zentralen Militärrat Chinas, dass die aktuellen Militärreformen im Reich der Mitte eine Ausweitung der Militärpräsenz und des Einflusses weit vor den eigenen Grenzen vorsehen. Nicht auszuschließen sei sogar, dass Chinas Militärstärke die der USA übertreffen könnte.
Zu den wichtigsten Entwicklungsrichtungen der chinesischen Streitkräfte gehören laut den strategischen Bestimmungen Pekings die Vorherrschaft im Weltozean, die Handlungsfreiheit im Weltraum, die Entwicklung der Atomstreitkräfte und die Vorherrschaft im Cyberraum. Dabei wurden in der jüngsten Fassung des chinesischen „Weißbuchs“ die USA und Japan zum ersten Mal als Länder bezeichnet, die die strategische Situation in der Umgebung der Volksrepublik destabilisieren und deren Vorgehen einen Konflikt provozieren könnte.
Peking neigt zur „Strategie der aktiven Verteidigung“, was zu bedeuten hat: „China wird nie als erster angreifen, aber im Falle eines Angriffs auf sein Territorium einen Gegenschlag versetzen.“ Diese These sollte man unter Berücksichtigung des Problems der umstrittenen Gebiete im Südchinesischen Meer betrachten, die Peking für sein „souveränes Territorium“ hält. Jegliche Verletzung dieser „Souveränität“ könnte es als Angriff auf sein Territorium deuten und entsprechend handeln.
Im November 2015 wurden in der chinesischen Armee umfassende Reformen ausgerufen. Laut dem Staatspräsidenten Xi Jinping gelten sie für alle wichtigsten Glieder des strategischen Verwaltungssystems im Bereich der Verteidigung und der Staatssicherheit im Allgemeinen. Die Reformierung der Volksbefreiungsarmee ist unmittelbar mit dem Aufbau des „Sozialismus mit chinesischer Spezifik“ verbunden, mit der Festigung der Führungsrolle der Kommunistischen Partei in allen wichtigsten Lebensbereichen des Landes. Gleichzeitig entspricht die Etablierung hochmoderner Streitkräfte der von Xi Jinping zwei Jahre zuvor verkündeten langfristigen strategischen Aufgabe „zur Verwirklichung des Traums von der großen Wiederbelebung der chinesischen Nation“.
Die Reform ist auf die Erhöhung der Effizienz der Volksbefreiungsarmee bei der Lösung von äußeren Problemen der nationalen Sicherheit ausgerichtet. Die Streitkräfte müssen imstande sein, eventuelle lokale Kriege zu gewinnen. Planmäßig sollte die Reform bis 2020 vollständig umgesetzt werden. Übrigens hatte man in Peking noch 2010 das Jahr 2020 als Zeitpunkt für „ernsthafte Fortschritte“ beim Aufbau „informatisierter Streitkräfte“ bezeichnet. Die Reform hat schon zu revolutionären Veränderungen geführt und könnte die Streitkräfte dank des Ausbaus des wirtschaftlichen und militärischen Potenzials des Landes zu den besten in der ganzen Welt machen.
Auffallend ist, dass das Ziel der Reform inzwischen nicht nur die Überlegenheit im Asien-Pazifik-Raum ist (wie es bis vor einigen Jahren galt), sondern in der ganzen Welt: Im Februar wurden die Ergebnisse einer Sitzung des Zentralen Militärrates veröffentlicht, und dort hieß es, dass die Volksbefreiungsarmee ihre Kräfte nicht nur im Küstengebiet (wie früher) konzentrieren sollte, sondern auch auf dem Festland, im Meer und in der Luft. China brauche inzwischen „eine allumfassende Verteidigung der eigenen Sicherheit weltweit“.
Dieses Vorgehen der Volksrepublik zwingt die USA zu Gegenschritten: Ihre Offensive begannen sie mit dem Handelskrieg, den Präsident Donald Trump im Juni erklärte. Die damit verbundenen Wirtschaftsschäden werden auf 200 Milliarden Dollar geschätzt.
Eine andere „Zielscheibe“ ist die gerade entstandene russisch-chinesische Wirtschaftsunion. Wie der russische Präsident Wladimir Putin erklärte, hat das gegenseitige Zusammenwirken inzwischen „einen beispiellos hohen und qualitätsvollen Charakter“. Xi Jinping ist mit seinem russischen Amtskollegen völlig einverstanden, die bilateralen Beziehungen werden zur außenpolitischen Priorität für beide Länder.
Nach Auffassung des Westens sind dermaßen enge Kontakte zwischen Moskau und Peking gefährlich für die USA und deren Verbündete. Deshalb bemüht sich Washington quasi um die Wiederholung eines 50 Jahre alten Szenarios: An den Plan, der einst gegen die Sowjetunion funktioniert hatte, erinnerte neulich der 95-jährige frühere US-Außenminister Henry Kissinger, der schon immer die große Bedeutung des Dialogs mit Moskau unterstrich und 2016 sogar Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften wurde. In Amerika achtete man zwar nicht immer auf seine Meinung, doch das führte oft zu geopolitischen Niederlagen Washingtons, von denen die größte die Entstehung der politischen und wirtschaftlichen Union Pekings und Moskaus nach einer langjährigen Konfrontation wurde.
Die Kontroversen zwischen den Seiten spitzten sich 1956 zu, als Mao Zedong die Politik des sowjetischen Staatschefs Nikita Chruschtschow nicht unterstützen wollte, weil sie nach seiner Auffassung den Ideen des Kommunismus widersprach. Es begann eine Epoche der russisch-chinesischen Anspannung, 1969 kam es zu einem bewaffneten Konflikt auf der Insel Damanski. 1971 besuchte Kissinger als US-Außenminister China im Vorfeld eines bilateralen Gipfels, der ein Jahr später stattfand. Und am Ende bekam Amerika von den Chinesen das, was es damals am meisten brauchte: den Bruch mit der Sowjetunion.
Kissinger findet, dass eine Verbesserung der russisch-amerikanischen Partnerbeziehungen zu einer neuen Anspannung zwischen Moskau und Peking führen könnte. Und ein aggressives China an den russischen Grenzen wäre für die Sicherheit Russlands sehr gefährlich. Aber das Zusammenwirken Moskaus und Pekings trägt zu ihrer militärischen Kooperation bei.
Quelle: Sputnik