Der Konflikt um die russischen S-400-Komplexe könnte zum Rückzug der Türkei aus der NATO führen, was «ein großer Sieg für den russischen Staatschef Wladimir Putin» wäre. Dieser Auffassung ist der deutsche Professor Thomas Jäger für das Online-Portal Focus Online.
Laut dem Politikwissenschaftler wird das Abkommen zwischen Ankara und Moskau die ohnehin unfreundlichen Beziehungen der Türkei zur amerikanischen Seite erheblich verschlechtern, während Washington der Türkei Beschränkungen (in Form von Sanktionen) für den Kauf russischer Militärausrüstung auferlegen muss. Obwohl der Chef des Weißen Hauses, Donald Trump, laut Eger wahrscheinlich versucht, sie zu verschieben, kann er sie de jure nicht vollständig aufgeben.
Der Focus-Experte warnt, dass ein «Austritt der Türkei aus dem Militärbündnis für die NATO einen enormen geostrategischen Verlust bedeutet».
Professor Jäger erklärte, dass die Entstehung dieses Konflikts zwischen der Türkei und den Staaten bereits «ein großer Sieg für Wladimir Putin» sei. Er stellt fest, dass auch wenn die Türkei in der NATO verbleibt, das Misstrauen gegenüber anderen Mitgliedern des Militärblocks zunehmen wird. Auch die Schwäche der EU in diesem Konflikt wurde angesprochen.
«Für die EU-Staaten ist dies eine Lage, in der ihre vitalen Interessen betroffen sind. Erneut muss man feststellen, dass die EU-Staaten ohne jeden Einfluss auf die Entwicklungen sind», so Jäger am Ende des Beitrages.
Darüber hinaus bezeichnet der deutsche Politologe die Stärkung der russisch-türkischen Beziehungen als «internationale Sensation». Zur Erinnerung: Ende November 2015 schoss die türkische Luftwaffe eine russische Su-24, was zu Spannungen zwischen Russland und der Türkei geführt hat. Russland hatte daraufhin für etwa ein halbes Jahr Wirtschaftssanktionen gegen die Türkei verhängt. Danach haben sich die Beziehungen beider Länder deutlich verbessert.
Gleichzeitig hat sich wegen des gescheiterten Militärputsches im Juli 2016 das Verhältnis zwischen Erdogan und den USA deutlich verschlechtert, da man die USA und den dort lebenden Exilanten Fetullah Gülen als Drahtzieher hinter dem missglückten Staatsstreich in Ankara sah. Daraufhin wandte sich Erdogan noch näher an Russland. Auch auf Fehler seitens der USA wird hingewiesen.
«Dabei hat der amerikanische Präsident, der seine Vorgänger gerne als dumm hinstellt, auch in diesem Fall genau das getan. Präsident Obamahabe einen Fehler begangen, der Türkei nicht das Patriot-System verkauft zu haben. Bis Trump dann ins Amt kam, waren die Verhandlungen mit Russland schon zu weit gediehen, um noch abgewendet werden zu können», stellt der deutsche Politikwissenschaftler fest.
Russland und Iran integrierten die Türkei als Garanten für den Friedensprozess in Syrien in das Astana-Format. 2017 entschied sich die Türkei das russische Luftabwehrsystem S-400 zu erwerben, mit dem Argument, es sei Bestandteil der nationalen Verteidigung und sollte deshalb nicht in das NATO-Bündnis integriert werden.
Am vergangenen Freitag gab das türkische Verteidigungsministerium den Beginn der Lieferungen von S-400 in das Land bekannt. Am nächsten Tag sagte Ankara, dass das vierte russische Flugzeug mit einer neuen Charge von Elementen für das Luftverteidigungssystem auf der Mürted Air Base in der Nähe von Ankara gelandet sei.