Imperialismus, Faschismus und Zionismus: Die USA und Israel als Groß- und Kleinpreußen

Als Kind war ich ein großer Bewunderer Israels.* Ich habe 1973 ein Sammelalbum über den Jom-Kippur-Krieg geführt. Damals war Israel Amerikas tapferer Verbündeter, David gegen Goliath, und half, den sowjetischen Bären in Schach zu halten, so schien es mir. Ein Kommentar von William J. Astore auf Bracing Views.

In den Augen eines Kindes war Israel 1973 eine Insel, die scheinbar von einem Meer gut bewaffneter Feinde umringt war: Ägypten, Syrien, Irak, Jordanien, Saudi-Arabien. Unterlegen und unterbewaffnet. Und nun ein Blick auf die heutige Realität: Ägypten und der Irak sind neutralisiert worden. Syrien ist am Boden zerstört. Jordanien ist klugerweise (sozusagen) neutral. Die Saudis sind quasi Verbündete. Abgesehen von der mehr oder weniger beherrschbaren Bedrohung durch den Terrorismus (Hamas und Hisbollah) scheint heute Israel sein eigener Hauptfeind zu sein.

Was ich damit meine, ist folgendes: Israel, das in den letzten 70 Jahren mehrere Kriege um sein Überleben gekämpft hat, ist heute eine regionale Supermacht. Dennoch bleibt die Denkweise Davids gegenüber Goliath bestehen, auch wenn Goliath gelähmt und besiegt ist. Mittlerweile, da Israel den Terrorismus und die Folgen der Besatzung und Isolation des Gazastreifens im Westjordanland bekämpft, verfolgt die Regierung eine Politik, die von vielen jüdischen Kritikern in Israel selbst als illiberal und gefährlich eingestuft wird.

Eine ähnliche David-Goliath-Mentalität gibt es in den USA, aber mit weit weniger Grund. Bizarrerweise sieht sich die militärische Supermacht der Welt als von Feinden umringt. Ihre Reaktion entspricht in etwa der Israels, als ob die Vereinigten Staaten von Amerika ein um ein paar Nummern größeres Israel wären. Beide Länder streben nach einer totalen militärischen Dominanz über ihre wahrgenommenen Feinde und Rivalen; beide werden von starken Männern angeführt, die von Korruptionsvorwürfen verfolgt werden; beide verherrlichen ihre Militärs; beide scheinen sich für Krieg gegen den Iran zu verausgaben.

Interessanterweise sind beide auch von demographischen «Feinden im Inneren» besessen: viele Israelis fürchten einen wachsenden arabisch-muslimischen Einfluss im Inneren; viele Amerikaner fürchten, dass Minderheiten bald die Mehrheit bilden werden (Schätzungen zufolge werden die Nicht-Weißen im Jahr 2045 die Weißen überwiegen, aber einige Amerikaner — wie Laura Ingraham von Fox News — fühlen, dass das bereits geschehen ist). Das Ergebnis: Die herrschenden Verwaltungen beider Länder haben ihre Sicherheits- und Identitätspolitik aufgestockt. Israel hat die Araber zu Bürgern zweiter Klasse gemacht, eine Form von Apartheid; Trump & Co. haben Immigranten (vor allem Mexikaner) als Vergewaltiger und Mörder verunglimpft. Beide bauen Mauern, um den «Feind» draußen zu halten. Beide betrachten die massiven Militärausgaben (und Atomwaffen) als die ultimativen Garanten für den Frieden.

Israel ist das kleine Preußen, die USA das große Preußen. Und wie Preußen (und Deutschland) der Vergangenheit stellen sie sich als die geschädigte Partei dar, umgeben von Feinden, eingekesselt und niedergedrückt. Es ist nie verkehrt, stark zu sein — das ist ihr Leitmotto. Und mit Stärke meinen sie Härte: militärische Stärke, Polizeistärke, die Stärke überlegener Waffentechnologie, die von Führern übernommen wird, die bereit sind, andere im Namen der Erhaltung einer «demokratischen» Lebensweise zu töten, zu foltern oder einzusperren.

Es ist eine Mentalität, die dem Autoritarismus, dem Militarismus, dem Nationalismus und natürlich der Kleptokratie förderlich ist, die sich hinter wesentlichen Ausgaben für die nationale Sicherheit versteckt. Ihr zugrunde liegt die Furcht, die eine «kompromisslose» Haltung gegenüber dem Anderen erzeugt (ob palästinensische «Terroristen» oder eingewanderte «Mörder» und «Tiere»). Das hat der palästinensische Aktivist Bassam Aramin in einem Interview in der Zeitschrift The Sun (Oktober 2016) zum Ausdruck gebracht:

«Ich denke, dass unser wichtigster Feind die Furcht der Israelis ist. Diese ist ein Teil ihres Bewusstseins. Wenn sie über Sicherheit sprechen, steht der Holocaust immer im Hintergrund. Wenn ich einen Stein auf einen Panzer werfe, interpretieren sie ihn als den Beginn eines neuen Holocaust.»

Die Angst tötet den Verstand. Sie ermöglicht fortwährende Kriegsführung und einen Polizeistaat — und eine Menge Profit und Macht für diejenigen, die diese ermöglichen.

Das ursprüngliche Preußen wurde vom Militarismus und Nationalismus verzehrt und brach nach zwei verheerenden Weltkriegen zusammen. Was wird mit dem heutigen Großen und Kleinen Preußen geschehen? Vielleicht ein Krieg gegen den Iran, so angesetzt, dass er mit der Saison des Präsidentschaftswahlkampfes 2020 in den USA zusammenfällt? Ein dermaßen unnötiger und wahrscheinlich katastrophaler Krieg ist nicht auszuschließen.

Betrachten wir die Dynamik zwischen den jetzigen Führern der Vereinigten Staaten von Amerika und Israels, die sich gegenseitig aufhetzen, um härter, weniger kompromissbereit und preußischer zu sein. Eine pazifische Zukunft ist für diese militärischen «Supermächte» nicht in Sicht. Nicht, wenn sie so sehr mit der Nachahmung Preußens beschäftigt sind.

* Warum sind Amerikaner gemeinhin als Unterstützer und Bewunderer Israels bekannt? So sehr, dass Politiker demonstrativ kombinierte Anstecknadeln mit US/Israel-Flaggen tragen? Aus mehreren Gründen:

  1. Die US-Medien sind in der Regel pro-israelisch. Die arabische Welt hingegen steht in unseren Medien oft gleichbedeutend mit Terror mit Terrorismus.
  2. Israelis scheinen eher wie Amerikaner zu sein. Was ich meine ist, dass israelische Sprecher westliche Kleidung tragen und Englisch mit einem leichten Akzent sprechen. Bis vor kurzem sahen und kleideten sich die arabischen Sprecher im Fernsehen «fremd» und sprachen Englisch mit einem stärkeren Akzent.
  3. Die Macht von pro-israelischen politischen Lobbys wie AIPAC und die Angst der Politiker, dass Kritik an Israel als Antisemitismus gedeutet (und verteufelt) werden könnte.
  4. Der Holocaust.
  5. Der evangelikale Kontext: Ich erinnere mich eine Talkshow, die ich kurz nach dem Jom-Kippur-Krieg Mitte der 70er Jahre im Radio gehört habe. Der Sprecher sagte voraus, dass die Wiederkunft nahe ist. Das erregte meine Aufmerksamkeit! Warum war das so? Denn, so sagte diese Person, Israel hatte die Kontrolle über Jerusalem in scheinbarer Erfüllung der biblischen Prophezeiung erlangt. Nach schnell vergangenen vierzig Jahren hört man die im Grunde genommen gleichen evangelikalen Vorhersagen über die bevorstehende Wiederkunft Christi, wenn Israel seine Hegemonie über das «Heilige Land» in Palästina ausdehnt.

Man kann die Bedeutung der (selektiven) biblischen Prophezeiungen, wie sie von fundamentalistischen Christen betrieben werden, die sich in der heutigen Republikanischen Partei angesiedelt haben, nicht unterschätzen. Diese Evangelikalen könnten sich nicht weniger um Trump’s Sünden und Übertretungen scheren. Ihre Augen sind auf den Hauptpreis gerichtet: Armageddon und die Wiederkunft Christi, die sie mit Israels Herrschaft über die Region verknüpfen — was zu weiteren Kriegen führen wird, in eine brutale Zukunft, die als unvermeidlich, ja sogar als erstrebenswert angesehen wird.

Auf englisch erschienen auf Bracing Views von Antikrieg übersetzt