Regierungskrise in Österreich: Waren westliche Geheimdienste hier im Spiel?


«Österreich: FPÖ-Supergau & Neuwahlen», titelte heute das Wiener Contra Magazin über den Skandal der ganz Österreich überschattet. Doch wer steckt hinter diesem Skandal. Westliche Geheimdienste könnten die unliebsame FPÖ gezielt in die Pfanne gehauen haben. Das vermuten auch Geheimdienstmitarbeiter auf Anfrage von Medienvertretern. Aber den Russen die Schuld zu geben, ist nicht sehr naheliegend. Vielmehr kommen deutsche Geheimdienste in Betracht.

Wenige Tage vor der EU-Wahl versenkt sich die FPÖ selbst. Parteichef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache musste aufgrund eines heimlich aufgezeichneten Videos zurücktreten. Eine falsche „russische Oligarchennichte“ bot ihm umfangreiche Investments in Österreich an, um die FPÖ zur stärksten Partei zu machen. Dabei wurden er und Klubobmann Johann Gudenus gezielt in die Falle gelockt. Man könnte es auch «honey trapping» nennen.

Das Ergebnis: Bundeskanzler Sebastian Kurz löst die Regierung auf. Neuwahlen werden wohl bald folgen. Das wird der FPÖ, die nun bereits zum zweiten Mal (damals noch unter Haider und Schüssel zum ersten Mal) eine Bundesregierung sprengte, erneut unzählige Stimmen kosten. Gleichzeitig wird Kurz damit rechnen können, die ÖVP über die Marke von 40 Prozent der Stimmen zu katapultieren, schreibt das Contra Magazin und stellte mögliche Optionen vor. Doch wer steckt hinter diesem Skandal?

Doch zurück zum Honeytrap, eine Honigfalle: Honigfallen ist eine Untersuchungspraxis, bei der romantische oder sexuelle Beziehungen zu zwischenmenschlichen, politischen oder währungspolitischen Zwecken zum Nachteil einer an dieser romantischen oder sexuellen Angelegenheit beteiligten Partei eingesetzt werden. Solche Praktiken wurden immer wieder in der Vergangenheit bekannt.

Der DDR-Nachrichtendienst Stasi, geneau die Hauptverwaltung für Aufklärung (HVA) unter Führung von Markus Wolf, führte eine ähnliche Praxis aus. Es war die Romeo-Falle. Romeo-Falle ist die Bezeichnung für eine nachrichtendienstliche Sexpionage-Operation, bei der ein männlicher Agent eine Liebesbeziehung zu einer Zielperson anknüpft, zum Beispiel zum Zweck der Anwerbung. Das Gegenstück zur Romeo-Falle wird Venus-Falle genannt. Da es sich hier um eine hübsche angebliche Oligarchen-Nichte handelte, kann man von der Venus-Falle sprechen.

Der Unterschied zu den vielen bekannten Geschichten aus der Spionagewelt ist, dass es sich nicht um eine längere Beziehung handelte, sondern nur um einen Abend, wo zumindest viel Alkohol geflossen ist. Und dass es zu sexuellen Handlungen kam, ist nicht belegt. Zumindest nicht auf Video, was aber noch passieren könnte. Das Video wurde professionell vorbereitet und es wurden zahlreiche Kameras und Mikrofone aufgestellt, so dass eine professionelle geheimdienstliche Methode nicht so ganz an den Haaren herbeigezogen wurde.

Welcher Geheimdienst es war, wissen wir noch nicht. Wir wissen aber, dass der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) über Jahre hinweg den Nachbarn Österreich auspioniert hat. Und immer wieder geriet die FPÖ ins Visier. Das war bei Jörg Haider der Fall gewesen. Und auch im Juni 2018 kamen pikante Details ans Tageslicht: Der BND soll zwischen 1999 und 2006 systematisch die Telekommunikation zentraler Einrichtungen in Österreich überwacht haben, berichtete das österreichische Nachrichtenmagazin Profil und die Wiener Zeitung Der Standard vor knapp einem Jahr.

Auf Grundlage BND-interner Dateien werde klar, dass in diesem Zeitraum insgesamt 2000 Telefon-, Fax- und Mobilanschlüsse sowie E-Mail-Adressen im Visier des deutschen Nachrichtendienstes gewesen seien. Die Erkenntnisse seien wahrscheinlich zwar im Grundsatz nicht neu, aber die Details irritierend, erklärten die Politiker.

Profil schrieb, der BND habe sich ab 1999 vor allem für diplomatische Vertretungen und internationale Organisationen in Wien interessiert. Die Datei umfasse mehr als 200 Fernmeldeanschlüsse in 75 Botschaften, darunter die USA, der Iran, Irak, Pakistan, Libyen, Afghanistan, Israel und Nordkorea. Daneben gebe es abgehörte Nummern beim Ölkartell Opec, zwei Dutzend Nummern bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), 180 bei der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA. Bei anderen Organisationen der UN seien 128 Anschlüsse verzeichnet, so Profil. Außerdem seien Dutzende Unternehmen, darunter Waffenproduzenten und andere wichtige Exporteure, im Visier des BND gewesen.

Allerdings ist der BND, anders als die HVA damals, nicht dafür bekannt, Frauen auf Spitzenpolitiker anzusetzen. Zumindest sind solche Fälle nicht sonderlich prominent. Unter der Führung von Reinhard Gehlen ist aus den Erinnerungen des KGB-Spions Heinz Felfe zu entnehmen, dass der damalige BND-Chef gerne seine engsten Mitarbeiter mit bestimmten Frauen verkuppelte. Und wir wissen aus der Geschichte des Bundesnachrichtendienst auch, dass dieser gerne mit auserwählten Medien zusammenarbeitet. Mal ist es Der Spiegel, gerne auch die Süddeutsche Zeitung oder auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Je nachdem, wie es gerade passt.

Gehlen veröffentlichte im Jahre 1980 ein Buch mit dem Titel «Verschlußsache», wo die Zusammenarbeit mit der Presse und dem Bundesnachrichtendienst unter anderem folgendermaßen beschrieben wurde. Auf Seite 61 ist folgendes zu lesen:

«Über die notwendigen und oft für beide Seiten nützlichen Verbindungungen eines Auslandsnachrichtendienstes zur Presse — und in gewissen Umfange auch zu den anderen Massenmedien — habe ich mich schon früher geäußert (…)Selbstverständlich ist sie nur unter seriösen und verantwortungsbewußten Partnern erfolgsversprechend», so der Generalmajor, der 1968 sein Amt als BND-Chef übergeben hat.

 

Und gerade bei solchen pikanten Details können sich Journalisten, die als Vetrauensmänner von Nachrichtendiensten zu erblicken sind, sich immer auf den «journalistischen Quellenschutz» berufen. Vor allem aber zeigt sich der Bundesnachrichtendienst auch gerne sehr großzügig, was für die Veröffentlichung solcher Details betrifft.

Der BND untersteht anders als das Bundesamt für Verfassungschutz dem Bundeskanzleramt. Und die CDU-Führung ist zwar kein Gegner von Kanzler Kurz, gleichwohl betrachtete man die Zusammenarbeit mit der als rechtspopulistisch FPÖ mit großer Besorgnis. Daher stellt sich die Frage: Wem nützt es? lateinisch auch Cui bono?  (gelegentlich auch ungenau Qui bono? ) zitiert –  ein geflügeltes Wort, mit dem die Frage nach dem Nutznießer bestimmter Ereignisse oder Handlungen, beispielsweise von Verbrechen oder auch politischen Entscheidungen, gestellt wird.

Berlin und auch andere linksliberale westliche Regierungen ist es nützlich, wenn ein solcher Skandal in Österreich zu Neuwahlen führen wird. Und man darf an dieser Stelle aber auch eines nicht vergessen: Auf eine solche Honigfalle muss man nicht reinfallen, aber man kann. Das haben Strache und Gudenus bestens zelebriert.

Am Ende lässt sich sagen, dass wir nur Indizien haben, die dafür sprechen, dass der deutsche Nachrichtendienst treibende Kraft gewesen sein könnte. Wir wissen auch nicht, ob auch andere befreundete Dienste wie Mossad, CIA oder französische Dienste mitgewirkt haben. Russische Nachrichtendienste haben am wenigsten ein Interesse daran, dass die Koalition in Österreich vor einem Scherbenhaufen steht, denn seit die FPÖ mitregierte, kam es zu einem regelrechten Kuschelkurs zwischen Wien und Moskau, was beispielsweise der Besuch von Präsident Wladimir Putin auf der Hochzeit von Karin Kneissl bewiesen hat. Und auch dieser sogenannte Kuschelkurs zwischen Österreich und Russland wurde in Berlin ebenfalls mit verschränkten Armen vernommen. Also worin sollte das Interesse Moskaus darin bestanden haben, dass in Österreich die Karten neu gemischt werden?