Werden die Drusen die letzten Opfer des IS in Syrien sein?

Nach dem Massaker im syrischen as-Suwaida: Die Wut der Drusen in Israel, im Libanon und in Syrien

von Kamal Sido

 

 

Zuletzt habe ich die Drusen in Israel und auf den Golanhöhen im April 2018 besucht. Mit meinen drusischen Freunden diskutierten wir über viele Themen, darunter über den rechtlichen Status der Drusen in Israel und auf den von Israel besetzten Golanhöhen. Unsere Kommunikationssprache war nicht Englisch oder Hebräisch, sondern Arabisch.

Die Muttersprache der Drusen Israels ist nämlich die arabische Sprache. Sie alle sprechen nahezu den gleichen arabischen Dialekt, der auf der syrischen Seite, wo ich geboren bin, gesprochen wird. Die Drusen in Israel beschäftigt an diesen Tagen nicht nur die Diskriminierung durch das neue israelische «Nationalitätengesetz», sondern auch ein anderes Thema: Das Schicksal ihrer Schwester und Brüder im vom Bürgerkrieg erschütterten Nachbarland Syrien.

«Wir werden unsere Geschwister in Syrien niemals im Stich lassen, sollten sie wieder von Islamisten angegriffen werden», hörte ich fast von jedem Drusen, mit dem ich Gespräche geführt habe. «Im Herzen Druse, in der Verfassung israelischer Staatsbürger», hörte ich auch bei einem früheren Besuchen in Israel. Wie Israels Drusen ihren Glaubensgeschwistern in Syrien zur Hilfe eilen würden, wurde nicht konkretisiert.

Tatsächlich haben die radikalen sunnitischen Kämpfer vom «Islamischen Staat» (IS) die friedlichen drusischen Dörfer im Osten der südsyrischen Provinz as-Suwaida am 25. Juli massiv angegriffen. Bei diesen Angriffen wurden mindestens 255 Zivilisten getötet, mehr als 200 verletzt und 35 meist junge Frauen entführt.

IS Kämpfer gingen nach dem gleichen Muster vor, wie sie es gegen kurdische Yeziden (auch: Esiden oder Jesiden) und Muslime im nordwestlichen irakischen Sinjar im August 2014 oder im nordsyrischen Kobane in Juni 2015 taten. Sie kamen in der Nacht, um vorzutäuschen, normale Nachbarn zu sein. Wenn die Bewohner die Türen öffneten, griffen die Islamisten zu Messern und massakrierten ihre Opfer.

Ende Juli 2018 veröffentlichte der IS die Bilder von 14 verängstigten jungen Mädchen und Frauen, die in ihrer Gewalt befinden und stellten die Forderung: Entweder stellt die Armee der arabischen Republik ihre Offensive gegen die «syrischen Revolutionäre» im Jarmuk-Tal ein oder es würde den drusischen Geiseln, Frauen, «Schaden zugefügt». Die Bilder zeigen die Geiseln vor dem Hintergrund der schwarz-weißen Flagge des IS.

Der IS rechtfertigt seine Angriffe auf as-Suwaida mit einer Offensive der Armee der Arabischen Republik Syrien auf die IS-Enklave in Südsyrien. Einige Drusen werfen der Regierung in Damaskus vor, sie nicht genug geschützt haben. Das soll eine Racheaktion Damaskus für die Verweigerung vieler Drusen des Militärdienstes seien.

Sie beschuldigten außerdem die Regierung Assads, im Mai IS-Kämpfer in die syrische Wüste versetzt zu haben, nachdem sie ihre Festung in Yarmouk bei Damaskus aufgegeben hatten. Andere Drusen verdächtigen die von den USA unterstützen syrischen Islamisten, mit dem IS kooperiert zu haben. Diese syrischen islamistischen Rebellen sind etwa 100 Kilometer im Osten, in der Wüste in der Nähe der US-geführten Basis in al-Tanf an der Grenze zu Jordanien, stationiert.

Die verschiedenen Verschwörungstheorien über den IS-Angriff auf as-Suwaida führten zu einem Groll unter den Drusen. Fakt bleibt, dass die Drusen gegen die sunnitischen Islamisten besser geschützt werden müssen. Sowohl die Regierung in Damaskus, als auch in den USA, Israel und in Jordanien sind aufgefordert, mehr für den Schutz der Drusen zu tun.

Die brutalen Angriffe der Islamisten auf die drusische Minderheit in Syrien hat eine Welle der Empörung bei den Drusen in Syrien, Libanon und vor allem in Israel ausgelöst. Tausende Drusen im israelischen Galiläa und auf den Golanhöhen versammelten sich Ende Juli um gegen das Massaker an ihren Glaubensgenossen in Syrien protestieren. Es wurde diskutiert, wie die Drusen in Israel den Drusen in Syrien zur Hilfe kommen könnten.

Die internationale Staatengemeinschaft sollte dringend reagieren und die Drusen in Syrien vor den Angriffen der radikalen Sunniten schützen. Die Tatenlosigkeit der internationalen Staatengemeinschaft insbesondere der Regierungen in Israel, Libanon und Jordanien, könnte die Lage in den drei Nachbarländer destabilisieren.

Die Drusen in diesen Ländern gehören zwar zu den zahlenmäßig kleineren Minderheiten, sind dort jedoch etablierte und gut organisierte Gemeinschaften. Sie werden nicht länger tatenlos zusehen, wie ihre Glaubensschwestern und — brüder in Syrien von radikalen Sunniten maskiert werden.

Vor drei Jahren, am 22.Juni 2015, haben «etwa 100 Drusen einen israelischen Krankenwagen Magen David Adom auf dem Weg zum Krankenhaus gestoppt und einen verwundeten Syrer zu Tode geprügelt». Mit dieser brutalen Lynchaktion wollten die Drusen ihre Wut gegen die Politik der israelischen Regierung zur Sprache bringen.

Denn die Drusen auf den von Israel besetzten Golanhöhen und in ganz Israel «haben ein Problem mit Israels Behandlung von syrischen Verwundeten in Israels Krankenhäusern». Die Drusen sind der Meinung, dass es sich nicht um normale syrische Bürger handelt, sondern um syrische islamistische Rebellen, die nicht nur die syrische Armee, sondern auch ihre drusischen Geschwister in Syrien vernichten wollen.

Aus diesem Grund haben die israelischen Sicherheitskräfte die Bewachung der syrischen Verwundeten in den nördlichen Krankenhäusern drastisch verstärkt. Tatsächlich verfolgt Israel eine «pragmatische» Politik in Syrien. Es scheint, als seien für die israelische Regierung nicht die sunnitischen «Anti-Regierungs»-Islamisten ein Problem, sondern die vom Iran unterstützten schiitischen Islamisten. Israel will wohl verhindern, dass proiranischen Schiiten im Süden Syriens, nahe der Grenze zu Israel, Fuß fassen.

Nach diesen Zwischenfällen gab es intensive Gespräche zwischen der israelischen Regierung und Vertretern der drusischen Gemeinschaft Israels. Es wird vermutet, dass Israel seine Kommunikationskanäle zu den syrischen sunnitischen Islamisten nutzte, um die Angriffe auf Drusen zu beenden. Tatsächlich wurden danach kaum Angriffe auf die Drusen auf der syrischen Seite gemeldet.

Auch in anderen Teilen Syriens waren die Drusen immer wieder Opfer von islamistischen Attacken. Informationen der GfbV zufolge kam es Anfang Juni 2015 zu einem Massaker an Drusen in der Bergregion Simaq in der im Nordwesten Syriens gelegenen Provinz Idlib. Etwa 20 Drusen seien durch Angehörige der al-Nusra Front sowie verbündete Gruppen der islamistischen Opposition getötet worden.

In dieser Region gibt es 17 drusische Siedlungen mit bis zu 30.000 Einwohnern. Am 4. September kamen GfbV-Informationen zufolge bei zwei Bombenanschlägen in der Stadt as-Suwaida der drusische Würdenträger Sheikh Wahid al-Balous sowie 26 weitere Menschen ums Leben.

 

 

 

Quelle: TP