Regierung will mehr Elend: Programm zum Brückenbau in Arbeit

 

Von U. Gellermann

Heute schon im Park gewesen? Lag mal wieder ein Obdachloser auf ihrer Lieblingsbank? Im Vorraum Ihrer Bankfiliale haben sogar drei Obdachlose übernachtet? Und die rochen auch noch ungewaschen? Oder lag jüngst einer von denen tatsächlich in ihrem Hauseingang? Empörend, oder? Die machen sich breit, die ohne eigene Wohnung. Von denen gibt es inzwischen ja auch fast einen Million. Offiziell. Inoffiziell werden deutlich mehr vermutet. Keine Arbeit haben offiziell 2,385 Millionen Menschen. Dass auch hier die Wahrheit längst den Rahmen der Lügenstatistik sprengt, wissen, außerhalb der Propaganda-Instrumente der Bundesregierung, alle die bei Verstand sind. Und auch der Zusammenhang ist klar. Kein Job, keine Wohnung.

Doch mitten in dieser Not schlägt der wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministers zu und fordert das Ende der «Mietpreisbremse». Die sei unwirksam und kontraproduktiv. Denn Deutschlands Mietpreise stiegen trotz Bremse immer weiter. Der bezahlbare Wohnraum würde trotz der Bremse immer knapper. Und so löst der Beirat ein schönes Medienrauschen aus, dass wie ein nasser Lärmvorhang vor den wahren Problem hängt: Kann die Bremse bremsen, wird gefragt und die Antwort lautet: Im Prinzip ja, es müsse nur mal jemand auf die Bremse treten. Überraschung. Applaus! Applaus! Und der Beirat tritt vor den Lappen, verbeugt sich und bekennt sich zur Verschrottung der Bremse.

Der Vorsitzende des Beirats heißt Professor Dr. Hans Gersbach. Ein blöndlicher Bürokat mit Seitenscheitel schaut aus seinem Foto auf eine Welt der Ökononmie heraus und der kennt sich aus: Bei einer funktionierenden Mietpreisbremse wäre ein Teil der möglichen Neubauprojekte nicht mehr profitabel, spuckt er in die soziale Suppe. «Profitabel» ist das Schlüsselwort. Gersbach war schon in Heidelberg und in Basel Professor. Und bei der Profitanstalt McKinsey Global Institute in Washington hat er auch schon Kohle in der Rationalisierung verdient. Seine diversen Gehälter garantieren ihm ein parasitäres Luxusleben, und das Wort Mitleid kennt er nur im Zusammenhang mit sich selbst.

Der Volkswirtschaftler Friedrich Breyer, auch ein Mitglied des «wissenschaftliche Beirates», schlaumeiert vor sich hin, wenn er sagt, wegen der begrenzten Möglichkeit von Mietsteigerungen gebe es nur wenig Anreiz für Neubau und Modernisierung. Breyer ist Mitglied im Verein für Socialpolitik, dessen «c» im Vereinsnamen keineswegs für Christliche Barmherzigkeit steht, sondern für neoliberale Grausamkeiten aller Art, von dem der Soziologe Rudolf Hickel zu sagen wusste: «Hier präsentiert sich ein Armutszeugnis, das belegt, dass diese vorherrschende Ökonomik aber auch nichts aus der Finanzmarktkrise gelernt hat». Dieser Breyer kotzte der galoppierenden Armut jüngst ins Gesicht: «Man kann nicht für jeden Bedürftigen eine Sozialwohnung schaffen».

Der Markt, versuchte der Beirat öffentlich zu verbreiten, nur der Markt könne den Bau von mehr Wohnraum lösen. Längst agiert der Markt und sein Profitgesetz. Und wer in Deutschland durchschnittlich etwa 3.305 Euro den Quadratmeter an Wohnfläche für eine Eigentumswohnung zahlen kann, dem spendet der Markt auch eine schöne Wohnung. Denn statt der erhofften Sozialwohnungen, solchen Bleiben, die sich auch ärmere Menschen leisten könnten, steht der Bau von profitablen Eigentumswohnungen im Zentrum der Gier der Bauwirtschaft und ihrer Vertreter in der Politik. Auch deshalb schreibt der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums in sein Gutachten, dass der soziale Wohnungsbau «zurückgefahren werden» sollte. Der «Markt» kann einfach keine soziale Konkurrenz ertragen.

Der Beirat des Bundeswirtschaftsministers ist der organisierte Beweis eines mafiösen Kartells aus Bau-Wirtschaft und Politik, das Wohnungsnot und Obdachlosigkeit herstellt. Denn immer noch gehören der Bundesrepublik und ihren Gliederungen jede Menge Grundstücke, der wesentlichen Voraussetzung für das Bauen und die dort existierende Spekulation. Und immer noch wird das Baurecht, der gesetzliche Rahmen für alles Bauen, in Bund Ländern und Kommunen ebenso geschaffen wie ausgeübt. Und immer noch sind so ziemlich alle Parteien an Wohnungsspekulation und der Entrechtung der Wohnungssuchenden beteiligt.

Ein exemplarischer Beweis für diese Koalition ist das Land Berlin. Dort wird die Regierung von einem rot-rot-grünen Bündnis gestellt. Dort ist der Zuzug neuer Wohnungssuchenden besonders hoch. Dort liegt auch der Mietpreis mit 10,80 Euro je Quadratmeter hoch genug für wachsende Wohnungsnot. In diesem Berlin gab es in Pankow ein Grundstück der Bundesbahn, den ehemaligen Güter- und Rangierbahnhof Pankow, der 1996 stillgelegt wurde. Die Bundesbahn war Eigentum der Bundesrepublik Deutschland, die schon lange von einem Parteienkartell aus CDU, SPD und FDP regiert wurde. In der Berliner Landesregierung stoßen aktuell noch die angeblichen Oppositionsparteien GRÜNE und LINKE zum Kartell hinzu. Denn natürlich konnte das Grundstück der bundeseigenen Bahn nicht preiswert für eine preiswerte Wohnbebauung an das Land Berlin abgegeben werden. Auch die Bahn muss schließlich Profit machen. Und natürlich konnte das nun landeseigene Grundstück nicht von einer landeseigenen Gesellschaft so preiswert bebaut werden, dass preiswerter Wohnraum geschaffen werden konnte. Denn der private Investor auf dem Grundstück, das arme Möbelhaus Krieger, musste doch auch Profit machen. Deshalb werden von den 2000 Wohnungen jetzt 70 Prozent teure Wohnungen für den Profitmarkt sein.

Der Pankow-Deal, nur ein Muster für die bundesweit üblichen Verfahren, wurde auf einer Immobilienmesse in Cannes von der Senatorin Katrin Lompscher (Linke) gefingert. Kann sein, dass die ehemalige, gewiss redliche Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Bauakademie der DDR einfach nicht mehr wusste, wo ihr der Kopf stand: Champagner hier, Austern dort und alle zehn Minuten ein Rolls Royce auf der Croisette, der Promenade in Cannes, kann auch tapfere Herzen aus dem Takt bringen. Zumal die Senatorin ihren damals klügsten Mitarbeiter, Andrej Holm, längst im Rahmen einer Stasi-Intrige auf dem Altar der Koalitionsdisziplin mit der SPD geopfert hatte. Ach ja, Holm war ein Spezialist gegen Gentrifizierung. Und Gentrifizierung ist das schöne neue Wort für Profitmaximierung auf dem Wohnungsmarkt.

Sicher wird uns der Bauminister bald mit einem großzügigen Brückenbau-Programm überraschen. Denn Obdachlosigkeit, soll er gesagt haben, Obdachlosigkeit unter freiem Himmel geht gar nicht.

 

 

Quelle: Rationalgalerie