Wer steht in Katalonien wofür vor Gericht

In Spanien findet aktuell ein Prozess statt, wie ihn das Land ihn seinen vier Jahrzehnten der Demokratie noch nie gesehen hat. Zwölf katalanische Aktivisten stehen vor dem Obersten Gerichtshof in Madrid, wo sie sich unter anderem Vorwürfen der Rebellion und des Missbrauches öffentlicher Gelder stellen müssen. Darüber schreibt der paneuropäische Sender euronews.

Der Prozess wird live im spanischen Fernsehen übertragen. Die Separatisten haben die Glaubwürdigkeit des Gerichtshofs in Frage gestellt und argumentieren, dass dieser als Marionette der spanischen Regierung fungiert und jedes Urteil höchstwahrscheinlich von der politischen Agenda bestimmt würde.

Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Prozess.

Wer steht vor Gericht?

Angeklagt sind der ehemalige Vizepräsident der katalanischen Regierung Oriol Junqueras und acht Mitglieder seiner ehemaligen Regierung (ehemalige Berater) sowie der vormalige Präsident des Regionalparlaments und die Anführer der beiden wichtigsten unabhängigen sozialen Organisationen Kataloniens.

Der ehemalige katalanische Präsident Carles Puigdemont, der aus Spanien geflohen ist, um der spanischen Justiz auszuweichen, wird nicht vor Gericht gestellt.
Was wird den Separatisten vorgeworfen?

Sie alle werden beschuldigt, sich aktiv an einem illegalen Referendum über die Abspaltung der Region Katalonien am 1. Oktober 2017 und an der vom katalanischen Parlament am 27. Oktober 2017 verabschiedeten einseitigen Unabhängigkeitserklärung beteiligt zu haben.

Als Reaktion auf diese Unabhängigkeitsbestrebungen entmachtete der spanische Staat die katalanische Regierung und rief Regionalwahlen aus. Außerdem eröffnete die Justiz ein Verfahren zur Neuregelung der Verantwortlichkeiten.
Welche Vorwürfe werden gegen sie erhoben?

Neun der Angeklagten werden der Rebellion und Veruntreuung öffentlicher Gelder beschuldigt und befinden sich in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft fordert Strafen von 25 Jahren für Junqueras und bis zu 16 Jahre für fünf ehemalige Mitglieder der katalanischen Regierung.

Der Rest befindet sich auf Bewährung auf freiem Fuß und wird von der Staatsanwaltschaft des Ungehorsams und der Veruntreuung beschuldigt.
Was bedeutet das Straftatbestand der Rebellion in Spanien?

Artikel 472 des spanischen Strafgesetzbuches bezeichnet Rebellion als eine Straftat und legt fest, dass «diejenigen, die sich gewaltsam und öffentlich erheben, sich des Verbrechens der Rebellion schuldig machen», wenn sie «die Unabhängigkeit eines Teils des Staatsgebiets zu erklären».

Im Land gilt das als schwere Straftat, wegen der zuletzt am 22. April 1983 Beteiligte an dem Staatsstreich vom 23. Februar 1983 verurteilt wurden. Darunter war auch der Hauptinitiator des Putsches, Oberstleutnant Antonio Tejero, der zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt wurde.

Während der Ermittlungen zum aktuellen Fall bezeichneten die Ankläger und auch Kritiker der Separatisten – die Generalstaatsanwaltschaft und Politiker der rechtsextremen Vox-Partei – die Geschehnisse immer wieder als Rebellion. Die Staatsanwaltschaft reduzierte ihren Vorwurf jedoch auf Volksverhetzung, ein Verbrechen, das im spanischen Recht eine geringere Strafe vorsieht.

Die Richter werden nun entscheiden, um welche Anklagen es letztlich gehen soll – der Rebellion oder der Volksverhetzung.
Wie lange kann die Gerichtsverhandlung dauern?

Es wird erwartet, dass der Prozess drei Monate dauert, in Sitzungen von drei Tagen pro Woche – Dienstag, Mittwoch und Donnerstag.
Wie berichten die Medien darüber?

Der Prozess hat große mediale Aufmerksamkeit geweckt, mit mehr als 600 akkreditierten Journalisten von mehr als 170 Medien – viele aus dem Ausland, hauptsächlich aus Deutschland und Frankreich, aber auch aus den USA, Russland und China.

In welchem politischen Kontext steht der Prozess?

Der Prozess findet inmitten eines politischen Sturms statt, bei dem rechtspopulistische Parteien die spanischen Bürger gegen die sozialistische Regierung mobilisieren. Die rechtsextreme Vox-Partei bezeichnete die Position des spanischen Präsidenten Pedro Sánchez, der einen politischen Dialog mit den katalanischen Separatisten aufnehmen wollte, als «Verrat».
Welche Zeugen sagen beim Prozess aus?

Auf der Zeugenliste stehen einige sehr prominente Namen: Darunter Mariano Rajoy, ehemaliger spanischer Ministerpräsident, Soraya Sáenz de Santamaría, ehemalige Vizepräsidentin, Cristóbal Montoro, vormals Finanzminister und Ada Colau, die Bürgermeisterin von Barcelona.