Medien und Politiker fordern vom Verfassungsschutzpräsidenten Beweise, die sie selbst nicht vorlegen können

Deutschlands oberster Verfassungsschützer Hans-Georg Maaßen wird von Politikern und Medien für ein Interview mit der Bild-Zeitung massiv angegriffen. In den Tagesthemen auf ARD fordert Georg Restle sogar den Rücktritt Maaßens, wenn er nicht die Beweise für seine Aussagen vorlegen kann. Eine Beweislastumkehr für Lügen?

«Entweder Herr Maaßen, Sie legen die eindeutigen Beweise für ihre Behauptungen jetzt auf den Tisch — oder Sie treten schleunigst zurück!», sagte Restle in einem Video der Tagesthemen.

Doch nicht nur der ARD-Journalist, sondern weitere Medien und Politiker fordern seinen Rücktritt, weil er dementierte, dass in Chemnitz eine «Hetzjagd» stattgefunden hat, wie sie in den Medien dargestellt wurde. Er sprach von «gezielten Falschinformationen» und unterstellte, dass man bewusst versucht habe, von der eigentlichen Bluttat abzulenken, also von der Tatsache, dass ein Daniel H. mit Dutzenden Messerstichen getötet wurde. Dabei stört vor allem, dass Jurist Maaßen von einem Mord und nicht von einem Totschlag sprach.

«Bei mir mehren sich die Fragezeichen», sagte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil den Zeitungen der «Funke Mediengruppe».  Dass Maaßen an der Jagd auf Ausländer in Chemnitz zweifele und gezielte Falschinformationen vermute, ohne unverzüglich Beweise vorzulegen, sei irritierend, kritisierte der SPD-Politiker.

Wieso muss man bei Zweifel selbst Beweise vorlegen, um diese Zweifel zu belegen? Wieso werden keine Beweise von jenen vorgelegt, die behauptet haben, dass es eine solche Hetzjagd gibt. Hat ein Richter in Ermangelung an Beweisen Zweifel an der Strafbarkeit eines Täters, so muss er ihn nach dem Grundsatz «in dubio pro reo» laufen lassen. Er muss seine Zweifel nicht beweisen, sondern es reicht aus, dass er aufgrund der ihm vorgelegten Beweise immer noch Zweifel habe, um einen angeklagten Täter zu bestrafen.

Zugegeben, Chemnitz ist kein Gerichtsfall, aber Maaßen ist Topjurist und bewertet Sachverhalte danach, ob sie auch hinreichend mit Beweisen nachzuvollziehen sind. Und die Beweise, die Medien und Politik hier vorlegen, sind recht — um es mit Vorsicht auszudrücken — recht dünn. Das verbreitete Video zeigt eine Szene am Busbahnhof, die in jeder Großstadt wohl täglich passieren und kaum polizeiliche Konsquenzen nach sich ziehen. Vor allem geht aus dem Video nicht hervor, dass es einen Zusammenhang mit der nächtlichen Bluttat von Chemnitz gibt und dem aggressiven Verhalten der Menschen auf dem Video gibt, dass ein Twitteraccount mit dem Namen «Antifa Zeckenbiss» ergibt.

Er sagte nicht, anders als es in den Medien dargestellt wird, dass das kurze Video, welches als Beweis herangezogen wird, um die Hetzjagd zu beweisen, eine Fälschung sei. Vielmehr empfand er es als nicht ausreichend um von einer Hetzjagd zu sprechen. Dieses Video zeigte eine sehr kurze Sequenz von einer Streitszene, die noch gekürzter in den großen Medien wie ARD wiedergegeben wird, um zu suggerieren, es handle sich um eine große oder angelegte Hetzjagd. Vermutlich handelt es sich um ein Video, dass mit dem Handy aufgezeichnet wurde und dann ins Internet gestellt wurde.

Janko Tietz vom Spiegel behauptet, dass man sich nicht nicht alleine auf dieses Video verlassen habe, sondern, dass fast alle Medien vor Ort gewesen seinen, und «alles selbst gesehen haben», was sich dort an Menschenjagd ereignet habe. Wenn dem so gewesen wäre, dann muss man sich die Gegenfrage gefallen lassen, warum keiner der Medienvertreter in der Lage war, diese Jagdszenen, die teilweise als «Progrome» darstellt wurden, selbst ein Video zu veröffentlichen.

Sind diese Journalisten nicht mit Kameras und Handys ausgestattet, um selbst Videos über solche Szenen zu machen und dann zu veröffentlichen? Man kann davon ausgehen, dass fast alle Medienvertreter Kameras und Handys besitzen, um das zu machen. Aber warum haben sie es nicht gemacht? Waren sie so schockiert über solche Szenen gewesen? Unterstellen wir mal, dass es so ist, dann hätte es doch Videos von anderen Nutzern gegeben, die sich in Chemnitz aufgehalten haben, wie es sonst immer der Fall ist.

Spätestens nach dem Interview Maaßens, nein, spätestens nach den Einschätzungen der Generalstaatsanwaltschaft oder nach den Aussagen Kretschmers hätte man Beweise nachlegen müssen. Und selbst dann wäre es nicht fair gewesen, dass man Spitzenpolitiker und Beamte in dieser Form angreift, denn bei einer derartig dünnen Beweislage muss man sich nicht wundern, wenn Juristen und Politiker nach freier Beweiswürdigung zum Schluss kommen, dass man hier nicht von «Menschen-, Hetz- oder Ausländerjagden» sprechen kann.

Medien verlangen jetzt Beweise von Maaßen, die sie selbst nicht vorlegen können, um ihre Thesen mit Belegen zu untermauern. Das ist kein Journalismus, das ist eine politische Kampagne, die nun Druck auf jene ausüben will, die ihre Thesen nicht stützen wollen. Auch die Bild-Zeitung, spielt hier ein perfides Doppelspiel, indem sie zum einen ein politisch brisantes Interview führt, zum anderen macht sie dieses Interview nicht jedermann öffentlich zugänglich, so dass es anderen Medien leicht gemacht wird, die Worte von Maaßen weiter zu verdrehen.

Er sagte gerade nicht, dass das Video aus Chemnitz, auf das sich alle Berufen eine Fälschung ist, sondern es reich nicht ausreiche, um die Hetzjagd-These zu stützen, weil es sich um eine einzelne, wenn auch unschöne Szene, handelt. Und jetzt findest eine Beweislastumkehr zu Lasten eines hohen Bundesbeamten statt, der Beweise der Medien nicht so würdigte wie sie politisch gewollt ist. Niemand hat Medien und Politik gezwungen alleine aufgrund eines immer wieder herangezogenen Videos, zu behaupten, dass eine «Menschen-» oder «Hetzjagd» gegen Ausländer stattgefunden hat. Die Medien hatten nun auch zwei Wochen lang Zeit gehabt, weitere Videos, Fotos oder Tonaufnahmen zu präsentieren, auf denen sie ihre These schützen können.

Es ist nicht die Aufgabe eines Verfassungsschutzpräsidenten, politisch gewollte Thesen zu stützen. Es ist vielleicht auch nicht die Aufgabe Medien für ihre Arbeit zu kritisieren. Aber wenn er in einem Interview nach seiner Einschätzung gefragt werde, wie er die Lage in Chemnitz am 26. August bewerte, dann muss es ihm erlaubt sein, eine . wenn auch vorsichtige — Einschätzung abzugeben, ohne dass man gleich nach Rücktritt schreibt.