Von Marcel Joppa
Arbeitnehmer, Rentner, Beitragszahler, Kita-Eltern, Pflege-Betroffene – im neuen Jahr soll sich für viele Bürger eine ganze Menge ändern. Millionen Menschen sollen laut Union und SPD finanziell entlastet werden. Doch was steckt wirklich hinter den Gesetzesänderungen? Die Linke ist sich sicher: Vieles davon ist reine „Augenwischerei“.
Verbesserungen bei der Rente, Entlastungen bei den Krankenkassenbeiträgen: Die Bundesregierung hat für das kommende Jahr viele Änderungen auf den Weg gebracht. Sputnik hat über die GroKo-Pläne mit dem gewerkschaftspolitischen Sprecher der Linksfraktion im Bundestag Pascal Meiser gesprochen und die unterschiedlichen Bereiche für Sie aufgelistet.
Arbeitnehmer
GroKo-Pläne: Für Millionen Arbeitnehmer in Deutschland wird die zeitlich befristete Teilzeit eingeführt. Die vereinbarte Arbeitszeit kann künftig für ein bis fünf Jahre verringert werden. Dann müssen Arbeitgeber die Rückkehr in Vollzeit ermöglichen. Die befristete Teilzeit mit anschließender Brücke in Vollzeit gilt in Unternehmen mit mindestens 45 Beschäftigten. Arbeitgeber mit 46 bis 200 Beschäftigten müssen nur einem von 15 Arbeitnehmern den Anspruch auf Brückenteilzeit gewähren.
Pascal Meiser: Für die Erziehung ihrer Kinder oder die Pflege von Angehörigen reduzieren zahllose Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit und schaffen es danach nicht wieder, zurück auf eine Vollzeitstelle zu kommen. Mit dem von der Großen Koalition gestrickten „Brückenteilzeitgesetz“ soll sich dies künftig ändern. Doch der an sich positive Ansatz eines Rechtsanspruchs auf Rückkehr in Vollzeit wurde durch unnötige Hürden stark getrübt. Dadurch, dass das Recht auf befristete Teilzeit erst bei Unternehmen mit mehr als 45 Beschäftigten greift, werden 14,4 Millionen Beschäftigte von diesem Rückkehrrecht ausgeschlossen.Beitragszahler
GroKo-Pläne: Zum Jahreswechsel soll der Pflegebeitrag um 0,5 Punkte erhöht werden. Der Arbeitslosenbeitrag wird dagegen um 0,5 Punkte gesenkt. Der Arbeitslosenbeitrag sinkt somit von 3,0 auf 2,5 Prozent des Bruttoeinkommens, der Beitragssatz zur Pflegeversicherung soll 2019 um 0,5 Punkte auf 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens steigen. Beitragszahler ohne Kinder müssen künftig 3,3 Prozent zahlen.
Pascal Meiser: Die gute Finanzlage der Bundesagentur für Arbeit bietet die Möglichkeit, die Arbeitslosenversicherung zu stärken und auszubauen. Stattdessen beschenken CDU/CSU und SPD lieber die Unternehmen mit einer Beitragssatzsenkung. Beschäftigte mit einem Bruttoverdienst von 2000 Euro werden durch die Beitragssenkung gerade mal um 5 Euro im Monat entlastet. Große Unternehmen können dagegen mit sechs- oder siebenstelligen Einsparungen rechnen. Dabei würde es nur 2 Milliarden Euro oder 0,17 Beitragssatzpunkte kosten, den Zugang zur Arbeitslosenversicherung für viele Menschen deutlich zu erleichtern, damit sie nicht in Hartz IV fallen.
Kita-Eltern und —Kinder
GroKo-Pläne: Deutschlands Kitas sollen besser und für Geringverdiener kostenlos werden. Ab Anfang 2019 sollen die Länder dafür Mittel über das „Gute-Kita-Gesetz“ erhalten können. Bis 2022 sollen dafür 5,5 Milliarden Euro vom Bund an die Länder fließen.
Pascal Meiser: Was auf den ersten Blick gut anmutet, kann sich auf den zweiten Blick für die Kommunen schnell als Luftnummer entpuppen. Denn angesichts der Herkulesaufgabe Kinderbetreuung sind die Mittel nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Hinzu kommt, dass das Programm nur befristet ist. Planungssicherheit gibt es aber nur, wenn die Investitionen in den Bildungs- und Betreuungssektor verlässlich verstetigt werden. Nur so lässt sich nachhaltig eine Verbesserung für die Kleinsten gewährleisten.
Krankenversicherte
GroKo-Pläne: Die 56 Millionen Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen sollen entlastet werden. Die Arbeitgeber müssen nun wieder die Hälfte des gesamten Beitrags zahlen. Ab 1. Januar 2019 finanzieren sie auch die von den Mitgliedern bisher allein zu zahlenden Zusatzbeiträge zu gleichen Teilen mit. Arbeitnehmer und Rentner werden laut Großer Koalition dadurch 6,9 Milliarden Euro jährlich sparen.
Pascal Meiser: Dass die Beiträge zur Krankenversicherung künftig wieder paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert wird, ist ein lange überfälliger Schritt. Aber eine echte Parität zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern ist damit bei den Gesundheitskosten noch längst nicht erreicht. Die Versicherten mussten zuletzt im Jahr 2017 für Zuzahlungen, zum Beispiel zu verschreibungspflichtigen Medikamenten, in Höhe von 4 Milliarden Euro allein aufkommen. Dazu kommen noch einmal Milliardenbeträge für notwendige, aber von den Kassen nicht bezahlte Leistungen, wie zum Beispiel Brillen und Zahnersatz. An diesen Kosten sollen die Arbeitgeber nach dem Willen von CDU/CSU und SPD auch künftig nicht beteiligen werden.
Pflege-Betroffene
GroKo-Pläne: Für den Kampf gegen die Personalnot in der Pflege kommt ein Paket für 13.000 zusätzliche Stellen in der Altenpflege. In Kliniken sollen die Krankenkassen jede aufgestockte Stelle komplett bezahlen. Taxifahrten zum Arzt sollen für Pflegebedürftige ab Pflegegrad 3 und Menschen mit Behinderungen künftig einfacher werden. Angehörige, die zur Kur gehen wollen, sollen ein pflegebedürftiges Familienmitglied parallel in derselben Reha-Einrichtung betreuen lassen können.
Pascal Meiser: Mit dem „Pflegeversicherungsstärkungsgesetz“ hat die Bundesregierung einen ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht – mehr nicht. Die 13.000 neuen Stellen in der Altenpflege bedeuten gerade einmal sechs Minuten mehr Zeit für Menschen mit Pflegebedarf. Der Bedarf ist um ein vielfaches höher. Zugleich hat es Gesundheitsmister Jens Spahn versäumt, pflegende Angehörige sozial besser abzusichern: Weil mehr Leistungen von der Pflegeversicherung abgedeckt werden müssen, steigen ohne weitere Gegenmaßnahmen zugleich die Zuzahlungen der Betroffenen. Um das zu verhindern, brauchen wir dringend eine solidarische Pflegeversicherung, in der alle nach ihrer Leistungsfähigkeit einzahlen und die alle pflegerelevanten Kosten übernimmt.
Rentner
GroKo-Pläne: Die Mütterrente wird deutlich ausgeweitet. Erziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder werden stärker angerechnet. Die betreffenden Renten werden so pro Kind um 16,02 Euro brutto im Westen und um 15,35 Euro im Osten erhöht. Das Absicherungsniveau der gesetzlichen Rente wird außerdem nach dem Willen der Bundesregierung bis 2025 konstant gehalten. Das Verhältnis der Renten zu den Löhnen wird in diesem Zeitraum bei mindestens 48 Prozent festgeschrieben. Der Rentenbeitragssatz soll darüber hinaus bis 2015 die 20-Prozent-Marke nicht überschreiten. Heute beträgt er 18,6 Prozent. Mehr Geld bekommen Erwerbsminderungsrentner.Pascal Meiser: Mit ihrem „Rentenpakt“ will die Große Koalition nach eigenen Aussagen den Sinkflug des Rentenniveaus stoppen. Dies jedoch nur bis 2025. Das ist zu wenig und Augenwischerei, denn für diesen Zeitraum war eh keine weitere Senkung des Rentenniveaus geplant. Um Altersarmut zu verhindern und den Lebensstandard im Alter einigermaßen zu sichern, brauchen wir stattdessen eine deutliche Erhöhung des Rentenniveaus, mindestens wieder auf 53 Prozent. Eine durchschnittliche Rentnerin hätte dann rund 120 Euro mehr im Monat. Auch bei der „Mütterrente“ gibt es Nachbesserungsbedarf: Die Leistung, ein vor 1992 geborenes Kind zu erziehen, ist genauso viel wert wie die Leistung, ein nach 1992 geborenes Kind zu erziehen. Zudem muss die Mütterrente endlich komplett aus Steuermitteln finanziert werden.
Quelle: Sputnik