Gestern jährten sich Gerhard Schröders Bombenmorde zum 20ten Mal

 

Im Zusammenhang mit der Betrachtung von Kriegen wird häufig der Aphorismus strapaziert: „Im Krieg ist die Wahrheit das erste Opfer.“ So war es auch im Fall des Kosovokriegs, der am 24. März 1999 mit den Luftangriffen der Nato auf die Truppen Jugoslawiens begann. Es war zudem die erste Kriegsbeteiligung deutscher Streitkräfte seit dem Zweiten Weltkrieg. Darüber schrieb die JUNGE FREIHEIT am Sonntag.

Anlaß für die Bombardierung militärischer sowie ziviler Einrichtung in Jugoslawien war eine angebliche „humanitäre Katastrophe“, die der damalige Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) vor der Weltöffentlichkeit beklagte. Nach seinen Aussagen versuchten serbische Einheiten, durch „ethnische Säuberungen“, also Vertreibungen, Massenexekutionen und die Einrichtung von Konzentrationslagern, die albanische Bevölkerungsmehrheit im Kosovo zu dezimieren.

Aggressionen gingen häufig von Albanern aus

In Wahrheit schwelte in der seit jeher umkämpften Balkan-Region zu Jahresbeginn 1999 ein latenter Bürgerkrieg zwischen den albanischen Paramilitärs der UCK und jugoslawischen, zumeist serbischen Truppen und ebensolchen Paramilitärs. Westliche Zeugen erinnerten sich später daran, daß die Aggressionen zumeist von den albanischen Kämpfern ausgingen, auf die die Gegenseite mit oftmals überzogener Härte reagierte. So drohte zwar eine Eskalation; von systematischen Vertreibungen und Massenmorden, wie sie Scharping schilderte, war die Situation jedoch weit entfernt.

Bis in den März hatte es im französische Rambouillet letztlich vergebliche Verhandlungen über eine friedliche Lösung des Konfliktes gegeben. Schließlich schritten Luftstreitkräfte unter dem Kommando der Nato zur Tat und griffen Jugoslawien an. Dabei nahmen sie von Beginn an auch zivile Ziele in den Städten ins Visier. Im Verlauf der Luftoffensive bombardierten Nato-Flieger auch die chinesische Botschaft in Belgrad und töteten dabei drei Journalisten.

„Nie wieder Auschwitz!“

Außenminister Joschka Fischer (Grüne) warb am 13. Mai während eines Sonderparteitages der Grünen für eine weitere Unterstützung der deutschen Kriegsbeteiligung. Wohl wissend um den gebetsmühlenartig betonten Pazifismus seiner Parteikollegen, mußte er schwere Geschütze auffahren. So verstieg er sich trotz fehlender Beweise für serbische Konzentrationslager zu dem Appel „Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz!“

Die jugoslawische Luftwaffe hatte den überlegenen Kräften der USA, Deutschlands, Großbritanniens und weiterer Nato-Staaten nichts entgegenzusetzen. Nachdem sie elf Flugzeuge vom Typ MiG-29 verloren hatte, blieben ihre Piloten am Boden. Jedoch gelang es ihrer Flugabwehr, einen US-Tarnkappenbomber abzuschießen.

KFOR ist bis heute präsent

Unter dem Druck der anhaltenden Luftangriffe lenkte Jugoslawiens Präsident Slobodan Milosevic schließlich Anfang Juni ein. Er zog seine Truppen zurück. Am 11. Juni schwiegen die Waffen. Nur einen Tag später zog die Nato-geführte Truppe KFOR zur Sicherung des brüchigen Friedens in den Kosovo ein. Der KFOR-Einsatz dauert seitdem an, auch mit Bundeswehrbeteiligung.

Dieser kurze Kosovokrieg markiert eine Wende in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. Erstmals seit 1945 nahmen deutsche Soldaten wieder an Kampfhandlungen teil. Vor dem Hintergrund der Geschichte des 20. Jahrhunderts mutet es ironisch an, daß es ausgerechnet ein Einsatz war, der von Völkerrechtlern als „völkerrechtswidriger Angriffskrieg“ bewertet wird. Denn der Angriff erfolgte ohne ein UN-Mandat und war auch kein Bündnisfall, in dem ein Mitgliedstaat angegriffen wurde.

Balkan bleibt unruhige Region

Aus dem einseitigen Waffengang läßt sich eine Lehre ziehen: Nur durch Luftschläge wird kein Krieg gewonnen. So zogen sich die jugoslawisch-serbischen Einheiten für Beobachter überraschend intakt zurück. Daß es nicht zum Einsatz von Nato-Bodentruppen kam, lag auch an Differenzen zwischen den Verbündeten. Denn es war nicht zuletzt die Sorge vor eigenen Verlusten, die sie davor zurückschrecken ließ.

Die mangelnde Entschlossenheit zu einer konsequenten Interventionspolitik und dem Bewußtsein, dabei eigene und zivile Opfer in Kauf nehmen zu müssen, kennzeichnet bis heute eine halbherzige Außenpolitik der Bundesrepublik. Zudem bleibt die Situation auf dem Balkan auch im 21. Jahrhundert angespannt. Die Feindseligkeiten in der Vielvölkerregion brodeln unter der Oberfläche einer relativen Ruhe weiter.

Schon Bismarck hatte mit Blick auf den Krisenherd im Südosten Europas gewarnt. „Der Balkan ist mir nicht die gesunden Knochen eines einzigen pommerschen Grenadiers wert.“