Libyen ruft nach Rettern aus Russland

Seit dem Sturz Muammar Gaddafis tobt in Libyen ein Bürgerkrieg. Der einst florierende Ölstaat im Norden Afrikas ist von westlichen Besatzern verwüstet worden – Warlords, Clans und Terrorgruppen beherrschen seither das Staatsgebiet. Einflussreiche libysche Politiker rufen nun Moskau zu Hilfe.

 

 

Von Russlands Erfolgen im Kampf gegen den Terror in Syrien überzeugt, sprechen sich libysche Politiker für einen Einsatz russischer Streitkräfte auch in Libyen aus. Schließlich hat es die syrische Führung mit russischer Unterstützung geschafft, rund 80 Prozent des syrischen Gebietes von den Terroristen zu befreien.

„Das libysche Volk ist sich darüber im Klaren, dass es in dieser schwierigen Zeit einen starken Verbündeten braucht“, sagte Brigadegeneral Ahmed Al-Mismari von der Libyschen Nationalen Befreiungsarmee. Das libysche Problem brauche eine Einmischung „Russlands und Präsident Putins persönlich“. Es gehe auch darum, „ausländische Akteure“ aus Libyen zu „entfernen“, solche wie „die Türkei, Katar und Italien“, sagte der General.

Derzeit sieht die Lage in Libyen so aus: Die Hauptstadt Tripolis und der Nordwesten des Landes werden von der prowestlichen Regierung beherrscht. Diese ist mit Unterstützung der Nato geschaffen und durch die Vereinten Nationen anerkannt worden.

Die östlichen Gebiete des Landes werden von der Libyschen Nationalen Befreiungsarmee unter der Führung von General Chalifa Haftar kontrolliert. Rein rechtlich gesehen untersteht diese Armee dem libyschen Parlament, das in der Stadt Tobruk ansässig ist.

General Haftar hat traditionell gute Verbindungen nach Moskau. Schon seit Sowjetzeiten nutzt die libysche Armee russische Waffentechnik und Munition. Indes hat die russische Führung offiziell nur die Regierung in Tripolis anerkannt.

Außer den beiden größten Machtzentren – die offizielle Regierung in Tripolis und die Nationale Befreiungsarmee im Nordosten – halten etliche Terrormilizen wie die Al-Qaida und der IS weite Landstriche Libyens unter ihrer Kontrolle. Zur Bekämpfung dieser Extremisten rufen libysche Politiker nun Russland zu Hilfe.

„Russland könnte schon helfen, um die radikalen Islamisten zu bekämpfen, ohne sich dabei in den innerlibyschen Konflikt einzumischen“, sagt der russische Nahostexperte Boris Dolgow. „Terrorgruppen wie den IS* oder die Al-Qaida zu zerschlagen, das könnte Russland schon leisten – es verfügt ja bereits über ausreichend Erfahrung im Anti-Terrorkampf. Insofern hat die Initiative der libyschen Politiker einen vernünftigen Kern.“

Die Moskau-Kontakte von General Chalifa Haftar jedenfalls erweisen sich für ihn schon jetzt als politischer Vorteil: „Die Besuche des Generals in Russland haben ihn auf der politischen Landkarte Libyens auf ein anderes Level gehoben“, sagt Brigadegeneral Ahmed Al-Mismari von der Libyschen Nationalen Befreiungsarmee.

General Haftar hat Moskau in den zurückliegenden Jahren mehrmals besucht. Dabei traf er sich mit Vertretern des russischen Außen- und Verteidigungsministeriums sowie des russischen Sicherheitsrats.

Im Januar 2017 besuchte Haftar den russischen Flugzeugträger „Admiral Kusnezow“. Dort besprach er bei einer Videokonferenz mit dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu die Sicherheitslage im Nahen Osten. Außerdem erhielt der libysche General eine Ladung Medikamente zur Versorgung von Soldaten und Zivilisten in Libyen.

General Haftar ist kein legitimes Staatsoberhaupt und kann deshalb – anders als der syrische Präsident Assad – die russischen Streitkräfte nicht dazu einladen, in seinem Land zu intervenieren. Anderenfalls würde die russische Einmischung von der Völkergemeinschaft als Aggression gewertet – mit allen daraus folgenden Konsequenzen.

Zudem könnte Russland bei einem Engagement in Libyen auf die Interessen anderer Staaten stoßen: Katars, der Türkei, Saudi-Arabiens, von den USA und der von ihnen geführten Nato ganz zu schweigen.

Wenn Russland aber doch Hilfe bei der Zerschlagung radikaler Islamisten in Libyen leisten soll, dann ist die wahrscheinlichste Variante ein inoffizieller Einsatz mittels privater Sicherheitsfirmen.

Nur müsste dieser sicherlich teuer bezahlt werden. Alles, was Libyen noch zu geben hat, ist Erdöl. Historisch bedingt ist es jedoch so, dass das Nachbarland Italien Ansprüche auf die libyschen Erdölfelder erhebt.

Das Engagement russischer Sicherheitsfirmen in Libyen könnte also Moskaus Verhältnis zu Rom belasten. Dabei ist Italien eines der EU-Länder, die sich für eine Aufhebung oder zumindest Lockerung der Anti-Russland-Sanktionen starkmachen.

 *Islamischer Staat, auch IS, eine in Russland verbotene Terrorvereinigung.

 

 

Quelle: Sputnik

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