In Deutschland bejubelt, in Russland kritisiert: Die Doppelzüngigkeit der Leitmedien im Umgang mit Hasspostings

Aktuell liest man in der westlichen Medienlandschaft regelmäßig Artikel, die sich kritisch bis hetzerisch mit der Strafverfolgung von Onlineaktivitäten in Russland befassen. Gestern berichtete die Süddeutsche Zeitung (SZ) über Fälle in Russland, wo Polizei und Justiz angeblich drakonische Strafen für das Hochladen von Bildern, worauf Schwarze und Priester beleidigt werden. Vieles kommt hier einem bekannt vor — und zwar aus Deutschland.

Liest man sich die Geschichten bis zum Ende durch, könnte man meinen, dass Deutschland Außenminister Heiko Maas nebenbei auch als Russlands Justizminister agiert.  Denn wenn man  die ganzen Horrorgeschichten aus Russland durchliest, fühlt man sich stark an Deutschland 2015 erinnert, als dort Facebook-Nutzer wegen Anti-Flüchtlings-Postings auf einmal die Polizei in der Wohnung hatten. Wegen sogenannten Hasspostings in sozialen kam es in den letzten Jahren immer wieder zu bundesweiten Razzien. Es gab sogar schon Haftstrafen, wie beispielsweise Die Zeit online schreibt.

 «Die Regeln zur Internetnutzung werden immer strenger in Russland. Wer sich für Geschichte, Politik, Religion oder die soziale Lage im Land interessiert und seine kritische Meinung ausdrücken möchten, geht ein Risiko ein», resümiert die Süddeutsche Zeitung, nachdem man den Fall Maria M. aus einer russischen Kleinstadt vorstellte.

Über diesen Fall schreibt man gerne in den letzten Wochen: Die Wohnung der Russin wurde von drei Polizeibeamten durchsucht, nachdem sie auf VK Bilder hochgeladen haben soll, die Schwarze und orthodoxe Priester in beleidigender Weise abgebildet haben. Doch damit nicht genug: bereits ein Klick auf VK kann in Russland gefährlich werden, wenn man der Süddeutschen und ihren Geschichten glauben schenkt. 

Es werden weitere Fälle dargestellt, die stark an das erinnern, was momentan in Deutschland passiert: Von Kündigung bis Knast wegen Kritik an Muslime und anderen Minderheiten. Auch über die die in Russland stattfindende Internetüberwachung und intensivere Strafverfolgung wegen Hass im Internet gegen Ausländer und Priester. Kritisch beleuchtet wird auch die Tatsache, dass die Anbieter sozialer Medien mit den russischen Behörden zusammenarbeiten müssen. Ob die Geschichten alle nun so stimmen oder nicht, das sei hier mal dahingestellt.

Sie haben alle aber eines gemeinsam: Sie erinnern stark an die Vorgänge, die seit 2015 in Deutschland stattfinden. Mit dem Unterschied, dass die Sperrungen, Denunzierungen und Verfolgungen in den letzten drei Jahren wegen Postings nicht auf Facebook, YouTube oder Twitter stattgefunden haben. Und mit dem Unterschied, dass die Leitmedien mehr oder weniger wohlwollend darüber berichtet haben, wenn beispielsweise jemand von der Polizei überrascht wurde, wenn er dort gegen Flüchtlinge gehetzt hat.

Zugegeben, es gab auch kritische Artikel über das vom damaligen Justizminister Maas angestrengte Netzwerkdurchsetzungsgesetz, ein Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken, auch Facebook-Gesetz genannt. Das Gesetz trat im Oktober in Kraft und immer mehr Medienmacher aus dem kritischen Spektrum klagen über Zensur und politische Verfolgung, oftmals zu Recht, weil viele Sperrungen und Löschungen nicht gerechtfertigt sind.

Das Facebook-Gesetz soll unter anderem amerikanische Internetkonzerne zur Kooperation mit den Deutschen Behörden zwingen, zur Erleichterung der Strafverfolgung. In Russland wehrt sich der mit dem Kurznachrichtendienst vergleichbare Anbieter Telegram gegen eine solche Kooperation und ist seit Frühjahr deswegen offiziell verboten. Grund genug für  Kritik bei der Süddeutschen Zeitung.

«Da die Nutzung populärer Netzwerke wie VKontakte gefährlich werden kann, sehen sich immer mehr Russen nach Alternativen um — nach solchen, auf denen sie anonym kommunizieren können, ohne zu viele Daten zu hinterlassen. Vor allem die Smartphone-App Telegram wächst rapide, sie ist der einzige Messenger-Dienst, auf dem man sich heute in Russland noch frei unterhalten kann», schreibt die Süddeutsche Zeitung am Ende.

Da die Nutzung von Netzwerken wie Facebook und Twitter gefährlich werden kann, erlebte der VK einen erheblichen Zulauf aus Deutschland, was vielen Deutschen Medien aber nun auch nicht gefällt. «Immer mehr Nazis auf Russen-Facebook», beklagen Deutschland Mainstream-Medien dann. Vielleicht auch deswegen, weil VK nicht in den Anwendungsbereich des NetzDGs fällt. Das Gesetz greift erst dann, wenn sich dort mindestens 2 Millionen Deutsche registriert haben, wovon man im Moment noch weit entfernt ist.

Was wären westliche Medien ohne ihre Horrorgeschichten aus Russland. Was allerdings stimmt ist, dass der russische Inlandsgeheimdienst ein Auge auf das Internet und VK geworfen hat. Das enthüllte beispielsweise das angeblich vom Kreml gesteuerte Transparenzportal WikiLeaks Mitte September 2017, wo die Zusammenarbeit des FSB mit dem Internetdienstanbieter Peter Service mit zahlreichen Belegen dokumentiert wurde. Hier bietet sich — wie auch bei der NSA-Affaire — eine kritische Berichterstattung an.