Einigung zwischen Putin und Erdoğan: Wiederherstellung des Adana-Abkommens und trilaterale Grenzpatrouillen in Nordsyrien

Während die türkische Militäroperation «Friedensquelle» sich territorial einschränken wird, werden nun russische und syrische Truppen die Grenze im Norden des Landes kontrollieren. Das syrisch-türkische Abkommen aus dem Jahre 1998 soll wieder Realität werden.

Damaskus ist der Gewinner

Die territoriale Integrität Syriens ist nach dem Treffen zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinem Amtskollegen  Recep Erdoğan in Sotschi ein Stück weiter hergestellt. Nach langen Gesprächen willigte der türkische Präsident ein, dass russische Militärpolizei und syrische Truppen in das nördliche Grenzgebiet entsandt werden.

Die Gründe für die türkische Militäroperation sind für Putin zwar nachvollziehbar. Allerdings will Moskau vermeiden, dass die türkische Operation letztlich Terroristen in die Hände spielen wird. Zudem steht die Souveränität und territoriale Integrität Syriens außer Frage.

Ziel sei es schließlich, dass Syrien von jeglicher «illegalen ausländischen Militärpräsenz» befreit werde. Diesem Ziel ist man nun im Norden des Landes näher gekommen. Insgesamt sieben Stunden lang zogen sich die Diskussionen zwischen Putin und Erdogan hin. Zwar muss die Ankara ihre Militäroperation auf beschränktem Gebiet fortsetzten, dennoch dürften die Kurden die schlimmsten Konsequenzen befürchten. Damaskus hingegen kann sich als Sieger in diesem Kompromiss sehen.

Moskau nimmt indes sowohl Damaskus als auch Ankara in die Pflicht:

«Ohne eine Zusammenarbeit zwischen der Türkei und Syrien, die auf gegenseitigem Respekt beruht, wird nichts erreicht werden», betonte er.

Laut Putin wurde im Gespräch mit Erdoğan betont, dass die aktuelle Situation den Beginn der Arbeit des syrischen Verfassungsausschusses in Genf in keiner Weise beeinträchtigen dürfe. Der russische Präsident forderte die internationale Gemeinschaft auf, allen Flüchtlingen, die nach Syrien zurückkehren wollen, aktiv zu helfen.

Anakara seinerseits erhofft sich nach dem Ende der Militäroperation, dass man die syrischen Flüchtlinge wieder sicher in ihr Heimatland zurückschicken kann.

 

Kurden müssen sich zurückziehen

Man einigte sich auch darüber, dass sich die kurdisch geführten Milizen — das Hauptziel der türkischen Operation — auf syrisches Territorium jenseits von 30 km von der türkischen Grenze zurückziehen müssen. In der Zwischenzeit wird Erdogan in einem begrenzten Gebiet — zwischen den Städten Tell Abyad und Ras al-Ayn — bis zu 32 km auf syrischem Territorium operieren.

«Ich habe mit Putin über alle Ereignisse im Zusammenhang mit der Operation Friedenquelle gesprochen.» Ich habe Präsident Putin ausführlich erklärt, was unsere Hauptaufgabe ist,Terroristen des IS und der kurdische Arbeiterpartei (PKK) zu beseitigen und die sichere Rückkehr syrischer Flüchtlinge zu gewährleisten “, so Erdogan.

Erdogan wies darauf hin, dass bis Mittwoch alle kurdischen Einheiten die Zone, die sich innerhalb von 30 Kilometern um die türkische Grenze erstreckt, vollständig verlassen sollten.

Unterdessen berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf einen Vertreter der US-Regierung, dass die kurdischen Formationen der «Syrischen Demokratischen Kräfte» (SDF) die Sicherheitszone im Nordosten Syriens verlassen hätten, wie die USA und die Türkei zuvor vereinbart hatten.

Der Vertreter der Vereinigten Staaten äußerte die Hoffnung, dass Ankara dem irgendwann zustimmen und die Aussetzung der türkischen Operation zu einem dauerhaften Waffenstillstand zwischen den syrischen Kurden und den Türken führen würde.

Andere Teile der syrischen Grenze — von Kobani bis Tell Abyad und von Ras al-Ayn bis zur irakischen Grenze — sollen vom syrischen Militär und den Grenzschutzbeamten kontrolliert werden, die von der russischen Militärpolizei unterstützt werden.

Gemeinsame Patrouillen zwischen Russland und der Türkei  werden entlang der Grenze verlaufen.

Gleichzeitig werden Gebiete, die nicht von der türkischen Militäroperation betroffen sind, gemeinsam von türkischem Militär und russischer Militärpolizei bis zu einer Tiefe von 10 km auf syrischem Territorium überwacht.

Gefangene IS*-Kämpfer müssen zurückgehalten werden

Auch die in letzter Zeit in den Medien immer wieder aufkommende  Frage mehrerer Gefängnisse und Lager im Nordosten Syriens, in denen IS-Kämpfer inhaftiert sind, wurde aufgegriffen. Putin betonte, dass das unvermeidliche Chaos, das die türkische Operation verursachte, es ihnen nicht erlauben dürfe, zu entkommen.

«Es ist wichtig, dass Mitglieder terroristischer Organisationen, einschließlich des IS, deren Militanten von kurdischen bewaffneten Gruppen gefangen gehalten werden und versuchen, sich zu befreien, die Aktionen der türkischen Streitkräfte nicht ausnutzen», betonte der russische Staatspräsident.

Russlands Außenminister Lawrow seinerseits forderte diejenigen, die die Gefängnisse errichtet und unterhalten hatten, auf, ihre «Verantwortung» für die Verhinderung der Flucht von Häftlingen des Islamischen Staates (IS, ehemals ISIS) zu verstehen.

Wiederherstellung des Adana-Abkommens von 1998

Sowohl die Türkei als auch Russland bekräftigten die Bedeutung des Adana-Abkommens von 1998, eines Sicherheitspakts zwischen Syrien und der Türkei, welches in der gleichnamigen südtürkischen Stadt unterzeichnet wurde. Unter anderem erlaubt es dem türkischen Militär, grenzüberschreitende Operationen in Syrien durchzuführen, allerdings nur bis zu einer Tiefe von 15 Kilometern. Damaskus versprach,  Mitgliedern der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) Zuflucht zu gewähren, die Ankara als terroristische Organisation ansieht.

Während die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Staaten in den Jahren des Syrienkonflikts erheblich geschädigt wurden, wurde der Pakt nie gekündigt, dessen Ziel es war einen Krieg zwischen Syrien und der Türkei zu verhindern. Damals wie heute spielte das Thema Terrorismusbekämpfung eine zentrale Rolle.

Seinerzeit war die in der Türkei und Deutschland verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK Auslöser des Konflikts beider Nachbarstaaten.

Das Abkommen zwang den PKK-Führer Abdullah Öcalan Ende der 1990er Jahre, Syrien zu verlassen. Öcalan wurde in der Türkei wegen Hochverrats verurteilt, nachdem ihn der türkische Geheimdienst während seiner Flucht in Kenia aufgegriffen wurde. Der Terr verbüßt eine verschärfte lebenslange Haftstrafe in einem Hochsicherheitsgefängnis auf der abgelegenen Insel İmralı im Marmarameer.

Sowohl die aktuelle Militäroperation «Friedensquelle» als auch die im Jahre 2016 eingerichtete Sicherheitszone in Nordsyrien, wurden von Ankara mit diesem Abkommen begründet.

Die PKK führt seit Jahrzehnten in der Türkei einen Aufstand mit geringer Intensität, um letztendlich die Schaffung eines unabhängigen kurdischen Staates zu erreichen. Ankara hat die kurdisch geführten Milizen über die Grenze in Syrien beschuldigt, enge Verbindungen zur PKK zu haben. In der Tat wurden PKK-Flaggen und Insignien wiederholt von kurdischen Streitkräften in Syrien ausgestellt, obwohl das Ausmaß der Verbindungen zwischen den Gruppen nicht bekannt ist.

 

*in Russland verboten.