Die Bevölkerung von Gaza wurde der israelischen Luftwaffe zum Abschuss freigegeben

Die Taktik der kollektiven Bestrafung der Palästinenser hat Israel von der britischen Mandatsmacht übernommen. Durch gezielte Angriffe auf die Zivilbevölkerung sollen Aufständische bestraft und eingeschüchtert sowie die Hamas unter Druck gesetzt werden.

von Zlatko Percinic

 

Dass Israel immer wieder zu unverhältnismäßiger Gewalt greift, um politische Ziele durchzusetzen und dabei den Tod vieler unschuldiger Menschen billigend in Kauf nimmt, ist nichts Neues. Während des palästinensischen Aufstandes von 1987 bis 1993, der fälschlicherweise als Erste Intifada bezeichnet wird, soll der damalige Verteidigungsminister Jitzchak Rabin den Befehl gegeben haben, den Aufständischen «die Knochen zu brechen».

Ein Offizier der israelischen Streitkräfte (IDF) sagte 1990 aus, dass die Brutalität der israelischen Soldaten «in dieser Periode Teil einer akzeptierten Norm» gewesen sei. Die Knesset (israelisches Parlament/Anm.) lehnte eine Untersuchung zur Frage ab, ob Rabin tatsächlich diesen «Knochenbrecherbefehl» gegeben hat. Rabins Nachfolger als Verteidigungsminister, Mosche Arens, begründete dies damit, dass die «politische Führung der Knesset oder den Wählern nur während Wahlen Rechenschaft schuldig ist».

Während des Libanonkriegs von 2006 wurde die sogenannte «Dahiya-Doktrin» ins Leben gerufen, als Israel den Stadtteil Dahiya in Beirut in massiv bombardiert hatte. Ziel war es, das Leid der Zivilbevölkerung maximal zu erhöhen, um so den Druck auf die Hisbollah zu erhöhen. 2008 antwortete der damalige Oberkommandierende des Northern Command und heutige Generalstabschef Gadi Eizenkot auf die Frage, ob Israel in einem erneuten Krieg gegen die Hisbollah wieder zu dieser Doktrin greifen werde:

«Wir werden unverhältnismäßige Gewalt anwenden und großen Schaden und Zerstörung dort anrichten. Von unserem Standpunkt aus sind das keine zivilen Dörfer, sondern Militärbasen.

Diese übermäßige Gewalt wandte Israel schließlich auch während der Gazakriege von Ende 2008/Anfang 2009 und im Sommer 2014 an. Nur wenige Monate vor der Invasion des Gazastreifens, im Dezember 2008, sagte der damalige Oberkommandierende des Southern Command, Maj. Gen. Yoaw Galant, dass dieses «fast alles im Gazastreifen machen kann, was es gerne machen will». Bemerkenswert dazu war die Feststellung der US-Botschaft in Tel Aviv, die in einem als «Geheim» klassifizierten Bericht nach Washington kabelte, dass die Hamas eine Transformation von einer Terrororganisation zu einer «militärischen Guerillaorganisation» vollzogen habe.

Seit 2014 herrschte ein mehr oder weniger eingehaltener Waffenstillstand zwischen der Hamas und Israel im Gazastreifen, bis Mitte Juli die Kämpfe wieder aufflammten und mit massiven Luftschlägen der israelischen Luftwaffe in der zweiten Augustwoche vorerst beendet wurden.

Naftali Bennett, Bildungsminister und Mitglied des neunköpfigen Sicherheitskabinetts, fordert schon seit langem im Sicherheitskabinett, dass Israel endlich «massive Luftschläge» gegen die Drachenflieger unternehme, die mit ihren selbstgebastelten Drachen und angehangenen Molotowcocktails für teilweise erheblichen Schaden auf israelischen Feldern sorgten. Ausgerechnet Stabschef Eizenkot verwehrte sich dieser Praxis, da er darauf hindeutete, dass auch Kinder diese Drachen lenken würden. Bennett lobte den Generalstabschef ausdrücklich dafür, wie er die Gaza Proteste handhabte. Ein Lob für 17.259 verletzte und 164 getötete Palästinenser seit dem 30. März 2018.

Nun berichtete die israelische Tageszeitung Haaretz, allerdings nur in der hebräischen Version, dass die Dahiya-Doktrin wohl wieder offiziell als IDF-Strategie im Einsatz sei. Darin heißt es:

«Nachdem die Rakete nach Beer Sheva gefeuert worden waren, begannen die IDF, zivile Ziele (in Gaza) anzugreifen, einschließlich Bevölkerungszentren, mit dem Ziel, den Einwohnern den Preis einer Eskalation zu verdeutlichen und die Hamas vor Probleme zu stellen.

Damit sollte suggeriert werden, dass die Bevölkerung kollektiv bestraft wird, weil sie die Hamas «vor Probleme gestellt» habe, indem sie sie vor elf Jahren an die Macht gewählt hat.

Nun gibt es Stimmen, die behaupten, schon allein diese Tatsache, dass die Wahl tatsächlich schon so lange zurückliegt, reiche aus, um von einer illegitimen Regierung im Gazastreifen zu sprechen. Dabei liegt das Problem nicht etwa bei der Hamas, sondern bei der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA). Es ist nämlich die Verwaltung in Ramallah, die sich weigert, die längst überfälligen Wahlen durchzuführen oder eine Einheitsregierung mit der Hamas in Gaza zu bilden, wie diese es immer wieder versucht hatte. Präsident Mahmud Abbas regiert schon lange ohne Mandat, da seine Regierungszeit bereits 2009 zu Ende ging. Aus Angst davor, aus dem Amt gewählt zu werden, hält sich Abbas verzweifelt an seinem Stuhl fest und wird dabei von Israel und westlichen Regierungen gestützt.

 

 

Quelle: RT