Heiko Maas hat erklärt, dass er eine neue Strategie Deutschlands für den Umgang mit den USA vorlegen wird. Punkte dafür hat er in einem Gastkommentar für das „Handelsblatt“ skizziert. Sputnik sprach mit dem Politologen Heinz Gärtner über die Pläne der deutschen Außenministers.
Trump habe dazu beigetragen, dass man die transatlantischen Beziehungen neu definieren muss. Das sagt der Politologe Heinz Gärtner von der Universität Wien:
„Deutschland und auch die Europäische Union (EU) wollen die transatlantischen Beziehungen aufrechterhalten. Dennoch hat es bei der Administration Trump verschiedene Ereignisse gegeben, wo man sich in Europa Gedanken darüber macht, einen alternativen Entwurf zu verfolgen und vorzulegen. Das heißt natürlich mehr Unabhängigkeit für Europa. Das heißt aber auch Festhalten am alten System des Multilateralismus.“
„Trump gefährdet den Multilateralismus“
Gerade den Multilateralismus sehe Bundesaußenminister Heiko Maas gefährdet, wenn sich Trump mehr auf die bilateralen Beziehungen von Staaten konzentriere. Gärtner ist sich allerdings nicht sicher, ob es Maas gelingen wird, am multilateralen Prinzip festzuhalten. Trump versuche, mit bilateralen Beziehungen einzelnen Staaten gewisse Vorteile zu versprechen und dadurch die Machtbeziehungen der USA zu stärken. Sein Ziel sei es, das alte Ordnungssystem außer Kraft zu setzen und neue Systeme an dessen Stelle zu setzen, bei denen die USA als der mächtigere Staat herauskommt. „Das ist vor allem der Bilateralismus. Und das hat Maas erkannt, indem er dem Bilateralismus den alten Multilateralismus entgegensetzen will.“ Das könne man an einer ganzen Reihe von Themen festmachen. Gärtner erwähnt in dem Zusammenhang das Pariser Klimaabkommen und das multilaterale Iran-Abkommen. Mittlerweile seien auch multilaterale Organisationen wie die Weltbank infrage gestellt.
„Bilateralismus kann Erfolg haben“
Mit seinem Bilateralismus könne Trump auch in der EU erfolgreich sein, so Gärtner:
„Mit kleineren Staaten funktioniert das zum Beispiel schon ganz gut. Auch große zentraleuropäische Staaten, wie etwa Ungarn, sind nicht unbedingt in jeder Frage auf der Seite der EU, wenn es darum geht, entweder USA oder EU. Ein Testfall ist das Iran-Abkommen. Hier ist die Frage, ob Europa einig bleiben kann. Das Gegengewicht hätte die EU wahrscheinlich schon, wenn sie sich auf bestimmte Punkte konzentriert, wo sie sich einig sein könnte. Ökonomisch wäre die EU faktisch ein Gegengewicht. Allerdings hat Trump auch schon Juncker unter Druck setzen können.“
„Zwei Prozent Rüstungsausgaben: nicht rational“
In seinem Gastkommentar für das Handelsblatt fordert der Außenminister eine Digitalsteuer auf die Gewinne von US-amerikanischen Internetkonzernen. Konkret bezieht sich das auf die Milliardengewinne, die europäische Töchter von Internetgiganten wie Apple, Facebook oder Google jedes Jahr in die USA überweisen. Gleichzeitig bekennt sich Maas zu höheren Verteidigungsausgaben. Die von Trump geforderten zwei Prozent hält Gärtner für nicht sonderlich rational. Man müsse erst einmal eine wirkliche Bedrohungsanalyse vornehmen, bevor man ein formales Zweiprozentziel festlegt. Gärtner, der auch als Sicherheitsexperte beim „Internationalen Institut für den Frieden“ tätig ist, führte dazu aus:
„Trump geht es nicht wirklich um die zwei Prozent. Als er vom Nato-Gipfel weggefahren ist, hat er dann plötzlich auch von vier Prozent gesprochen. Es geht einfach darum zu zeigen: ‚Ich sage, was ihr zu tun habt‘, also ums Machtverhältnis. Die zwei Prozent sind nur dazu da, den Europäern zu sagen, was sie zu tun haben. Das ist auch ein Machtspiel von Trump, wo auch sein kann, dass er die einzelnen Europäer damit spalten kann. Das ist eine interne Nato-Debatte und hat mit äußeren Bedrohungen eigentlich gar nichts zu tun.“
„Maas will die Akzente setzen“
Bisher habe Trump die Initiativen gesetzt, und die Europäer hätten nur reagiert. Nun wolle Maas einen positiven Gegenentwurf anbieten. Das sei wahrscheinlich die richtige Initiative. Die Frage sei jedoch, ob sich dieser Gegenentwurf gegen die Machtprojektionen der USA und Trumps durchsetzen könne. Dazu meint Gärtner:
„Wahrscheinlich sitzen die USA immer noch am längeren Hebel. Der meiste internationale Handel wird in Dollar verrechnet. Wirtschaftlich und auch militärisch sind die USA die dominante Macht. Die Europäer machen jetzt den Versuch, eine Wertediskussion zu führen. Sie wollen die liberale Wertordnung und den Multilateralismus aufrechterhalten. Von daher glaube ich, die Debatte ist wichtig. Aber wenn sich der europäische Entwurf durchsetzt, dann wird das nur mittelfristig und nur in einigen Teilbereichen erfolgreich – in anderen wahrscheinlich weniger.“
Quelle: Sputnik