Auch nach dem Treffen zwischen Putin und Merkel in Paris, wo auch der Berliner Tiergarten-Mord Ende August zur Sprache kam, spitzt sich die Debatte weiter zu. Inzwischen wird die deutsche Bundeskanzlerin von ehemaligen Spitzenbeamten deutscher Nachrichtendienste kritisiert.
«Agent 008» im eigenen Auftrag
„Eine Blamage für das Land“, titelte unter anderem das Münchner Nachrichtenportal Merkur und zitiert den CDU-Politiker Bernd Schmidbauer, der unter Bundeskanzler Helmut Kohl zwischen 1991 bis 1998 als Staatsminister im Kanzleramt, die Geheimdienste koordinierte.
Wegen seiner Affinität für die Arbeit mit Geheimdiensten, wie dem Kanzleramt unterstellten Bundesnachrichtendienst (BND) oder dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), wurde ihm der Spitzname «Agent 008» verpasst.
Als Koordinator für die genannten Geheimdienste und dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) griff er gerne auf umstrittene Top-Agenten wie Werner Mauss zurück, wenn es darum geht deutsche Geiseln aus den Händen kolumbianischer Guerilla zu befreien. Um Geiseln aus dem Libanon zu befreien, führte er auch persönlich Verhandlungen mit den Geiselnehmern.
Auch seine Rolle in der Plutonium-Affäre, als der BND einen Plutonium-Transport von Moskau aus veranlasste, geriet der ehemalige Politiker in die Schlagzeilen. Als Kohl 1998 abgewählt wurde, war auch seine Zeit als Geheimdienst-Koordinator zu Ende.
Die Woche tauchte sein Name auf, nachdem der ehemalige Spitzenbeamte und Politiker der Bild-Zeitung ein Interview gab, wo er kein gutes Haar an Merkel lässt. Kritikpunkt ist die Reaktion Deutschlands auf den Berliner Tiergartenmord, der nach Ansicht der deutschen Leitmedien ein «russischer Auftragsmord» gewesen sein soll.
Zur „politischen Bankrotterklärung“ sollen nicht namentlich genannte ehemalige Geheimdienstchefs Berlins Reaktion gegenüber Moskau erklärt haben. Er selbst sprach von einer „lächerlichen“ Reaktion,womit die Ausweisung zweier russischer Diplomaten durch das Auswärtige Amt gemeint ist.
„Eine Blamage für das Land“
Sowohl für Schmidtbauer als auch für einen Großteil der Leitmedien, hat Putin durch seine «auswendig gelernte Erklärung» in Paris letzte Woche, indirekt gestanden, dass Moskau die Tötung des Georgiers in Auftrag gegeben hat. „Putin hat Frau Merkel desavouiert, sie hat sich vorführen lassen.
«Das war eine Blamage für unser Land“, resümierte Schmidtbauer Merkels Verhalten in Paris in Bezug auf den bislang nicht aufgeklärten Mord in Berlin. Unter der Ära von Helmut Kohl hätte es so etwas nicht gegeben.
Damals wäre „sofort jemand nach Moskau geflogen und hätte direkt im Kreml Tacheles geredet». Schließlich sei aus seiner Sicht schnell klar gewesen, dass nur Moskau hinter den heimtückischen Mord stecken könne.
Auch interessant >>>> Im Angesicht des Verbrechens: Wie westliche Medien Putin einen Mord in die Schuhe schieben wollen
Dabei beruft er sich auf ein Gesetz seit 2006 den Einsatz „militärischer Ausrüstung, Waffen, Spezialausrüstung des föderalen Sicherheitsdienstes sowie physischer Gewalt gegen Terroristen“ legitimiert. Putin bezeichnete den getöteten Georgier als «Terroristen“ und „Feind Russlands“ , der unter anderem die Moskauer U-Bahnanschläge organisierte.
„In Berlin wurde ein Krieger getötet, der in Russland gesucht wurde, ein blutrünstiger und brutaler Mensch“, so der Kreml-Chef wörtlich. Zudem habe Russland mehrmals um die Auslieferung des vermeintlichen Terroristen gebeten, ohne Erfolg.
All dies und die Tatsache, dass die Bundesregierung ein entsprechendes Auslieferungsgesuch Moskau später bestritten hat, wurde in der Berichterstattung zum Anlass die Anschuldigungen gegenüber Moskau aufrecht zu erhalten und die Bundesregierung zu kritisieren.
„Entweder hat sie (Merkel) in dem Fall die Orientierung verloren oder es interessiert sie alles nicht mehr. Ich weiß nicht, was schlimmer ist“, so ein ehemaliger BND-Chef, der nicht namentlich genannt wurde.
Erste positive Zeichen
Der Münchner Merkur lehnte sich weniger weit aus dem Fenster und schloss sich nicht den Anschuldigungen an, die man auf Bild, Spiegel und anderen Leitmedien in Richtung Moskau erhoben hat. Am Ende wurde unter Bezugnahme auf Merkel und Innenminister Horst Seehofer (CSU) sowie einem russischen Spitzenbeamten darauf hingewiesen, dass die von Berlin eingeforderte Zusammenarbeit langsam ins Rollen kommt.
Die ersten positiven Zeichen für die Kooperationsbereitschaft Russlands, sieht der CSU-Politiker und ehemalige Landesvater des Freistaats Bayern. Dabei wurde gerade im Kampf gegen den Terrorismus, der nach dem Ende des Kalten Krieges die Welt bis heute in Atem hält, eine deutsch-russische Koordination auf Geheimdienstebene aufgebaut.
Diese wurde unter Schmidtbauers Zeit und darüber hinaus ausgebaut, wie man in einem Spiegel-Bericht Ende September 2001 nachlesen konnte, also kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und einige Tage nachdem der russische Präsident im Bundestag seine berühmte Rede hielt, die man hier nachlesen kann.
«Seit 1997 gebe es eine Vereinbarung über den Kampf gegen Terrorrismus, Waffen- und Drogenschmuggel sowie illegale Einwanderung», schreibt das Nachrichtenmagazin und zitierte den ehemaligen FSB-Sprecher Alexander Sdanowitsch:
«Wir hatten bereits erste gute Erfahrungen mit den deutschen Kollegen bei einer größeren Aktion gegen Drogenschmuggel aus Afghanistan», sagte Sdanowitsch. «Besser einmal sehen als tausendmal hören. Die deutsch-russische Kooperation sei sicherlich die effektivste in Europa», hieß es im Spiegel-Artikel aus dem Jahre 2001 weiter.
Der Georgier ZelimkhanKhangoshvili wurde am 23. August im Berliner Tiergarten mit zwei Schüssen einer aus naher Distanz mit zwei Schüssen in den Kopf getötet. Tatwaffe war eine 9-mm-Pistole Glock 26 mit Schalldämpfer. Eine Ermordung dieser Art ist typisch für Morde im Milieu der osteuropäischen Mafia (sogenannte Russen-Mafia).
Der mutmaßliche Täter, der unter anderem Sokolow genannt wurde, stammt aus Russland wurde kurze Zeit später ausfindig gemacht. Er hatte 3.700 Euro Bargeld bei sich. Die Waffe wurde allerdings nicht gefunden. Diese soll er Medienberichten zufolge in die Spree geworfen haben.