Die US-Presse warnt vor »deutsch-russischer Allianz«. Wladimir Putin zu Besuch bei Angela Merkel. Gespräche über Gastransit sind geplant, wie die Junge Welt schreibt.
Nach dem Treffen zwischen Angela Merkel und Wladimir Putin an diesem Sonnabend auf Schloss Meseberg nördlich von Berlin ist keine Pressekonferenz geplant. Das kann zwei Gründe haben: Entweder es gibt nichts zu besprechen. Aber dann hätte man sich die Mühe sparen können. Und »Übereinstimmung darin, uneins zu sein«, das ist ja bei anderen Gelegenheiten auch eine Mitteilung wert, 20 Minuten später hätte man es hinter sich. Es wäre zwar nichts Neues, der Nachrichtenwert wäre insofern gering, aber am Samstag abend ist ja so viel sonst auch nicht los. In die Tagesthemen käme man damit schon. Oder es geht darum, Probleme zu diskutieren, mit denen die Beteiligten noch nicht an die Öffentlichkeit gehen wollen.
In diese Richtung geht die Vorabkommentierung des Treffens durch die angelsächsische Presse, angefangen mit der New York Times. Die hatte schon am Montag geunkt, die Politik von US-Präsident Donald Trump in Sachen Zölle und Sanktionen treibe Deutschland an die Seite Russlands. Das dürfte überspitzt formuliert und einstweilen weit von den Tatsachen entfernt sein, aber tatsächlich stellt sich mit Trumps Politik für das BRD-Kapital die Frage, wie lange man den USA noch Folge leisten könne. In dem Maße, wie die zu erwartenden Einbußen – erst beim Russlandgeschäft, dann bei dem mit Iran – im Vergleich zu dem Gewinn aus der Bündnistreue wachsen, schwindet die Grundlage dafür, die US-Politik stillschweigend, wenn auch zähneknirschend, hinzunehmen.
Wenig Bewegung ist beim Thema Ukraine zu erwarten. Sowohl EU bzw. NATO als auch Russland machen die jeweils andere Seite dafür verantwortlich, dass das Minsker Waffenstillstandsabkommen nach wie vor nicht eingehalten wird. Moskau erklärt, es sei ja gar nicht Partei der Vereinbarung, sondern nur Garantiemacht, es gebe also für Russland an diesem Abkommen nichts einzuhalten. Die westliche Seite verlangt von Russland, seine Unterstützung für die international nicht anerkannten Volksrepubliken des Donbass einzustellen. Putin hat unlängst erst öffentlich erklärt, dass davon keine Rede sein könne. Er fordert umgekehrt die westlichen Unterstützer Kiews auf, die ukrainische Regierung zu den in Minsk vereinbarten politischen Konzessionen an die Republiken zu bewegen.
Das wichtigste wirtschaftliche Thema von Deutschland und Russland betrifft die Ukraine allerdings indirekt: der Bau der Ostseepipeline »Nord Stream 2«. Die Kanzlerin hat zuletzt versucht, den von den USA angeführten und in Teilen der EU unterstützten Gegnern dieser Leitung eines ihrer Argumente zu nehmen: Sie verlangte eine russische Garantie dafür, weiter Gas durch die ukrainischen Leitungen zu pumpen und so Kiew dringend benötigte Einnahmen zu verschaffen. Russland hat sich, nachdem es zunächst die zweite Ostseepipeline damit begründet hatte, den Transit durch die Ukraine überflüssig zu machen, nun zu Konzessionen bereit erklärt. Von Lieferungen im Umfang von etwa 20 Milliarden Kubikmetern pro Jahr war zuletzt die Rede – wenig im Vergleich zu den 110 Milliarden, die nach Fertigstellung der zweiten Pipeline allein über »Nord Stream« 1 und 2 fließen sollen. Die ukrainische Forderung, wieder so viel von dem Rohstoff wie vor 20 Jahren, als die Ukraine noch alleiniges Transitland für russisches Gas war, über ihr Territorium zu transportieren, nämlich 140 Milliarden Kubikmeter pro Jahr, ist demgegenüber völlig unrealistisch. Mehr, als dass überhaupt noch russisches Gas durch die Ukraine fließt, hat auch Merkel nie gefordert.
Für Russland ist die Beibehaltung des Transits durch die Ukraine eine politische Niederlage, auch wenn es sich diese Tatsache mit dem Verweis auf den angeblich ständig wachsenden Gasbedarf auf der Empfängerseite schönzurechnen sucht. Bedeutet dies doch, dass alljährlich zwei bis drei Milliarden US-Dollar an ein explizit feindselig eingestelltes Nachbarland überwiesen werden müssen – für eine Transitroute, die nach Darstellung Moskaus angesichts nordrussischer Gaslagerstätten, aus denen der Rohstoff inzwischen kommt, einen Umweg von 2.000 Kilometern bedeutet.
Für die BRD wäre die Fertigstellung von »Nord Stream 2« eine Win-Win-Situation. Erstens bekäme die deutsche Industrie mit dem russischen Gas einen Rohstoff, der deutlich kostengünstiger ist als Flüssiggas aus den USA oder vom Persischen Golf. Da die Kapazität beider »Nord Stream«-Leitungen den deutschen Bedarf übersteigen würde, würde die BRD auch zu einem Gasumschlagsplatz für ganz Zentral- und Westeuropa mit den daran hängenden Geschäftsgelegenheiten.
Die Betreiber der Ostseepipeline geben sich derweilen unverdrossen. Anstelle der ursprünglich geplanten Verlegung der Leitung östlich an der dänischen Insel Bornholm vorbei soll jetzt eine andere Route nördlich der Insel realisiert werden. Ihr Vorteil: Sie verläuft durch Gewässer, in denen Dänemark den Bau nicht verhindern kann. Dass die Ausweichroute einige Dutzend Kilometer länger würde, erscheint den Betreibern angesichts des Investitionsvolumens von 9,5 Milliarden Euro vertretbar.