Japan stellt Korporatismus als Wirtschaftssäule in Frage

„Das Ritual gehört zu den korporatistischen Traditionen in Japan, die das Zugehörigkeitsgefühl der Menschen zu einer Gruppe in der Gesellschaft stärken. Jedes Jahr am 1. April, den Beginn des neuen Geschäftsjahres, stellen die meisten japanischen Unternehmen massenweise neue Mitarbeiter ein, die gerade die Universität verlassen haben.

In Willkommensfeiern begrüßen leitende Manager die Neuen als Teil der Unternehmensfamilie. Der gemeinschaftliche Arbeitsbeginn führt die Studenten jahrgangsweise in das Arbeitsleben und zumindest bei den traditionellen Großunternehmen noch oft in die Geborgenheit einer lebenslangen Anstellung“, berichtet die F.A.Z. über die Bestrebungen des wichtigsten Wirtschaftsverbands Keidanren, ab 2021 darauf zu verzichten, den Unternehmen vorzuschreiben, wann und wie neue Mitarbeiter einzustellen sind.

„Traditionelle Gepflogenheiten einschließlich der lebenslangen Beschäftigung und der Masseneinstellung von Universitätsabgängern haben sich überholt“, äußert Hiroaki Nakanishi, der Vorsitzende des Keidanren und vom Technologie-Riesen Hitachi. Die Entscheidung Keidanrens, der seit 1953 derlei Einstellungsbestimmungen vorgab, ist ein nicht zu unterschätzender Bruch mit der Tradition. Die Individualisierung der Gesellschaft macht auch vor dem stark kollektivistisch geprägten japanischen Volk leider keinen Halt, die Entscheidung Keidanrens ist in diesem Sinne nur folgerichtig. Die moderne Arbeitswelt habe das japanische Korporatismus-Modell überholt, so die Firmenpolitik jüngerer Unternehmen, die bereits jetzt die starren Vorgaben der Wirtschaftsverbände nicht mehr befolgten. Aber auch das alternde und schrumpfende Volk trägt dazu bei, die Unternehmenspolitik der Masseneinstellungen in Frage zu stellen.

Nichtsdestoweniger ist Japans Regierung bemüht, in Zusammenarbeit mit Unternehmen und Universitäten das korporatistische Leitbild am Leben zu erhalten. Eine Kommission soll in den nächsten Jahren Reformvorschläge ausarbeiten.

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