Steht Libyen wieder kurz vor einem Bürgerkrieg? Seit dem Sturz von Oberst Gaddafi im Jahre 2011 ist das Land im Chaos versunken. Und ein weiterer Bürgerkrieg könnte nach Ansicht von Marco Maier, Chefredakteur des Contra Magazins, bevorstehen. Gestern wurde bereits berichtet, dass Truppen der selbsternannten lybischen Nationalarmee in Richtung Tripolis unterwegs sind.
via Contra Magazin
Als die NATO-Bomben oppositionellen Milizen dabei halfen, den Sturz von Staatschef Muammar al-Gaddafi durchzuführen, war aufmerksamen Beobachtern klar: das wird kein gutes Ende nehmen. Heute hat das von Stämmen und Clans geprägte nordafrikanische Land mehrere „Regierungen“, die die Herrschaft über ganz Libyen beanspruchen. Darunter auch die von den Vereinten Nationen anerkannte „Regierung der nationalen Einheit“ in der Hauptstadt Tripolis, die jedoch ihren Einfluss nur auf einen kleinen Teil des Landes ausweiten konnte.
Truppen, die dem Führer im östlichen Teil Libyens, General Khalifa Haftar, treu ergeben sind, rückten in einer erneuten Konfrontation zwischen den rivalisierenden Regierungen nach Westen in Richtung der Hauptstadt Tripolis vor. Dies könnte eskalieren und erneut die Ölproduktion und -exporte Libyens stören. Haftar führt eine selbsternannte libysche Nationalarmee (LNA) mit einer Basis in der östlichen Stadt Benghazi an. Die LNA ist der Hauptgegner der von der UN unterstützten libyschen Regierung in der Hauptstadt Tripolis im Westen.
Das ölreiche Libyen, das zwischen einer von der UNO unterstützten Regierung mit Sitz in Tripolis und einer alternativen Verwaltung und Institutionen im Osten zerrissen ist (von den vielen kleineren Milizen und Gegenregierungen ganz zu schweigen), könnte die jahrelange politische Krise in diesem Monat durch die Schaffung einer einzigen Regierung lösen, sagte Haftar nur ein paar Tage vor.
Seit dem Sturz von Muammar Gaddafi im Jahr 2011 hat die Spaltung der politischen Landschaft in Libyen zu häufigen Angriffen auf Ölfelder und die Energieinfrastruktur durch verschiedene Gruppen geführt. Libyen hat seit Jahren Schwierigkeiten, seine Ölproduktion auf über 1 Million Bpd zu halten, verglichen mit 1,6 Millionen Bpd vor Beginn der Auseinandersetzungen. Haftar-treue Streitkräfte kontrollieren die vier Ölhäfen im sogenannten Ölhalbmond im Osten und die dortigen großen Ölfelder. Das sorgt dafür, dass Haftar über deutlich mehr Finanzmittel verfügt als die Einheitsregierung in Tripolis.
Wie wird es nun weitergehen? Sollten sich die Kampfhandlungen intensivieren, wäre ein erneuter Ausbruch des Bürgerkriegs im ohnehin schon extrem unruhigen und unsicheren Land sehr wahrscheinlich.