AfD-Wahlkampffinanzierung: Heimatlos und illegal?

Aktuelle Informationen nähren Zweifel, ob die AfD ihre Wahlkämpfe rechtmäßig finanziert hat. Darüber berichten zwei Wochenzeitungen aus Deutschland und der Schweiz. Dabei werden erneut Finanzierungsquellen aus der Schweiz genannt, ebenso Verbindungen zur neoliberalen Finanzelite.

von Tilo Gräser

 

 

Bereits zweimal machten Funktionäre der Partei Alternative für Deutschland (AfD) deutlich, wie eng sie mir der Schweiz verbunden sind: Im Bundestagswahlkampf 2017 warb die AfD in Nürnberg digital mit dem Spruch „Hol dir dein Land zurück“ – vor einem Bild des Schweizer Matterhorns. Im Juli dieses Jahres rief die AfD-Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel per Tweet aus dem Urlaub auf: „Ist der Weg auch noch so steinig, werden wir diesen zusammen meistern. Holen wir uns unser Land zurück.“ Dabei stand sie mitten in den Bergen der Schweiz, wo sie auch lebt.

Was wahrscheinlich aus Versehen geschah, erinnert an die tatsächlichen engen Verbindungen der deutschen Partei in das Land zwischen den Alpen. Darauf machen aktuell die deutsche Wochenzeitung „Die Zeit“und die Schweizer Wochenzeitung „WOZ“ aufmerksam. Die AfD hatte sich Ende Juni vom „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“ distanziert, der die Partei unterstützte. Doch diese Verbindungen seien enger gewesen als bisher bekannt, schreiben die beiden Zeitungen.

Millionenschwere Kampagnen

Der Verein, kurz „Recht und Freiheit“, hat laut „Zeit“ die AfD-Wahlkämpfe „mit millionenschweren Kampagnen“ unterstützt. Es gebe zunehmend „Hinweise darauf, dass zumindest einzelne hochrangige Parteimitglieder in engem Kontakt zu Vertretern der Unterstützergruppe gestanden haben“. Dabei werden der AfD-Vorsitzende und Fraktionschef Alexander Gauland und Jörg Meuthen, ebenfalls Parteivorsitzender und Bundestagsabgeordneter, genannt.

„Zeit“ und „WOZ“ nennen als Kontaktmann zwischen Partei und Verein Josef Konrad, selbst AfD-Mitglied und Werbetexter. Konrad habe mit seiner Agentur „Polifakt Medien“ nicht nur für die Partei gearbeitet, sondern sei auch als Verantwortlicher für den Vereinsvorgänger „Vereinigung zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“ aufgetreten.

Falsche Behauptungen?

Die Recherchen der Zeitungen verweisen auf zahlreiche Kontakte und Finanzgeschäfte zwischen Partei und Verein bzw. Konrad. „Es besteht der Verdacht, die AfD könnte gegen das Parteiengesetz verstoßen haben“, so „Die Zeit“. Die „WOZ“ macht auf Alexander Segert aufmerksam. Der hatte kürzlich behauptet, seine Schweizer Werbeagentur Goal AG „hat noch nie für die AfD gearbeitet oder einen Auftrag von der AfD erhalten“. Segert habe aber zugegeben, seine Agentur habe die Administration und den grafischen Auftritt des Vereins „Recht und Freiheit“ betreut.

Im ARD-Sommerinterview hatte AfD-Parteivorsitzender Meuten unlängst behauptet: „Wir haben mit dem Verein nie zusammengearbeitet. Die haben von sich aus wahlkampfunterstützende Maßnahmen ergriffen.“ Die „WOZ“ schrieb dazu: „Ausgerechnet Meuthen, dessen eigene Wahlkampfwebsite von der Goal AG erstellt wurde, angeblich als ‚Freundschaftsdienst‘.“

Umgangenes Parteiengesetz

Die Bundestagsverwaltung habe der AfD in den letzten Monaten wiederholt Fragen zum Sponsoring der Website von Meuthen durch die Goal AG gestellt. „Das hat die Partei wohl nervös werden lassen“, so die „WOZ“: „Denn die Verwaltung kann ihre Ermittlungen jederzeit ausdehnen, wenn ausreichende Verbindungen zwischen der AfD und dem Unterstützungsverein belegt sind.“

Aber, so die Schweizer Zeitung: „Segerts Dementi, nicht für die AfD zu arbeiten (wohl aber für den Verein), Meuthens Distanzierung, nichts mit dem Verein zu tun zu haben, passen perfekt zusammen: Ohne Kontakt liegt auch kein Verstoß gegen das Parteiengesetz vor.“

Frühere Recherchen

Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hatte 2016 über die „anonymen Gönner der AfD“ aus der Schweiz berichtet. Die Recherchen zeigten, dass die AfD sich in Wahlkämpfen von den gleichen Personen und Agenturen unterstützen lässt wie die rechte Schweizer Volkspartei (SVP). Die dabei entstandenen Werbematerialien glichen sich von den ausländerfeindlichen Themen bis zur Gestaltung.

Das Magazin wies auf zahlungskräftige Spender hin, „die sich nicht offen zu den Rechtspopulisten bekennen wollten“. Das ganze Konstrukt wurde vom „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“ gestützt.

Die Organisation „LobbyControl“ veröffentlichte 2017 genauere Angaben zur verdeckten Wahlkampfhilfe für die AfD über die Schweiz. Dabei würden die Regeln des Grundgesetzes zur Parteienfinanzierung umgangen. „LobbyControl“ schätzte, „dass die Kosten für die Wahlwerbung bei mindestens mehr als sechs Millionen Euro liegen“. Das Fazit: „Somit dürfte es sich bei der verdeckten AfD-Wahlwerbung um die wahrscheinlich größten intransparenten Geldflüsse der letzten Jahre zugunsten einer einzelnen Partei handeln.“

Schweizer Spuren

Mit den Geldern wurden Millionen von Exemplaren der inoffiziellen AfD-Wahlzeitung „Extrablatt“ und Tausende von Großflächenplakaten in den Wahlkämpfen in Rheinland-Pfalz, Berlin, Baden-Württemberg, Saarland und Mecklenburg-Vorpommern finanziert, bezahlt von dem dubiosen Verein mit der Abkürzung „Recht und Freiheit“. Bei der Bundestagswahl wurden unter Anderem neun Ausgaben der informellen Parteizeitung „Deutschland-Kurier“ mit jeweils 300.000 kostenlosen Exemplaren finanziert, so „LobbyControl“. Auch im Herbst 2017 bezahlte der Verein mehrere Tausend Großflächenplakate und Anzeigen in Zeitungen.

Die Spur dieses Geldes führt laut den Korruptionsbekämpfern in die Schweiz. Einzelne AfD-Politiker hätten „direkt von heimlichen Zahlungen“ der Schweizer PR-Agentur Goal AG profitiert, die als ein „zentraler Akteur“ hinter dem „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlicher Freiheiten“ agiere. Die Werbeagentur hatte zuvor für die SVP gearbeitet. Die AfD-Politiker Jörg Meuthen, Markus Pretzell und Guido Reil sind laut „LobbyControl“ von der Schweizer Goal AG mit geldwerten Zuwendungen und Dienstleistungen bedacht worden (Plakate, Internetauftritte, Kosten für Veranstaltungen).

Milliardenschwerer Gönner?

Die Tageszeitung „Die Welt“ hatte bereits 2013 von Informationen der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) berichtet, nach denen der Mövenpick-Milliardär August von Finck den AfD-Wahlkampf von der Schweiz aus finanziert. Die KAS-Rechercheure der Adenauer-Stiftung hätten „eine bereits existierende Verbindung der AfD zum Mövenpick-Konzern gefunden: Beatrix von Storch, die als Vorsitzende der sogenannten Zivilen Koalition, einer Organisation, die viele Anti-Euro-Kampagnen initiiert hat, und als Unterstützerin auf der Webseite der AfD geführt wird“. Aus dem Stiftungspapier wurde zitiert: „Die Adresse der Zivilen Koalition stimmt mit der PR-Abteilung von Mövenpick Germany, das zum August-von-Finck-Imperium gehört, überein.“

Auch das Onlinemagazin „Telepolis“ hatte 2017 Informationen über die „trüben Finanzquellen“ der AfD zusammengetragen. Dabei wurde auf die regen Kontakte der rechten Partei in die Alpenrepublik hingewiesen, „wo mit der SVP eine rechtspopulistische Partei seit Jahren Rassismus und Fremdenfeindlichkeit propagiert“. Und: „Eine weitere Quelle der braunen Finanzzuflüsse zur AfD findet sich somit ausgerechnet dort, wo traditionell trübe Geldflüsse versickern: in der Schweiz.“

Neoliberale Quellen

Die „Neue Züricher Zeitung“ (NZZ) berichtete damals über die „Unterstützung aus der Schweiz“ für die AfD durch Segert. Dieser arbeitete den Berichten zufolge auch für die rechte FPÖ in Österreich.

„Telepolis“ erinnerte daran, dass die AfD-Frontfrau Weidel „ihre Steuern gleich in der Schweiz zahlt“. „Die neoliberale Hardlinerin, die weitreichenden Sozialabbau mit dem Ausbau des Polizeistaates koppeln will, verfügt über beste Verbindungen in die Finanzbranche. Sie war bei der Investmentbank Goldman Sachs tätig, um hiernach in den Vorstand der Allianz Global Investors weiterzuziehen. In kaum einer anderen Personalie der AfD werden die fließenden Übergänge zwischen Neoliberalismus und Rechtsextremismus so deutlich wie bei Frau Weidel.“

 

 

Quelle: Sputnik