Estland: Koalitionsregierung abgewählt – Rechtspopulisten legen zu

 

Bei der Parlamentswahl in Estland ist die oppositionelle Reformpartei zur stärksten Kraft aufgestiegen und das bisherige Regierungsbündnis abgewählt worden. Größter Gewinner der Abstimmung sind die Rechtspopulisten, sie sitzen künftig als drittgrößte Partei in der Volksvertretung.

Das berichtet der paneuropäische Nachrichtensender euronews. Die wirtschaftsliberale Reformpartei von Spitzenkandidatin Kaja Kallas kommt nach Angaben der Wahlkommission in Tallinn auf 34 von 101 Sitzen. Dahinter folgt die linksgerichtete Zentrumspartei von Regierungschef Jüri Ratas (26 Mandate). Mit 19 Sitzen schob sich die rechtspopulistische Estnische Konservative Volkspartei (Eesti Konservatiivne Rahvaerakond, EKRE) an Ratas’ Bündnispartnern vorbei: Nach den Stimmenverlusten der konservativen Partei Isamaa (12 Sitze) und der Sozialdemokraten (10 Sitze) hat die bisherige Regierung

Auf eine Regierungsbeteiligung darf die EKRE trotz eines Zugewinns von 12 Sitzen im Vergleich zu 2015 allerdings kaum hoffen — die Reformpartei und die Zentrumspartei schlossen bereits vor der Wahl eine Zusammenarbeit mit der europa- und zuwanderungskritischen Partei aus. Diese konnte besonders bei Menschen (auf dem Land) in ländlichen Gebieten punkten, die sich trotz der positiven Wirtschaftsentwicklung abgehängt fühlen.

Auch ihre Kritik an der EU-Flüchtlingsverteilung kam bei vielen Wählern an — obwohl es in Estland praktisch kaum Flüchtlinge gibt.

Estlands Wirtschaft wuchs im vergangenen Jahr um 3,9 Prozent, die Exporte legten um zwölf Prozent zu, die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit zwanzig Jahren nicht.

Ein gewaltiger Geldwäscheskandal um die estnische Filiale der Danske Bank hatte Misstrauen in die Regierung geschürt. Dänemarks größte Bank soll zwischen 2007 und 2015 über seine kleine Filiale in Estland Transaktionen von nicht in Estland lebenden Personen und Unternehmen mit einem Volumen von 200 Milliarden Euro durchgeführt haben. Die Auftraggeber der Transaktionen sollen aus Russland, Moldawien und Aserbaidschan stammen. Bis Ende 2015 war die Deutsche Bank als Korrespondenzbank für die estnische Abteilung der dänischen Bank tätig gewesen und hatte einen Großteil der Gelder aus dubiosen Quellen abgewickelt.

Neben der estnischen Mehrheit (68,95 %) leben in dem nordeuropäischen EU- und Euro-Land eine große russische Minderheit (25,48 %) und kleinere Gruppen von Ukrainern (2,05 %), Weißrussen (1,14 %) und Finnen (0,78 %). In Tallinn sind 45 % der Einwohner keine ethnischen Esten (2013, Statistikamt Estland). Estland ist Mitglied des Europarats, der NATO, der OSZE und der OECD.